«Diese Rauheit macht Olten aus»

Mathias Schibler erhielt als Elektromonteur Einblicke ins Private. Im Gespräch verrät er, wie Ungarn seine Sicht auf die Welt verändert hat und warum er seiner Tochter keine Lieder vorsingt.

Nicht stumm. Mathias Schibler alias «Schibo» spielt E-Gitarre und steht mit der Oltner Rock-Band «No Mute» auf der Bühne. (Bild: S. Furter)
Nicht stumm. Mathias Schibler alias «Schibo» spielt E-Gitarre und steht mit der Oltner Rock-Band «No Mute» auf der Bühne. (Bild: S. Furter)

Smile. Lächle. Diese Aufforderung steht auf einem schwarzen Plakat, in dessen Mitte ein Frauenkopf abgebildet ist. In der Ecke steht die E-Gitarre, daneben zwei kleine Verstärker.
«Um zu Hause zu üben», sagt «Schibo» alias Mathias Schibler. «Viele Oltner kennen nur meinen Spitznamen, nicht jedoch meinen Vornamen.» Rund um den Esstisch in seinem Wohnhaus sind Schallplattencover von Bands drapiert, die schon einmal im Coq d`Or aufgetreten sind. Im Kulturlokal organisiert «Schibo» neben seinem 80%-Pensum Konzerte. Getreu dem Sprichwort «Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm» ist Schibler wie sein Vater Elektriker geworden. Vor zwei Jahren hat er firmenintern ins Büro gewechselt. «Ich habe mich damals für den Beruf entschieden, weil mir das Handwerkliche und der Kundenkontakt gefiel.» Als Elektriker schaute er in fremde Wohnungen und erhielt unweigerlich Einblick ins Private. «Das war spannend. Ich habe die verschiedensten Menschen kennengelernt.» Unter anderem bot Schibler seinen Kunden Beratung bei Fragen zur Beleuchtung. Mit einem Augenzwinkern bemerkt er: «Meistens haben Elektriker selbst keine besonders schönen Lampen installiert.»

Vorfreude und Nervosität

Als Erstgeborener ist Schibler mit einem jüngeren Bruder in Däniken aufgewachsen. Anfang der Teenagerjahre gründete er zusammen mit Freunden die Rock-Band «No Mute.» «Weniger der Musik wegen», wie er einräumt, «sondern weil uns die Idee gefallen hat, eine eigene Band zu haben.» Zu Beginn hätten sie tatsächlich nur Krach gemacht. «Erst später wurde daraus hörbare Rock-Musik.» Noch heute steht er mit «No Mute» auf der Bühne. Die Empfindungen bei einem Auftritt vor Publikum seien schwer zu beschreiben. «Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Zuerst dominieren Vorfreude und Nervosität. Der Start des Konzerts gibt mir dann einen Energieschub. Und nach dem Auftritt fühle ich mich sehr frei.» Was macht eigentlich eine Band erfolgreich? «Wenn ich das wüsste, wäre ich längst berühmt», lacht Schibler.

Horizont erweitern

Neue Welten und Horizonte eröffnen sich dem 33-Jährigen, ohne dass er selber ins Flugzeug steigen muss. «Durch meine Leidenschaft für Musik und Kultur komme ich mit Künstlern aus der ganzen Welt in Kontakt. Sogar wenn die Kommunikation mit Musikern nur per E-Mail stattfindet, gibt es mir Gedankenanstösse.» So biete besonders der Austausch mit amerikanischen Bands neue Einblicke in die dortige Kultur. «Ich kenne keinen US-Musiker, der Trump wählen würde.» Ebenfalls seinen Horizont erweitert haben die Auftritte mit «No Mute» in Ungarn. «Die Menschen haben die gleichen Probleme im Alltag wie wir auch.» Der grosse Unterschied bestehe vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. «Wenn sie in der Schweiz 400 Euro Gage bekommen, ist dies für sie ein ganzer Monatslohn. Die meisten Ungaren, die ich persönlich kenne, können nicht mal schnell nach Amerika fliegen. Das ist eine Realität.»

Die kurze Julienne

Vor drei Monaten hat noch ein anderes Ereignis das Leben von Schibler verändert. Tochter Lienne wurde geboren. «Ihr Name ist eine Kurzform von Julienne», erklärt der frisch gebackene Vater stolz. Während im Gästezimmer in der Wohnung früher Musiker aus der ganzen Welt beherbergt wurden, ist dort heute das Kinderzimmer eingerichtet. «Wir hatten Bandmitglieder überall in der Wohnung: Im Wohnzimmer oder auch mal im Bad», erinnert sich Mathias Freundin, die mit der Tochter auf dem Arm ins Wohnzimmer tritt. «Lienne macht es uns einfach, Eltern zu sein», sagt Schibler und seine Freundin ergänzt: «Papi kann in den Ausgang und am nächsten Tag trotzdem ausschlafen.» Lienne besitzt bereits ihre erste Gitarre, mit der «Papi» ihr regelmässig seine Lieblingssongs vorspielt. Doch vorsingen will der musikalische Vater seiner Tochter nicht.
«Ich kann nicht gut singen. Und ich befürchte, dass sie dann falsche Töne lernen würde.»

Menschen begeistern

In seiner Freizeit spielt Schibler gerne Tennis. Das Organisieren von Konzerten ist für ihn keine Arbeit, «es ist wirklich ein Hobby.» An den seltenen Tagen ohne Konzert oder Bandprobe verbringt Schibler Zeit mit Freunden, sitzt im Sommer im Garten vor dem Haus und geniesst eine gute Flasche Wein. «Die Beziehungen und Freundschaften sind es auch, die Olten und die Region für mich zu einem Zuhause machen.» Gerade weil Olten diesen schlechten Ruf habe, stünden hier mehr Leute als andernorts zusammen, um zu zeigen, dass Olten cool sei, so Schiblers Überzeugung. Die Dreitannenstadt sei nicht so «geschleckt» wie andere Städte. «Aber gerade diese Rauheit macht Olten aus. Wir wollen das Vorurteil abschütteln, dass Olten langweilig ist.»
Es gebe viele Menschen, die Lust hätten, etwas zu machen und kreativ seien. «Die Kulturszene von Olten wird in der ganzen Schweiz wahrgenommen. Wir haben auch schon Tickets an eine Genfer Adresse verkauft.» Ihn selber motiviere die folgende Erkenntnis: «Zu merken, dass ich in meiner Stadt etwas bewegen kann, das wiederum Menschen begeistert.»

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