Ein Reich aus Feuer und Erde

Lucia Brogle Die Keramikerin Lucia Brogle betreibt in Kienberg das Atelier «Töpfer- chäller», wo sie auch Kurse und Events durchführt. Jeden Donnerstag ist ihre Werkstatt für Neugierige geöffnet.

Der Drache steht für ihr inneres Feuer: Lucia Brogle mit ihrem «Seelentier» – einem Drachen, dem echter Rauch aus den Nüstern quillt. (Bild: L. Baumgartner)
Der Drache steht für ihr inneres Feuer: Lucia Brogle mit ihrem «Seelentier» – einem Drachen, dem echter Rauch aus den Nüstern quillt. (Bild: L. Baumgartner)

Nein, eine Geschäftsfrau sei sie nicht, auch das Marktfahren liege ihr nicht sehr. Als leiden- schaftliche und wissbegierige Vermittlerin kunsthandwerklichen Wissens ist sie aber sicher treffend beschrieben. Lucia Brogle, die sich schon seit mehr als dreissig Jahren mit der Töpferei beschäftigt, sprüht richtig vor Begeisterung: Am liebsten gibt sie ihr profundes Wissen über kreative Prozesse, Herstellungsverfahren und Brenntechniken an Interessierte weiter. Dazu bietet sie diverse Kurse an, in denen sie etwa die historische Raku-Technik vorstellt, eine seit dem
16. Jahrhundert gebräuchliche Vorgehensweise zum Brennen von Tongefässen. Diese ursprünglich aus Asien stammende Technik ist der weit gereisten Mutter zweier erwachsener Töchter so vertraut wie zahlreiche weitere kunstgewerbliche Kniffe. Der Wissensdurst der Autodidaktin und ihre Lust, Neues zu lernen, scheinen keine (geografischen) Grenzen zu kennen. Brogle bietet dementsprechend auch kreative Reisen auf die Insel Gozo an, wo sie selbst vor einiger Zeit wertvolle Inspirationen erhielt.

Die «Schoggi-Denkerin»

Auch das Kulinarische kommt bei ihr, der bekennenden «Schoggi-Esserin» und «Schoggi-Denkerin», nicht zu kurz: Besucherinnen und Besucher - dazu zählen Festgesellschaften oder Schulklassen - essen zum Schluss eines Workshops von ihren selbst getöpferten Schalen – die Kinder dürfen auch Schlangenbrot über dem Feuer braten. Ob ihr Atelier den kleinen Gästen nicht wie ein Zauberland vorkomme? «Es ist auch für mich so!», lacht Brogle, die ohnehin gerne den Humor in jeder Situation sieht und oft eine ironische Note in ihren Werken versteckt. In ihrem Schaffen spielen Märchen eine wichtige Rolle, und deshalb stösst man bei einem Rundgang durch ihr Studio auf Throne, Kronen und Engel. Auch die Natur und insbesondere die Tierwelt sind ihr eine wichtige Ideenquelle. Brogle ist es deshalb wichtig, nachhaltig und umweltverträglich zu arbeiten: Sie rezykliert ihre zum Töpfern verwendeten Plastikunterlagen und nahm auch schon einmal mit einer Installation an einer Benefizveranstaltung in der Neuen Börse Zürich zur weltweiten Förderung von sauberem Wasser teil.

Den Kund/innen die Wünsche von den Augen ablesen

Vor ihrem Haus im Grünen tummeln sich aparte Vögel, Katzen und Fabelwesen – alles robuste Gartenplastiken. Sogar ein Blumentopf hat Pfoten. Brogle schmunzelt bei der zugehörigen Anekdote: Neulich habe sie mit einer Kundin deren Wunsch nach einem Gefäss für den Garten diskutiert «der Topf muss Füsse haben», schoss ihr sofort durch den Kopf. Die Kundin war zunächst erstaunt, aber mit dem Resultat sehr zufrieden. Ohnehin passiere es häufig, fährt die
Ur-Kienbergerin fort, dass sie Kund/innen die Wünsche gleichsam von den Augen ablese. Oder sie überrascht ihre Kundschaft nach einem Kennenlern-Gespräch mit passenden Gestaltungsideen zu einem so abstrakten Thema wie «Freiheit» und trifft damit genau den Geschmack ihres Gegenübers.

Dinge lieber offen lassen

Sicher, Intuition und Menschenkenntnis seien wichtig für ihre Arbeit, meint Brogle. So wolle sie immer zuerst in einem Gespräch Wesentliches über die Person, die ein Objekt bei ihr in Auftrag gibt, erfahren. Sie fertigt auch Grabplastiken an und bei solchen Bestellungen ist ein sorgfältiges Gespräch mit den Hinterbliebenen als Vorbereitung auf den schöpferischen Prozess natürlich besonders wichtig. Ihr psychologisches Geschick brachte sie auch schon kurzzeitig auf die Idee, gemeinsam mit ihrer Tochter, die Psychologie studiert, eine Klinik für Kunsttherapie aufzubauen. «Aber diesen Gedanken habe ich schnell wieder verworfen», lacht die Freidenkerin. «Dann wäre ich so eingespannt in feste Strukturen, das hemmt den kreativen Fluss.» Ohnehin mag sie es nicht, allzu viel zu planen, sondern lässt die Dinge lieber offen und neugierig auf sich zukommen. Diese spontane Art machte ihren Eltern aber früher Angst: «Sie wollten nicht, dass ich die Kunst- gewerbeschule besuche; sie machten sich Sorgen, das sei nichts Rechtes.» Daher machte sie eine Lehre zur Drogistin, kam aber schon bald über eine Kundin ihres damaligen Arbeitgebers mit der Töpferei in Kontakt. Nun betreibt sie ihr Handwerk seit mehr als drei Jahrzehnten. Ihr Erfolg gibt ihr recht.

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