Die Kohlmeise zwitschert mittags

Denis Vallan ist Biologe und Vater zweieiiger Zwil- linge, findet Lösungen für kannibalische Kaulquappen, hat im Schrank ein «Gruselkabinett» und erzählt «Romeo und Julia» als Froschgeschichte.

Im Aquarium hat sich eine Flunder im Sand vergraben, im Terrarium hoffen blau-gelbe Pfeilgiftfrösche auf Futter. Für Denis Vallan ist Biologie sowohl Beruf als auch Berufung. (Bild: ZVG)
Im Aquarium hat sich eine Flunder im Sand vergraben, im Terrarium hoffen blau-gelbe Pfeilgiftfrösche auf Futter. Für Denis Vallan ist Biologie sowohl Beruf als auch Berufung. (Bild: ZVG)

Das Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen. Diese Weisheit hängt in Form einer Postkarte an der Pinnwand von Denis Vallan. «Was neben dem zurechtgelegten Lebensplan passiert, betrachte ich als etwas Positives. Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben und versuche in unerwarteten Ereignissen das Gute zu sehen.» Für den studierten Biologen ist seine Arbeit nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Als die Wanduhr die volle Stunde schlägt, ertönt der Gesang einer Kohlmeise. In seinem Schrank, den er schmunzelnd als «Gruselkabinett» bezeichnet, finden sich in Gläsern konservierte Tierkörper. Darunter blubbert das Wasser des Aquariums. Einzig zwei Augen, die aus dem Sand hervorblitzen, verraten die im Untergrund eingegrabene Flunder. Doch der Plattfisch ist nicht das einzige Tier im Hause Vallan. Im Keller schwimmen kannibalische Kaulquappen in einem Becken. Innerhalb von drei Monaten werden sie sich zu blau-gelben Pfeilgiftfröschen entwickeln. «Damit sie sich nicht gegenseitig fressen, habe ich viele Verstecke im Aquarium integriert.» Auch ein Streifenhörnchen, vier Zwerggürtelschweife, Katzen und Hühner gehören zum Haushalt. «An den kleinen Zoo hat sich meine Familie inzwischen gewöhnt», sagt der dreifache Vater und fügt lachend hinzu: «Die einzige Bedingung ist, dass die Expansion der Amphibien und Reptilien im Haus nicht fortschreitet.»

Baumfrosch sucht Julia

Schon als Junge hat ihn die Entwicklung von der Kaulquappe zum Frosch fasziniert. Während andere Kinder ihren Eltern von Monstern und Zauberwesen unter dem Bett berichteten, begleiteten «imaginäre Frösche» Vallan durch seine ersten Lebensjahre. «Ich sah Frösche in Löchern und Schächten, in denen es keine gab.» Wenig verwunderlich, dass er sich nach der Matura für ein Biologiestudium entschied, seine Dissertation über Amphibien in Madagaskar schrieb und seiner Freundin den neu entdeckten Frosch Anilany helenae widmete. «Es gibt wohl wenige Frauen, die ein solches Geburtstagsgeschenk bekommen», lacht Vallan. Als Dank für seine Forschungstätigkeit ist auch nach ihm eine Froschart benannt worden: Anodonthyla vallani. «Ich bin ein Baumfrosch, während meine Frau am Boden lebt», macht Vallan die Romeo-und-Julia-Geschichte zur Erzählung über die unerfüllte Liebe zweier Froscharten im südlichen Afrika. «Wenn die Abholzung der Wälder weiter geht, wird das Ende der Frösche wohl ähnlich tragisch sein wie jenes von Romeo und Julia.»

Der Olten-Rückkehrer

Sein beruflicher Weg hat Vallan zuerst zur Umweltfachstelle in Olten geführt, dann ins Natur-Museum Luzern, weiter ins Naturhistorische Museum Basel und schliesslich zum Amt für Wald, Wild und Fischerei des Kantons Fribourg. Dort leitet er heute den Sektor «Fauna, Biodiversität, Jagd und Fischerei». «Um festzulegen, wie viele Gämsen in einem Jahr gejagt werden dürfen, muss zuerst der Bestand geschätzt werden», erzählt er ein Beispiel aus seinem Arbeitsalltag. Von Olten pendelt er jeden Tag zur Arbeit. In der Stadt mit Dorfcharakter ist er aufgewachsen und lebt nach einem Abstecher nach Bern mit seiner Familie wieder in der Eisenbahnerstadt. «Ich finde Olten sehr spannend. Es gibt viele innovative Menschen hier, die Konzerte, Theater oder Kabarett-Tage organisieren.» In seiner Freizeit kocht der Olten-Rückkehrer gerne neue Gerichte, unter- nimmt Tauchgänge in heimischen und exotischen Gewässern oder fotografiert Mensch und Tier.

Skifahren für die Liebe

Während die Zukunft der Amphibien in Madagaskar eher düster aussieht, hat Baumfrosch Vallan das Herz seiner Angebeteten im wahren Leben erobert. Seit 1986 sind seine Frau und er ein Paar, seit 1996 verheiratet. Die Vallans sind Eltern von drei erwachsenen Kindern, darunter zweieiigen Zwillingen. «Mit zwei Kindern schwanger zu sein ist nicht nur eine Laune der Natur, sondern auch eine Seltenheit.» Dass sich die Statistik nicht an die Lebensplanung hält, hatte das Paar bereits beim ersten Kind erfahren. «Im Schnitt dauert es anderthalb Jahre, bis eine Frau schwanger wird. Wir hingegen waren schon nach wenigen Wochen in freudiger Erwartung. Dies hat dazu geführt, dass die neugeborene Tochter meine treue Begleiterin beim Abschluss das Studiums war.» Doch zuvor hatte Denis Vallan als Gymnasiast tief in die Tasche greifen müssen, um das Herz seiner zukünftigen Frau zu gewinnen. Für gemeinsame Skiferien in Laax erstand er eine komplette Sportausrüstung. «Dabei konnte ich gar nicht Ski fahren und bin die Piste wie ein Maulwurf unter dem Schnee runtergerutscht.» Doch die Investition in die teuren Bretter haben sich gelohnt. Einige Monate später hat der Baumfrosch das Herz seiner Julia erobert. «In den letzten dreissig Jahren habe ich meine Fähigkeiten im Skifahren verbessert und meine Frau hat das Tauchen gelernt.»

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