Die Musik ist ihm Berufung und Ausgleich in einem
Im Gespräch Ernesto Gloor lebte ein Musikerleben bis in die Höhen des Polarsommers. Noch heute ist der 72-Jährige als Schlagzeuger und Sänger auf der Bühne zu sehen. Aktuell etwa mit Songs von Frank Sinatra.
Seine Leidenschaft ist die Musik – in insgesamt fünf Formationen spielt er auf dem Schlagzeug oder singt, wie aktuell in der Frank Sinatra Tribute Band. Beim Konzert in Rapperswil am vergangenen Wochenende war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt und selbstverständlich gab es Standing Ovations.
Freunde nennen ihn scherzhaft «The Legend» oder «The Animal». Auf die Frage, was es damit auf sich hat, antwortet Ernesto Gloor: «The Legend werde ich genannt, weil ich schon Jahrzehnte in der Szene Musik mache und viele Leute mich auch als Schlagzeuglehrer von Kind auf kennen. Später sagen sie von mir, ich sei eine Legende», sagt der Vollblutmusiker lachend. «The Animal» hingegen steht für die Art und Weise, wie Ernesto Gloor, der eigentlich Ernst Gloor heisst, abgeht, wenn er Musik macht: «Ich bin immer mit grosser Freude, Begeisterung und vollem Körpereinsatz dabei, wie die Figur Animal in der Muppet Show.» Mit dem Künstlernamen Ernesto tauften ihn seine Mitmusiker: «Vor rund 35 Jahren hat mich ein Kollege Ernesto genannt. Das verbreitete sich rasch. Also wurde ich zu Ernesto. Ich stelle mich heute auch so vor.»
Wo es nie Nacht wird
Der 72-Jährige, der heute in Starrkirch-Wil wohnt, ist schon seit Kindsbeinen ganz der Musik zugewandt: «Mein Vater war Trompeter und Dirigent in der Dorfmusik Dulliken. Er hat mich in die Blasmusik geführt, doch meine Faszination galt vor allem dem Trommeln», erzählt er. Damit begann er zuhause auf Holzstühlen: «Ich habe auch den einen oder anderen Stuhl kaputt geschlagen.» Sein Traum schon damals – als Schlagzeuger in einer Band zu spielen. In der Schule war Schlagzeugunterricht damals kein Thema. In der Kadettenmusik Olten konnte er wenigstens in einer Gruppe auf der Trommel spielen. «Mit 14 bekam ich das erste Schlagzeug und brachte mir das Spielen selbst bei. Sicher hätte ich irgendwo Privatunterricht nehmen können, doch dazu fehlte das Geld.» Er nahm Musik von Schallplatten zur Hand und begleitete diese mit seinem Instrument.
Über einen Freund, der als Berufsmusiker mit einer Gruppe namens Les Classiques oft im damaligen Lokal Café City spielte, knüpfte er erste Kontakte in die Welt der Bands. Über den bekannten Oltner Musiker und Musikagenten Willy Kuhn schaffte Gloor den Sprung, seinen Traum zu verwirklichen: «Ich sagte ihm, ich wolle in einer Band spielen. Da vermittelte er mich. Kurz nach meiner Lehre als kaufmännischer Angestellter begann ich also, als Musiker in einer Band zu spielen.» In den folgenden Jahren lebte Ernesto Gloor ganz von der Musik, tourte mit verschiedenen Formationen durch Europa: «Angefangen hatte ich in Ascona. Es war das, was ich wollte, aber ich realisierte auch, wie anstrengend es ist, bis drei Uhr morgens zu spielen.» Ab 1978 hatte er sogar seine eigene Band, die Music Box, und trat mit dieser in Skandinavien auf: «Das war eine grossartige Zeit. Wir waren weit oben über dem Polarkreis, wo es im Sommer nie Nacht wird», erinnert sich Gloor.
Rückkehr nach Olten
Nach zehn Jahren rastlosen Musikerdaseins packte Gloor das Verlangen, sesshafter zu werden: «Das hatte damit zu tun, dass meine Lebensgefährtin, die ich während meiner Touren kennen gelernt hatte, ein Kind erwartete. Es war mir wichtig zu sehen, wie mein Kind aufwächst und nicht ständig unterwegs zu sein.» In Olten bekam er einen Job als Stapelfahrer: «Ich wollte ein normales Leben aufbauen und nebenbei als Amateur Musik machen.»
Doch der Vollblutmusiker kam nur kurzzeitig zur Ruhe: Eine gute Fügung wollte es so, dass der Oltner Schlagzeuger Noby Lehmann Gloor auf den Alpin Drum Workshop aufmerksam machte: «Ich entschloss mich spontan, diesen Kurs zu besuchen, sagte meinem Arbeitgeber, dass ich dann mal eine Woche weg sei», erinnert sich Gloor lachend. «In diesem Workshop packte mich das Fieber wieder, weil ich Neues dazulernte. Ab dann war wieder Vollgas angesagt.» Gloor besuchte – im Alter vom 40 Jahren – eine Ausbildung zum Schlagzeuglehrer und arbeitete danach 17 Jahre in der Musikschule Safenwil und unterrichtete Schüler privat. Auf die Frage, ob er ein strenger Lehrer gewesen sei, sagt er: «Ja, ich denke schon. Interessanterweise waren es meistens die Talentierten. Sie übten nicht viel, waren faul. Das hat mich jeweils geärgert.» Unter zehn Schülern hätte es vielleicht einen gegeben, der wirklich mehr wollte: «Es war spannend, diese jungen Leute zu begleiten. Dabei lernte ich selbst auch etwas dazu.»
Kein bisschen leise
Neben der Big Band Olten spielt Gloor heute im zehnköpfigen Ensemble Crossbeat, in seiner ersten Tanz-Combo The Teddys und im Acoustic Soul Quartett. Dazwischen nimmt er sich die Zeit, seine Erfahrung in kleinen, meist nur für wenige Aufführungen geplanten Projekten weiterzugeben. Mit seinem Engagement als Sänger bei der Frank Sinatra Tribute Band hat sich Gloor einen Kindheitstraum erfüllt: «Schon als Kind hat mich seine Stimme unglaublich fasziniert.»
Auf die Frage, was ihn an der Musik nach wie vor begeistere, sagt er: «Das grösste Gefühl ist es für mich, wenn ich auf der Bühne stehe und der Funke auf’s Publikum springt.» Je nach Stil der Musik oder Art der Formation gehe das nicht immer gleich schnell, bis das Publikum quasi mit der Musik schwingt. «Wenn die Musik bekannt ist, wie bei Frank Sinatra, springt der Funke jeweils sehr schnell.» Ob er zur Musik einen Ausgleich brauche? «Nein. Die Musik ist für mich Engagement und Ausgleich zugleich.» Die Stunden auf der Bühne entschädigten für die administrative Vorarbeit. Wenn er nicht Musik macht, geht er mit einer Gruppe wandern. Meistens im Herbst. In diesem Jahr geht es nach Saas Fee.
...und ausserdem
Diese Person möchte ich gerne mal treffen
Den deutschen Jazzmusiker Roger Cicero. Er ist der Einzige, der die deutsche Sprache in den Jazz integrieren konnte. Ich plane eine Tour mit seiner Musik.
So entspanne ich mich am besten
Beim Musik machen und beim Musik hören.
Dieses Verhalten ärgert mich
Konsumverhalten und die Mentalität der Wegwerfgesellschaft. Wenn ich McDonalds-Tüten rumliegen sehe, ärgert mich das.