Engagement ohne Ende

Joachim Klar Arzt zu sein bedeutet für Joachim Klar in erster Linie, für seine Patienten da zu sein. Und nicht nur beruflich zeigt der Mann vollen Einsatz.

Joachim Klar, der seine eigene Hausarztpraxis in Olten führt, beherrscht das Understatement. Seinen in Deutschland erworbenen Facharzt in Neurologie etwa liess er in der Schweiz nie anerkennen. (Bild: Isabel Hempen)
Joachim Klar, der seine eigene Hausarztpraxis in Olten führt, beherrscht das Understatement. Seinen in Deutschland erworbenen Facharzt in Neurologie etwa liess er in der Schweiz nie anerkennen. (Bild: Isabel Hempen)

An einem Montagabend um sieben Uhr treffe ich Joachim Klar. Der letzte Patient hat seine Praxis an der Hauptgasse 18 in Olten eben verlassen. Joachim Klar, so will es das Schild am Haus- eingang, ist Dr. med, Facharzt FMH für Innere Medizin. Was zwar einerseits den Tatsachen entspricht, andererseits aber viel zu kurz gegriffen ist, wie ich im Laufe des Gesprächs erfahre.

Ungewöhnlich für einen Mediziner

Klar wächst im norddeutschen Bremen auf. Im Alter von 11 Jahren ringt er den Eltern ab, Cello spielen zu dürfen. In der Folge besucht er die Musikhochschule: morgens Schulunterricht, nachmittags Musikstunden, abends Probe. Darauf beginnt er ein Studium am Konservatorium in Bremen, schliesst dieses aber nicht ab. Die Musik sei ihm zu wichtig gewesen, sagt er. Wenn er nebenbei musiziere, erkannte er, könne er dies viel passionierter tun. Eine weitere seiner Begabungen liegt in den Naturwissenschaften. Er möchte aber auch den Mensch miteinbeziehen und studiert Medizin. Er macht den Facharzt für Neurologie und übernimmt in der Gegend von Bonn eine leitende Funktion. Leidet aber darunter, «nur» Neurologe zu sein, und absolviert einen zweiten Facharzt in Innerer Medizin – ungewöhnlich für einen Mediziner. Ausserdem verfügt er über eine Ausbildung für Gefässultraschall. Von seiner Superstelle in Deutschland übersiedelt er nun in das Regionalspital Wolhusen im Luzerner Entlebuch. Auch sein weiterer Werdegang verläuft aussergewöhnlich, doch halten wir es kurz: Oberarzt im Spital Wolhusen und der Psychiatrie in St. Urban. Wechsel ans Berner Inselspital, um seine internistische Ausbildung abzuschliessen. Hierbei wird er wieder zum Assistenzarzt degradiert – eine absurde Situation für den ehemaligen leitenden Arzt und Oberarzt. Nach einem Jahr wirbt ihn das Bürgerspital Solothurn ab. Drei Jahre Tätigkeit als Oberarzt, er schiebt 80-Stunden-Wochen.

Berufliche Vielfalt - eine «coole Mischung»

Um mehr Zeit für seine inzwischen fünf Kinder zu finden, orientiert Klar sich neu: Er eröffnet in Olten eine eigene Praxis. Hier lebt und arbeitet er seit 1999. Er wirkt als Hausarzt, erhält aber aufgrund seiner diversen Spezialisierungen von anderen Ärzten Patienten mit neurologischen
(z.B. Parkinson, MS, Epilepsie), psychiatrischen und gefässmedizinischen Beschwerden
(z.B. bei Diabetes) zugewiesen. Diese berufliche Vielfalt sei eine «coole Mischung», sagt er. Seither steht auch die Musik wieder im Vordergrund. Mit dem Huttwiler Kammerorchester, einem Profi-Ensemble, tritt er in der ganzen Schweiz auf. Gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin, der Musikerin Claire Charpentier, spielt er zuweilen an der «Hora musica» im Oltner Kapuzinerkloster. Im Jahr beteilige er sich an zehn bis zwanzig Konzerten, erzählt er. Daneben übt er diverse ehrenamtliche Tätigkeiten aus: in der Musikschulkommission der Stadt Olten, im Vorstand des Kirchenmusikverbands, im Stiftungsrat des Altersheims St. Martin – «nebst anderem».

Mister Understatement

Klar beherrscht das Understatement. Seinen in Deutschland erworbenen Facharzt in Neurologie etwa liess er in der Schweiz nie anerkennen. Wichtiger als Qualifikationen ist ihm der Mensch selbst. Auch arztscheue Menschen fassen zu ihm Vertrauen, weil er «nicht so doktorhaft» rüberkomme. Beispielhaft die folgende Anekdote: Klar wurde von der Polizei gerufen, weil eine psychisch schwerkranke Frau sich in ihrer Wohnung verbarrikadiert hatte. Die Frau war höchst aufgebracht, die Polizisten standen mit gezogenen Waffen vor ihrer Tür. Klar begab sich zu ihr in die Wohnung und bemerkte als erstes: «Das ist aber schöne Mozartmusik, die sie da hören.» Die Stimmung kippte, die Frau wurde plötzlich zugänglich. Sie liess sich darauf freiwillig in die Psychiatrie einweisen. Man staunt über die Energie und den Elan dieses Mannes. Ist aber nach dem Gehörten nicht erstaunt, als er das Gespräch mit der Feststellung schliesst: «Ich werde sicherlich über das Pensionsalter hinaus praktizieren. Warum soll ich einen so schönen Beruf aufgeben, wenn ich nicht muss.»

Weitere Artikel zu «Im Fokus», die sie interessieren könnten

Im Fokus28.02.2024

Wirz-Burri – Kolonialwaren und Delikatessen am Bifangplatz

Briefgeschichten Am Bifangplatz befand sich vor rund hundert Jahren an prominenter Lage der Laden zum «Bifanghof» von Paul Wirz-Burri. Die…
Im Fokus28.02.2024

«Unsere Lieder sind Medizin für unsere Herzen»

Olten Der Gedenkanlass «Zwei Jahre Krieg in der Ukraine» in der Stadtkirche wurde von weit über 200 Personen besucht.
Im Fokus28.02.2024

Gefrässig und vermehrungsfreudig

Asiatische Hornisse Die Verbreitung der Asiatischen Hornisse bedroht einheimische Bienenvölker. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Sichtungen zu…