Die Vorkämpferin

Was macht eigentlich? Cornelia Füeg politisierte in der Gemeinde, im Kanton und im Bund – in Zeiten, als das für Frauen noch längst nicht selbstverständlich war. Vor bald 25 Jahren verabschiedete sie sich aus der Politik.

Langeweile kommt keine auf. Die Tage von Alt-Regierungsrätin Cornelia Füeg sind ausgefüllt. (Bild: Achim Günter)
Langeweile kommt keine auf. Die Tage von Alt-Regierungsrätin Cornelia Füeg sind ausgefüllt. (Bild: Achim Günter)

Sie war immer die Erste. Die erste Frau im Amt als Gemeindeschreiberin, die erste Frau im Kantonsrat, die erste Frau im Nationalrat für den Kanton Solothurn, die erste Frau im Solothurner Regierungsrat. Vor 24 Jahren, im Sommer 1997, verliess Cornelia Füeg die politische Bühne. Nicht ganz ohne vorherige Nebengeräusche. Nachdem die FDP-Frau in den Folgejahren noch das eine oder andere öffentliche Amt bekleidet hatte, wurde es in den letzten zehn Jahren deutlich ruhiger um die gebürtige Zürcherin.

Vor wenigen Wochen konnte Cornelia Füeg ihren 80. Geburtstag feiern. Beim Besuch in ihrer Wohnung – stets kritisch beäugt von der deutschen Boxerhündin Thea – wird schnell klar: Von ihrer Dynamik scheint Füeg nicht das Geringste eingebüsst zu haben. Auch Altersmilde sucht man vergebens. Sie erzählt und erzählt, erklärt und erklärt, fast ohne Punkt und Komma. Geistig und körperlich bestens beisammen, wirkt sie um einiges jünger, als sie ist.

Termine stehen deutlich weniger in der Agenda als einst. Sie geniesse es, ihre Zeit nun selbst einteilen zu können. Kommt vielleicht auch mal Langeweile auf? Die Antwort fällt unmissverständlich aus. «Nein! Nein! Nein, überhaupt nicht.» Sie und ihr Mann Kurt hätten ein «relativ grosses Haus mit Garten» zu unterhalten. Dann informiere sie sich sehr intensiv über das Geschehen in der Welt – mit Hilfe von drei Tageszeitungen. «Das ist mir sehr wichtig. Ich bin noch immer sehr ‹gwundrig›», erklärt die rüstige Rentnerin. Seit vier Jahren spielt sie Handorgel. Auch das Spazieren mit Thea und das Enkelhüten nehmen reichlich Zeit in Anspruch. Das Ehepaar Füeg hat vier erwachsene Kinder und zwölf Enkel. Zehn davon sind Mädchen. Die Frauenvorkämpferin Cornelia Füeg betont das besonders.

Hauptverkehrsachse statt Landidylle

Seit gut zehn Jahren wohnen die Füegs in Olten. Bis vor fünf Jahren pendelten sie noch täglich nach Wisen, um den Stall zu besorgen. Lange als Bauern im idyllischen Wisen tätig, nun in Olten wohnhaft – wie passt das zusammen? Die 80-jährige Alt-Regierungsrätin erklärt, ihr Mann stamme aus Olten. «Und wir haben eigentlich immer gewusst: Wenn wir das Landwirten aufgeben, möchten wir in Olten Wohnsitz nehmen.»

Fündig wurden sie an einem auf den ersten Blick überraschenden Ort: an der vielbefahrenen Aarburgerstrasse. Cornelia Füeg war einst auf ein leerstehendes Gebäude aufmerksam geworden. Und bei einem Augenschein im Garten, hinter dem Haus, verliebte sie sich sofort in die Lage unmittelbar an der Aare. Selbst der scheinbar unattraktiven Strasse – die meistbefahrene Kantonsstrasse der Kantone Aargau und Solothurn überhaupt – kann sie inzwischen viel Positives abgewinnen. «Wir haben hier so viel Abwechslung. Und als ehemalige Verkehrsdirektorin interessiert es mich, woher die Autos stammen, wer hier durchfährt. Das ist hochinteressant, wirklich spannend!» Der Verkehr ist übrigens nicht zu hören. Dafür sorgt zur Strasse hin eine doppelte Dreifachverglasung.

Füegs politische Karriere begann Anfang der 70er-Jahre eher zufällig in Wisen. Ihr Mann, ein Agraringenieur, sei damals als Gemeindeschreiber angefragt worden. Nachdem dieser aus Zeitmangel abgesagt habe, sei ihm beschieden worden, er könne sich doch wählen und die Arbeit dann durch seine Frau erledigen lassen. Als Juristin verfüge sie bestimmt über die nötigen Fähigkeiten. Doch dazu habe sie nicht Hand geboten. Natürlich nicht.

Cornelia Füeg war jedoch bereit, das Amt selbst anzutreten – nachdem die kleine Landgemeinde Wisen mit 220 Einwohnerinnen und Einwohnern den Frauen das Stimm- und Wahlrecht gewährt haben würde. Wenige Monate bevor dann auch auf nationaler Ebene im Frühjahr 1971 Frauen wählen und abstimmen durften, stimmten die Wisner Stimmbürger diesem Ansinnen zu. Gewählt als Gemeindeschreiberin wurde die damals knapp 30-Jährige dann exakt an jenem Tag, als die Schweiz das Frauenstimmrecht einführte.

Anfang der 70er-Jahre bestand Füeg zudem die Prüfung für das Fürsprech- und Notariatspatent. Das dürfte ihr geholfen haben, sinniert sie, 1973 als eine der sechs ersten Frauen in den Kantonsrat gewählt zu werden. Bald wechselte sie nach Bern in den Nationalrat, als erste Solothurnerin überhaupt. Und von 1982 bis Ende 1987 führte sie als Frau Gemeindeammann die Geschicke Wisens. «Da habe ich enorm viel gelernt», bilanziert Füeg, «und ich finde es das spannendere Amt als Nationalrat. Da laufen alle Fäden bei einem zusammen.»

«Ich hatte einen Vorteil als erste Frau»

Als Krönung ihrer politischen Laufbahn erfolgte 1987 die Wahl in die Solothurner Regierung. Neuneinhalb Jahre lang führte sie das Bau- und Justizdepartment. Sie war in einer Zwischenwahl gewählt worden und danach neuneinhalb Jahre im Amt geblieben, bis zum Ende der Legislatur Mitte 1997. Dann habe sie endlich zusammen mit ihrem Mann den Bauernhof führen wollen. «Deswegen hatten wir uns ja Jahrzehnte zuvor in Wisen niedergelassen.» Und sie habe sich sowieso nie als Sesselkleberin gesehen.

Zu Beginn der 90er-Jahre war die Solothurner Kantonalbank bankrottgegangen. Das politische Klima im Kanton verhärtete sich darob, manche Regierungsräte wurden öffentlich hart angegangen. Die damaligen Geschehnisse umtreiben Füeg bis heute. Sie möchte demnächst im Staatsarchiv die damaligen Sitzungsprotokolle des Kantonsrates durchforsten, um die Rollen der beteiligten Politiker ein wenig aufzuarbeiten. «Man ging damals unberechtigt auf die Regierung los.» Mitleid empfindet sie vor allem mit ihrem Regierungsratskollegen Peter Hänggi (CVP). «Ich finde, man hat ihm enorm Unrecht getan.»

Gemeindeschreiberin, Kantonsrätin, Nationalrätin, Gemeindeammann, Regierungsrätin – musste sie als erste Frau in all diesen Ämtern gegen Widerstände ankämpfen? Ihre Antwort mag überraschen. «Eigentlich nicht, nein. Im Gegenteil: Ich hatte einen Vorteil als erste Frau. Man kannte mich.» Aber als Vorreiterin sieht sie sich schon? «Ja, einfach indem ich es gemacht habe.» Stolz sei sie aber vor allem, dass sie «massgeblich mitgewirkt» habe beim Gleichstellungsartikel, so wie er heute existiere.

Die Frauenmehrheit im Regierungsrat freut Cornelia Füeg selbstredend sehr. «Die Frauen haben unglaublich viel erreicht in letzter Zeit.» Und nachdenklich fährt sie fort: «Manchmal, so scheint es mir, überdreht die Debatte nun sogar: Die Frauen fühlen sich noch immer in der Opferrolle, demonstrieren noch immer. Dabei verfügten sie eigentlich über viele Möglichkeiten, um für sich etwas zu erreichen. Ich erwarte mehr Eigenverantwortung der Frauen.»

 

Kurz und Knapp

Dieses Buch kann ich wärmstens empfehlen

«Der menschliche Makel» von Philip Roth. Das habe ich vor vielleicht 20 Jahren gelesen. Damals habe ich erstmals die Konsequenzen der politischen Korrektheit, die in den USA zu grassieren begann, wahrgenommen.

Auf diesen Gegenstand kann ich nicht verzichten

Robidog-Säcklein für den Hund, Pomadenstift und im Moment noch Anti-Insektenmittel – ohne diese Gegenstände verlasse ich das Haus nicht.

An diesem Ort gefällt es mir ausgezeichnet

Ausser meinem Wohnort an der Aarburgerstrasse? Im Avers. Als Kind war ich mit meiner Familie in diesem einsamen, eigentümlichen Bündner Hochtal oft in den Ferien.

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