Eine rätselhafte Einladung ins Kaspar-Escher-Haus nach Zürich
Briefgeschichten Albert Häubi, Zeichenlehrer an der Gewerbeschule Olten, organisierte ein Treffen mit dem Frauenfelder Küfermeister Eugen Bach.
Zunächst stehen da bloss drei Namen: Der Absender A. Häubi, der Empfänger E. Bach und ein Herr Oberholzer. Die Vornamen sind nur mit den Initialen angedeutet oder fehlen ganz. Wenn man jedoch diese Personen identifiziert und den mageren Angaben auf der Karte genauer nachgeht, fügen sich die Puzzleteile zu einer stimmigen Geschichte zusammen. Eine erste Information ist das Datum 6. September 1946, sodann Bachs Berufsangabe Küfermeister sowie der Hinweis auf das «Küferzeichnen». Worum ging es?
Anfang der 1940er-Jahre organisierte der Schweizerische Küfer- und Kellermeisterverband (SKV) die Aus- und Weiterbildung seines Nachwuchses neu. In der Amtszeit von Zentralpräsident Friedrich Orsinger wurden ein Lehrlingsausbildungs- und ein Lehrabschlussreglement sowie ein neues Meisterprüfungsreglement ausgearbeitet. Da es in den wenigsten Kantonen genügend Küferlehrlinge gab, um an den Berufsschulen eigene Küferklassen zu führen, beschloss der SKV 1942, die Küferlehrlinge für die Berufskunde – zusätzlich zum Besuch der Gewerbeschule am Lernort – in zentralen Kursen zusammenzuziehen. Wegen der guten Erreichbarkeit wählte man Olten als Kursort.
Im Januar 1943 wurde deshalb an der Gewerbeschule in Olten der erste dieser Fachkurse mit 33 Schülern eröffnet. Er begann am Freitag, den 22. Januar 1943, vormittags 8.30 Uhr in der Gewerbeschule an der Sälistrasse 6 und dauerte bis zum Samstag, 20. Februar 1943. Der Unterricht fand jeweils an den zwei aufeinanderfolgenden Wochentagen Freitag und Samstag statt und endete zeitig, damit die meisten Lehrlinge am Abend nach Hause zurückreisen konnten. Die Gewerbeschule Olten stellte Schulräume, Beleuchtung, Heizung und Schulmaterialien gratis zur Verfügung.
Als Fachlehrer wirkten der Küfermeister Rudolf Pfister aus Embrach für die Küferarbeit, Anton Schneggenburger, Kellermeister beim Consumverein Olten (CVO), für die Kellerwirtschaft, sowie Albert Häubi, Zeichenlehrer an der Gewerbeschule Olten, für das Skizzieren. Rudolf Pfister wurde bereits nach einem Jahr von Küfermeister Eugen Bach abgelöst, der ab 1944 die Berufskunde unterrichtete.
Bald zeigte sich, dass der Zeichenunterricht zu verbessern war. Albert Häubi erhielt deshalb den Auftrag, sich mit dem Küferzeichnen vertieft zu beschäftigen und ein Lehrmittel zu schaffen. Im September 1946 legte er das fertige Büchlein «Zeichnen für Küfer» vor. Es wurde vom SKV herausgegeben und erschien im Aarauer Sauerländer-Verlag. Im folgenden Jahr erlebte es bereits eine zweite Auflage und wurde 1956 ins Französische übersetzt.
Das Lehrmittel wurde vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) subventioniert. Dies erklärt auch, warum Häubi am Montagmorgen um 9 Uhr bei «Herrn Oberholzer im Kaspar Escher-Haus Zürich» zu einer Sitzung verabredet war. Im Kaspar Escher-Haus befand sich die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion, und Emil Oberholzer war sowohl Inspektor der gewerblichen Berufsschulen als auch Mitglied der Kommission für die berufliche Ausbildung.
Der Zeichenlehrer Albert Häubi
Der Autor Albert Häubi war eine angesehene Persönlichkeit in Olten. Ursprünglich absolvierte er das Primarlehrerseminar in Bern und studierte anschliessend Malerei in München. 1928 kam er an die Gewerbeschule Olten und übernahm die Stelle als Hauptlehrer für Konstruktions- und Freihandzeichnen. Daneben betätigte er sich künstlerisch; seine Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen befinden sich in zahlreichen Museen und in Privatbesitz. Zusammen mit Schülern schuf er das grosse Mosaik vor der Aula der Oltner Berufsschule. Lange Jahre fungierte er als Präsident des Kunstvereins. 1940 schuf er mehrere Federzeichnungen der Oltner Altstadt, mit welchen 1943 die Einladung zur Jubiläums-Delegiertenversammlung des 1903 gegründeten Schweizerischen Küfer- und Kellermeisterverbandes in Olten geschmückt wurde. Eine solche Zeichnung wurde auch als Ansichtskarte gedruckt.
Der Küfermeister Eugen Bach
Zeichenlehrer Albert Häubi konnte das Lehrmittel selbstverständlich nicht alleine verfassen. Um das Unterrichtsmaterial bereitzustellen, unterstützten ihn die anderen Fachlehrer, insbesondere Küfermeister Eugen Bach. Eugen (Eugen Johann) Bach wurde am 10. April 1903 als das älteste von fünf Kindern des Ehepaares Louise und Eugen Bach-Sigwart in Frauenfeld geboren. Der aus Eschenz stammende Vater Eugen Bach hatte Küfer in Frauenfeld gelernt und 1906 die Firma seines Lehrmeisters an der Grabenstrasse 7 übernehmen können. Er war ein engagierter Berufsmann. An der Schweizerischen Landesausstellung 1914 in Bern errang er mit seiner Küferarbeit eine goldene Medaille. Bei der Gründung des Thurgauischen Küferverbandes übernahm er das Präsidium bis 1915.
Eugen Bach junior trat in die Fussstapfen seines Vaters. Vom 2. Mai 1920 bis Ende April 1923 lernte er den Beruf des Küfers in Montreux am Genfersee. Anschliessend kehrte er vorerst nach Frauenfeld zurück. Doch bereits Mitte August 1923 begab er sich auf «Wanderschaft». Da er die französische Sprache lieb gewonnen hatte, führte sein Weg wieder in die Suisse Romande. Er arbeitete in La Tour-de-Peilz und Morges im Waadtland. 1931 legte er in Luzern die Meisterprüfung als Bester seines Jahrgangs ab. 1932 übernahm er die väterliche Grossküferei in Frauenfeld, nachdem diese nach dem Tod von Vater Bach 1928 noch von dessen Witwe Louise geführt worden war. Am 11. Juni 1937 verheiratete sich Eugen Bach in zweiter Ehe mit Maria Elisabetha Fischer.
Von 1939 bis 1956 amtete Eugen Bach als Präsident des Thurgauischen Küfermeisterverbands. Er bildete regelmässig Lehrlinge aus. Wie schon erwähnt, unterrichtete er von 1944 bis 1962 Berufskunde für Küfer an der Gewerbeschule Olten. Ab 1947 fungierte er als Experte in der Meisterprüfungskommission. Sein Beruf verschob sich immer mehr in Richtung Weinhandel. Gefässe aus Holz wurden immer weniger nachgefragt, und schliesslich gab Eugen Bach die Küferei ganz auf.
Quellen: Auskunft Annelies Fischer, Frauenfeld; Stadtarchiv Frauenfeld, Staatsarchiv Zürich.
Zu Albert Häubi hat der Autor dieses Beitrags eine Biografie verfasst: Amacher, Urs, Albert Häubi und sein Mosaik in der Berufsschule Olten. Olten 2021.