Die Hüter der geheimen Kostüme

Schule für Mode und Gestalten Ohne bunte Kostüme, keine Fasnacht. Auch dieses Jahr fertigte die Schule für Mode und Gestalten am Berufsbildungszentrum in Olten rund dreihundert Fasnachts-Kostüme. Nun kann die fünfte Jahreszeit beginnen.

Auszubildende Tatjana Bader (l.) und Schulleiterin Cornelia Jelitto im Atelier der Schule für Mode und Gestalten. Hier werden rund dreihundert Kostüme für die Oltner Fasnacht angefertigt. (Bild: Franz Beidler)
Auszubildende Tatjana Bader (l.) und Schulleiterin Cornelia Jelitto im Atelier der Schule für Mode und Gestalten. Hier werden rund dreihundert Kostüme für die Oltner Fasnacht angefertigt. (Bild: Franz Beidler)

Schon bald ziehen die Zünfte und Guggen wieder durch Olten. Dann werden die Fasnachts-Kostüme ein Hingucker sein. Mal bunt und schrill, mal mit einem klaren Motto, sorgen sie für die richtige Optik in der fünften Jahreszeit. Rund dreihundert Kostüme sind auch diese Saison wieder an der Schule für Mode und Gestalten (SMG) in Olten entstanden. «Seit etwa fünf Jahren arbeiten wir jeweils intensiv an Fasnachts-Kostümen», erklärt Schulleiterin Cornelia Jelitto. Jedes Jahr würden acht bis zehn Fasnachtsgruppierungen, von Guggen über Schnitzelbänkler oder auch ganze Zünfte ihre Kostüme bei der SMG bestellen. Die Anforderungen seien dabei ganz unterschiedlich: «Manche brauchen zum Beispiel nur noch einen Kittel, andere eine komplette Kluft.» An den Kostümen für die Fasnacht 2019 haben alle 32 Lernenden der SMG mit der Unterstützung von drei Atelierleiterinnen gearbeitet. So auch Tatjana Bader. Die 18-Jährige wird die Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin EFZ im kommenden Mai mit einer Prüfungswoche abschliessen. «Zwei Tage Theorie und drei Tage Praxis, das wird hart, aber machbar», kommentiert sie. Aufgewachsen in Beinwil an der Grenze zum Kanton Baselland gehörte sie seit Kindesbeinen der Clique «Lumpesammler» aus Zwingen (BL) an. Ihre Mutter ist seit jeher für deren Kostüme zuständig und bindet ihre Tochter jeweils in die Arbeiten ein. «Ich nähe Fasnachts-Kostüme seit ich denken kann.»

Erste Besprechungen im Juni

«Die frühesten Besprechungen für die Fasnachts-Kostüme finden schon im Juni statt», erzählt Schulleiterin Jelitto. Dann würden die ersten Cliquen mit Anfragen auf die SMG zukommen. «Manche haben schon ganz konkrete Vorstellungen, wie das Kostüm aussehen soll und bringen uns Bilder mit.» Andere wiederum hätten manchmal erst ein Motto und würden sich von den Lernenden ein passendes Kostüm entwerfen lassen. «Das gibt uns die Gelegenheit, Entwürfe zu zeichnen», führt Bader begeistert aus. Die gäbe es sonst oft nur im Unterricht. «Steam Punk oder Venedig konnten wir schon als Motto verarbeiten.» Sobald die Cliquen einen Entwurf ausgewählt haben und grundlegende Entscheidungen wie die Art des Stoffs getroffen sind, erstellen die Lernenden einen Prototypen des Kostüms. «Diesen besprechen die Cliquen dann intern und teilen uns allfällige Änderungswünsche mit», kennt Jelitto den Ablauf. Ist dieses erste Modell abgesegnet, werden weitere Prototypen erstellt, je einer pro Grösse. Danach produzieren die Lernenden der SMG die Kostüme in Serie. «Da kann man richtig Gas geben beim Nähen», beschreibt Bader diesen Arbeitsschritt, «das macht Spass, wenn man so schnell vorwärts kommt.» Die sogenannte rationelle Fertigung, als Gegenstück zur Massschneiderei, gehört zur Ausbildung an der SMG.

Die Anprobe der geheimen Kostüme

Ist die Arbeit vollbracht, kommen die Fasnächtler zur Anprobe ins BBZ. «Da ich bereits zum dritten Mal dabei bin, kenne ich manche noch aus den Vorjahren», freut sich Bader jeweils auf den Termin. Damit auch niemand einen unerwünschten Blick auf jene Kostüme erhascht, die nicht zur Anprobe gehören, werden sie akribisch versteckt. «Wir sind gewissermassen die Hüter des heiligen Grals», bestätigen Bader und Jelitto lachend. Nach der Anprobe würden noch letzte Anpassungen vorgenommen: «Manche wünschen sich einen Becherhalter am Kostüm, andere einen Beutel an der Hose und die Trommler wollen meist Säcke für ihre Schläger», kennt Bader ihre Klientel. Auch die Länge von Ärmel und Hosen wird nochmals individuell angepasst. «So wird jedes Kostüm fast zu einem Unikat.»

Von August bis Februar

«Vom Semesterbeginn im August bis zum Beginn der Fasnacht sind wir mit den Kostümen beschäftigt», erzählt Jelitto. Jede Fasnachts-Gruppe verfolge ihren eigenen Zeitplan. «So können wir die Arbeiten staffeln, andernfalls könnten wir das Volumen nicht bewältigen.» Spätestens
Mitte Februar, also etwa eine Woche vor dem Naareschtopf würden jedoch auch die kurzent- schlossenen Zünfte ihre Kostüme wollen. Insgesamt stecken in jedem Kostüm rund vierzig Stunden Arbeit, trotz Massenfertigung. «Allerdings ist es schwierig, den Zeitaufwand im Durchschnitt zu beziffern, denn jedes Kostüm ist anders», erklärt Jelitto. Die Lernenden würden die benötigte Zeit aufschreiben. «Kürzlich habe ich dreieinhalb Stunden nur mit einem Innenfutter verbracht», schildert Bader. Die SMG rechnet die Fasnachtskostüme in einem Pauschalpreis ab. «So wälzen wir den zeitlichen Mehraufwand, der die Ausbildung mit sich bringt nicht auf die Cliquen ab», erklärt Schulleiterin Jelitto. Die Auszubildenden würden von den Aufträgen für die Fasnachtskostüme viel profitieren. «Neben der rationellen Fertigung arbeiten die Lernenden für die Kostüme mit den unterschiedlichsten Stoffen.» Samt, Satin oder Kunstleder seien nicht selten und in der Schneiderei schwierige Materialien. «So üben unsere Auszubildenden den Umgang damit.» Und bei der Anprobe kämen sie in Kontakt mit ihren Kunden. «Nicht zuletzt wollen wir auch mithelfen, die Fasnachtskultur weiterzutragen», betont Jelitto.

«Anderen eine Freude bereiten»

«Zu sehen, dass die Kostüme, an denen ich so lange gearbeitet habe, Anderen Freude bereiten, das macht mich stolz», sagt Bader. Dann wisse sie, dass sie etwas tolles geleistet habe. «Das motiviert mich.» Der Dank der Cliquen erreichte die Lernenden der SMG, wie könnte es bei Fasnächtlern anders sein, schon in den unterschiedlichsten Formen: «Manche schickten uns Fotos mit einem Dankesschreiben, andere spendierten auch schon ein Znüni», erinnert sich Jelitto. «Und eine Clique besuchte uns und sang ein Ständchen.»

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