Die Textilfabrikanten Flury – Oltner Pioniere bei der Energiegewinnung
Briefgeschichten In ihrem Briefkopf zeigt die Firma G. Flury stolz ihre bereits elektrifizierten Fabriken sowie den Übergang der Textilfirma von Vater Gotthard zu seinen Söhnen Theodor und Hans Flury.
Es war nur ein kleiner Eingriff im Kopf des Briefes. Beim Namenszug der Oltner Firma «G. Flury & Söhne» wurde das Zeichen «&» für «und» durchgestrichen. Der Brief, eine Rechnung, ist datiert vom 10. August 1895. Kurz zuvor war der Seniorchef Gotthard Flury-Schumacher verstorben. Seine beiden Söhne, Theodor und Hans Flury, hatten bis dahin als Teilhaber der Kollektivfirma mitgewirkt. Nun ging das Unternehmen ganz an sie über. Die Eintragung ins Handelsregister war bereits am 16. Juni 1895 erfolgt. Den gut eingeführten Namen behielten sie bei und firmierten weiterhin mit «G. Flury Söhne».
Bemerkenswert ist das Dokument aus einem zweiten Grund. Die Unternehmer zeigten im Briefkopf voller Stolz ihre Fabriken. Zentral sind die Spinnerei und Weberei. Diese erstreckten sich am Gheidweg gegenüber der Hammermühle über das Areal im Dünnernbogen. Ganz links ist das Wohnhaus zu erkennen. Den Rest des Bildes füllen die Fabrikgebäude mit dem Sälischlössli im Hintergrund aus. Dominant sind die Hochkamine des Kesselhauses, welche stark rauchend die Prosperität zeigen sollen. Hier lieferte die Dampfmaschine 16 PS Energie für die mechanischen Webstühle und Spinnmaschinen.
Nicht zu übersehen sind die Leitungen, welche die elektrische Energie vom firmeneigenen Kraftwerk zuführen. Der Strom wurde in der «electrischen Kraftanlage» mit der Wasserkraft des Mühlekanals produziert. Das kleine Wasserkraftwerk im Gebäude der alten Reibe stand in den «Wyden» (Schützenmatte), ebenso wie das Farb- und das Waschhaus der «Färberei & Wollwäscherei» und die «Appretur» (Ausrüsterei).
Gründer der Firma war der im Briefkopf erwähnte Josef Schumacher, der 1848 im äussern Hammer anstelle der Walke eine Halbleinenfabrik einrichtete. 1858 übergab er das Unternehmen seinem Schwiegersohn Gotthard Flury. Dieser erneuerte die Spinnerei und Halbleinen-Weberei im Hammer. Gleichzeitig errichtete er in den Wyden (Schützenmatte) weitere Gebäude: Am alten Flusslauf der Dünnern baute er neben der Brücke eine neue Walke. Diese ergänzte er am damaligen Mühlekanal mit einer Färberei und einer Tröchne (Trocknungshaus), im Volksmund «der lange Darm» genannt.
Das erste Oltner Wasserkraftwerk
Die nächste Generation, Gotthards Söhne Hans und Theodor Flury, wurden offiziell am 1. Januar 1893 zu Teilhabern der Halbleinenfabrikation, doch waren sie schon vorher aktiv in der Firma. Hans Flury war mit einer Tochter des Müllers Theodor Trog verheiratet. Von seinem Schwiegervater kaufte er 1888 die untere Mühle samt Maschinenhaus und Werkstatt. Die Handänderung umfasste auch das zur Mühle gehörende Wasserrecht. Im Winter 1891/1892 ersetzte Hans Flury-Trog deshalb das Mühlenrad durch eine Rieter-Turbine aus Winterthur. Die Wasserkraft trieb einen Stromgenerator der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) an. Dieser produzierte Niederspannungs-Gleichstrom mit einer Spannung von 500 Volt. Entwickelt worden war der Dynamo durch Charles E. L. Brown, der damals als Leiter des elektrischen Bereichs bei der MFO fungierte und später 1891 mit Boveri die BBC in Baden gründete. Den produzierten Strom übertrug man über eine Freileitung zu Flurys Fabrikgebäude im äussern Hammer.
Das Wasserkraftwerk des Elektrizitätswerks Olten-Aarburg (EWOA) in Ruppoldingen sollte den Betrieb erst im November 1895 aufnehmen. Somit war das kleine Elektrizitätswerk Flurys am Mühlekanal das erste Kraftwerk in Olten.
Bald erfolgte die Trennung
Hans und Theodor Flury, die im Sommer 1895 die Firma von ihrem Vater Gotthard übernommen hatten, trennten sich bereits ein Jahr später. Hans Flury-Trog übernahm die Produktionsanlagen, verkaufte aber die Gebäude schon 1900, unter anderem der Schuhfabrik Strub, Glutz & Cie. und der Schmiede Schibli. Theodor Flury spezialisierte sich auf den Verkauf; seine Tuchhandlung in der Kirchgasse 17 (heute Bernheim) bestand bis in die Mitte der vierziger Jahre.
Quellen: Hugo Dietschi, Mühlen; Ernst Felchlin, Industriestandort; Handelsamtsblatt, Oltner Njbl. 2006.