Eine kreative Lebenskünstlerin

Cordula Bärtschi hat Thomas Manns Schreibtisch repariert, zeichnet Porträts von Menschen und Haustieren und identifiziert sich mit den Schlagworten Malen, Modellieren, Restaurieren und Drechseln.

Um das Pferd schwarz wirken zu lassen, hat es Cordula Bärtschi mit Kreidenstrichen in dreissig verschiedenen Farbtönen zu Papier gebracht. (Bild: Sonja Furter)
Um das Pferd schwarz wirken zu lassen, hat es Cordula Bärtschi mit Kreidenstrichen in dreissig verschiedenen Farbtönen zu Papier gebracht. (Bild: Sonja Furter)

Stuhlbeine, Ständerlampen oder Sprossen fürs Treppengeländer herzustellen war Cordula Bärtschis Berufsalltag während der Lehre. «Gerade mal vier Frauen haben in meinem Jahrgang 1958 die Ausbildung zur Drechslerin gemacht», erinnert sie sich zurück. Ursprünglich hatte die Dullikerin Dekorateurin werden wollen, aber keine Lehrstelle gefunden. Und da ihr Motto war «Hauptsache etwas Künstlerisches», ist sie zum Drechseln gekommen. «In der Ausbildung habe ich auch gelernt, ein Spinnrad zu flicken oder ein Möbel zu restaurieren. Diese fachliche Herausforderung hat mir besonders gefallen.» So hat sie später auch als Möbelrestauratorin gearbeitet und unter anderem den Schreibtisch des deutschen Schriftstellers Thomas Mann an ihrem früheren Arbeitsplatz repariert. «Das war schon eine spezielle Aufgabe und eine grosse Ehre.» Als Frau in einer Männerdomäne habe sie sich immer wieder durchsetzen und zum Beispiel um eine Anstellung kämpfen müssen. «Heute ist die Akzeptanz besser, es gibt generell mehr Frauen, die einen Männerberuf erlernen.»

Pferd als Therapeut

Zu Hause ist Cordula Bärtschi in einem verwunschenen alten Haus mit grossem Garten, einem Schopf und einem Pferdestall. «In Dulliken bin ich geboren und aufgewachsen und kenne die Menschen. Das bedeutet für mich Heimat», so die 62-Jährige. «Irgendwo anonym würde ich nicht leben wollen. Wenn ich im Dorf unterwegs bin, hält mich oft jemand an, um zu grüssen und zu plaudern. Mich kennt man hier.» Als Kind ist Bärtschi mit Ponys aufgewachsen und hält heute zwei Pferde auf ihrem Grundstück. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Tiere die Menschen anziehen. Spaziergänger kommen vorbei und bleiben vor dem Stall stehen. Die Pferde sind wie Therapeuten. Denen kann jeder alles erzählen, was er möchte.» Ihren Charakter beschreibt Bärtschi als impulsiv und sich selbst als begeisterungsfähig: «Mein Sternzeichen ist Widder.» Aktuell ist sie auf Arbeitssuche und richtet gleichzeitig eine Werkstatt ein, in der sie vor allem eigene Projekte umsetzen kann. Mit Blick auf ihre Lebenssituation bemerkt sie mit einem Augenzwinkern: «Ich bin eine kreative Lebenskünstlerin.» Als Hobbies bezeichnet Bärtschi das Reiten, Basteln, Ausprobieren, Modellieren und Kochen. «Alles, was kreativ ist, macht mir Spass. Ich bereite Gerichte nicht nach dem Kochbuch zu, sondern nach dem Gefühl. So entstehen immer wieder neue Sachen.» Ausserdem singt sie im Oltner Chor «Chorenschmaus»: «Es tut gut, auch mit der Stimme kreativ zu sein.» Nach einigem Nachdenken über weitere Tätigkeiten fügt sie lachend hinzu: «Das Leben selbst ist ein Hobby.»

Faszination Zeichnen

Bereits ihr Vater, Schulabwart im Dorf, hat leidenschaftlich gerne gemalt: «Er hat die alten Häuser von Dulliken mit Bleistift oder Pinsel auf Papier festgehalten.» So erstaunt es nicht, dass Bärtschi als Vierjährige versucht hat ein Pferd zu zeichnen und dabei eine wichtige Lektion für ihr weiteres künstlerisches Schaffen gelernt hat. «Wer gut zeichnen will, muss vor allem die Dinge gut anschauen.» Später in der Schule zeigte sich ihr künstlerisches Talent deutlich. «Ich hatte im Zeichnen eine Sechs», sagt sie nicht ohne Stolz. Das Meiste hat sie sich selbst beigebracht, ist eine ausgeprägte Autodidaktin. «Einige Grundsätze aus der Maltheorie muss man schon kennen», räumt sie ein, «aber alles andere lernt man durchs Machen.» Ihr Mentor ist der Kunstmaler Christoph Aerni aus Egerkingen. Er hat ihr das Verständnis eröffnet, dass eine einzelne Farbe oft aus verschiedensten Farben besteht. «Ein Braun ist nicht ein Braun», erklärt Bärtschi und illustriert dies an einem ihrer Pferdebilder. «Das Pferd ist schwarz, aber auf dem Papier ist kaum ein Strich mit schwarzer Kreide gemalt, sondern mit einer Mischung aus Rot-, Violett-, und Brauntönen. Insgesamt besteht das Bild aus über dreissig verschiedenen Farbtönen. Das gibt der Zeichnung mehr Tiefenwirkung.»

Tiere mit Charakter

Um ihre Kunst unter die Leute zu bringen, war Bärtschi früher auch an Märkten anzutreffen. Dort zeichnete sie für Passanten deren Hunde oder anderen Haustiere. Sie hat auch schon ein Buch illustriert, den Gedichtband «Allzumenschliches aus dem Tierreich.» Die Texte stammen aus der Feder ihres ehemaligen Primarlehrers, die Bilder dazu hat sie entworfen. Beim Zeichnen sei sie wie in einer Meditation drin, versinke ganz im Moment und gebe sich ganz der zu zeichnenden Figur hin: «Das Dromedar zum Beispiel steht breitbeinig, lässt den Kopf hängen, hat einen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck und die Augen nur halb offen. So bekommt es einen eigenen Charakter.»

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