Die Kunst, einen Drachen zu reiten

Beatrix Rudolf von Rohr trägt schwarze Texti-lien und mag schwarzen Humor, sät Samen an und erfreut sich am Wachstum der Pflanzen, identifiziert sich mit dem Spitznamen «Trix» und berät Kunden in Anzug genauso wie in Arbeitskleidung.

Humorvoll, geniesserisch und fröhlich: Beatrix Rudolf von Rohr trägt den Spitznamen «Trix» und kann zwischen den Zeilen hören. (Bild: S. Furter)
Humorvoll, geniesserisch und fröhlich: Beatrix Rudolf von Rohr trägt den Spitznamen «Trix» und kann zwischen den Zeilen hören. (Bild: S. Furter)

Als Schaufensterpuppe stand Beatrix Rudolf von Rohr als «Chindgsi-Meitli» im Waltis Lädeli. Angestrengt versuchte sie, sich nicht zu bewegen. Wie eine echte Puppe wollte das Kind starr
und unbeweglich wirken. «Natürlich hat das nicht geklappt. Wenn Passanten vorbeispaziert sind, haben sie zuerst verblüfft geschaut und mich dann angelacht, woraufhin ich «giggelen» musste», erinnert sich die heute 47-jährige Geschäftsführerin. Im Oltner Bifang Quartier aufgewachsen ist der Kleiderladen des Vaters eine prägende Erinnerung und ein Ort, an dem sie als Schulmädchen viel Zeit verbracht hat. Heute haben viele Kinder der Kunden von damals bereits selbst Nach- wuchs. Dies führe immer wieder zu lustigen Situationen, wie Rudolf von Rohr erzählt. «Während eine Mutter Kleider anprobierte, spielten ihre zwei Kinder mit der Kugelibahn.» Plötzlich sei es in der Spielecke verdächtig ruhig geworden. Als Verkäuferin Beatrix nachschaute, sassen der Junge und das Mädchen im Schaufenster bei einem Koffer, der zu Dekorationszwecken mit Sand gefüllt war. Mit Hingabe bauten sie Schlösser und Burgen und gruben einen Goldschatz aus. «Ich habe herzhaft lachen müssen, als ich das gesehen habe.»

Setzling, Knospe und Blüte

Als Jüngste von vier Geschwistern erblickte Rudolf von Rohr 1971 das Licht der Welt und wurde auf den Namen Beatrix getauft. «Meine Mutter wollte gerne eine Trix haben, jedoch war dieser nicht als offizieller Name gelistet. Deshalb wurde es dann Beatrix.» Bis heute identifiziere sie sich stark mit diesem Spitznamen. «Die meisten Leute kennen mich als Trix und nennen mich auch so.» Als humorvoll, geniesserisch und fröhlich beschreibt sich Rudolf von Rohr selbst. «Ich bin ein «gwunderiger» Mensch und höre gerne die Lebensgeschichten von anderen Leuten.» Auch sei sie jemand, der ein offenes Ohr für ihr Umfeld habe und nicht zwischen den Zeilen lesen, aber hören könne. Jede und jeder trage einen Rucksack, manche einen leichteren, andere einen schwereren, ist sie sich sicher. Rudolf von Rohr ist nicht verheiratet, lebt jedoch seit 23 Jahren in einer glücklichen Partnerschaft, die sie gar «perfekt» nennt. In ihrer Freizeit unternimmt sie einen Städtetrip nach Hamburg, übernachtet auf dem Brienzer Rothorn oder sät Samen an. «Es ist dieses «Erwachsen»-Werden vom kleinen Setzling bis zur Pflanze in prachtvoller Blüte, das mich so begeistert.»

Füsse über den Fluss

Gefragt nach den Vorurteilen gegenüber der Stadt Olten meint sie energisch: «Eine Stadt kann man nicht nur anhand des Bahnhofes beurteilen.» Genau dies täten jedoch viele Pendler, ohne die Stadt Olten wirklich zu kennen. Sie selbst besucht gerne die Vario-Bar, wo sie mit neuen Leuten ins Gespräch kommt, ein gutes Glas Wein geniesst oder mit Bekannten plaudert, die sie seit 100 Jahren nicht mehr gesehen habe. Auch zu der alten Holzbrücke in Olten hat sie eine besondere Verbindung. Schon unzählige Male habe sie in ihrem Leben die Holzbretter passiert und seien ihre Füsse über den Fluss gegangen. «Als ich vom Brand an der historischen Brücke gehört habe, bin ich schockiert und traurig gewesen.»

Silberner Drache und schwarzer Humor

Bevor sie das Waltis Lädeli als Geschäftsführerin übernommen hat, war Rudolf von Rohr als Fachfrau Operationstechnik im Spital tätig. Während ihrer Ausbildung musste sie als 24-Jährige ihre eigene Todesanzeige verfassen. Dies mit dem Ziel, sich mit der Schicksalhaftigkeit des Lebens auseinanderzusetzen. «Im Operationssaal habe ich von meinen Teamkollegen wegen
des Mundschutzes nur die Augen gesehen und gelernt, Stimmungen anhand des Blickes einzuschätzen.» Diese Menschenkenntnis helfe ihr heute im Verkauf. So ermutigt sie Kunden, etwas anzuprobieren, das sie sich nicht auf den ersten Blick ausgesucht hätten. «Wenn jemand dann erstaunt feststellt, dass ihm das Kleidungsstück gut steht, ist das ein Erfolg für mich.» Obwohl sie ein grosser Fan von schönen Stoffen verschiedener Materialen und Couleur sei, beurteile sie einen Menschen nicht danach, ob er Alltagskleidung oder einen Anzug trage. Sie selbst liebt schwarze Textilien und mag schwarzen Humor. «Es gibt viele Kombinationen und Variationen der Farbe Schwarz, zum Beispiel Kleidungsstücke aus Seide, mit kunstvollen Löchern, Gewobenes, Einfarbiges oder Gemustertes», führt sie aus. Um ihr Handgelenk windet sich ein silberner chinesischer Drache als Schmuckstück. Für das Bracelet hat sie sich aufgrund eines Buches entschieden. «Die Kunst, einen Drachen zu reiten» lautet der Titel, geschenkt hatte es ihr eine Freundin. «Das Armband erinnert mich an meinen inneren Drachen und dass es manchmal wichtig ist, fünf gerade sein zu lassen und sich über Misserfolge nicht zu ärgern.»

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