Die Freiheit im Wald erleben

Verein Waldexperiment Vorläufig zum letzten Mal fand im Oltner Hardwald das Wald- experiment für Kinder im Alter von 7 bis 10 Jahren statt. Der Stadt-anzeiger hat einen Augenschein genommen.

Die 8-jährige Emelie zeigte ihrem Vater sowie weiteren Eltern die Hütte ihres Indiander-Häuptlings, die unter einem umgekippten Baum eingerichtet wurde. (Bild: mim)
Die 8-jährige Emelie zeigte ihrem Vater sowie weiteren Eltern die Hütte ihres Indiander-Häuptlings, die unter einem umgekippten Baum eingerichtet wurde. (Bild: mim)

Am vergangenen Samstag wurde im Oltner Hardwald der Schlussanlass des Waldexperiments 2017/18 durchgeführt. Jeweils an einem Samstagnachmittag im Monat erkundeten die Kinder während eines Jahres den Wald und erlebten die verschiedenen Jahreszeiten. Als Ansprech- personen standen Matthias Vogel, soziokultureller Animator mit Weiterbildung in authentischer Naturpädagogik, und Denise Heinzelmann, dipl. Kleinkindererzieherin mit Zusatzausbildung zur Naturpädagogin, den Kindern im Alter zwischen 7 und 10 Jahren zur Seite. Das Hauptanliegen des Experimentes liegt jedoch nicht darin, die Kinder mit einem Programm zu unterhalten oder sie anzuleiten. Vielmehr sollen ihre Entdeckerlust und Kreativität geweckt werden, indem sie sich auf unverbautem Raum frei entfalten können.

Pilotprojekt bis 2019

In Anbetracht der Entwicklung, dass Kinder viel weniger Zeit in der freien Natur sowie einem unverplanten und wertefreien Umfeld verbringen, kam im Jahr 2014 der Forstingenieur Peter Greminger mit seinem Oltner Berufskollegen Ruedi Iseli im Rahmen der Oltner Waldtage ins Gespräch. Gemeinsam mit dem Forst-ingenieur Andreas Bernasconi erarbeiteten sie ein Konzept zum Thema «Kind und Wald». Im Jahr 2016 gründeten sie den Verein Waldexperiment und starteten mit grosser Beteiligung das erste «Experiment-Jahr» in Olten. «Um Erfahrungen sammeln zu können haben wir das Waldexperiment neben Olten auch im Kanton Bern durchgeführt. Zudem stehen noch zwei Jahresveranstaltungen im Aargau aus», erklärte Vorstands- und Gründungsmitglied Ruedi Iseli. Das dreijährige Pilotprojekt, welches nun zwei Mal in Olten durchgeführt wurde, wird finanziell unter anderen von der Migros Kulturprozent, der Stiftung silviva, der 3F Organisation sowie dem Kanton Solothurn getragen und endet im März 2019.

Den eigenen Stamm gegründet

Nachdem die Kinder die letzten Vorbereitungen im Wald treffen konnten, fanden sich Organisator, Leiter, Eltern sowie die Kinder um 15.30 Uhr wieder beim Waldeingang beim Meierhof ein. Aufgeregt, den Eltern endlich «ihr Reich» zeigen zu können, stürmte eine Schar Kinder vorab laut schreiend den Waldweg hinunter. Über unebenes Nadelgehölz, Äste und Laub gelangte die Gruppe schliesslich zu einer Plattform, von welcher die Kinder ausströmten, um den Eltern auf dem weitläufigen Gelände ihre jeweiligen Aufenthaltsorte und Bauten zu präsentieren. «Der Hardwald ist toll», schwärmte Leiterin Denise Heinzelmann und fügte an: «Der Mischwald hat mit einer Wasserquelle, einer Lehmgrube und Fallholz eine wunderbare Vielfalt zu bieten.» Auch bei der zweiten Durchführung des Waldexperimentes in Olten bildeten sich schnell Gruppen, die zu Beginn Revierkämpfe austrugen, bis sie sich teilweise entschlossen etwas aufzubauen. Eine achtköpfige Gruppe gründete sogar ihren eigenen Indianerstamm, steckte ihr Revier mit einem Holzzaun ab, baute Hütten, einen Thron für den Häuptling und schaffte Strukturen. «Wir haben gemerkt, je weniger wir uns einmischen, desto kreativer agieren die Kinder. Sobald zu viele Erwachsene anwesend sind, geben sie die Leitung ab», erklärte Denise Heinzelmann und ihr Kollege Matthias Vogel betonte: «Das Wichtigeste beim Waldexperiment war, die Kinder soweit wie möglich selbstständig ihre Projekte umsetzen zu lassen. Dabei sollten sie keiner Wertung ausgesetzt sein, denn vom schulischen Leistungsdruck haben sie mehr als genug.» Auch die Regeln im Wald waren überschaubar. Sie beinhalteten den Respekt zu Natur und Mensch, nichts zu essen, was die Kinder nicht kennen, die Einhaltung der Gebietsgrenze und nur im Sitzen zu Schnitzen. Beeindruckt zeigte sich Organisator Ruedi Iseli zudem vom Pragmatismus der Kinder. Nach dem Sturm Burglind im Januar wurden durch umgestürzte Bäume Teile der Bauten zerstört. «Die Kinder haben sich schnell mit der veränderten Situation abgefunden und begonnen die neuen Begebenheiten zu nutzen», erklärte Denise Heinzelmann. So wurde das entstandene Loch eines umgestürzten Baumes als Höhle oder die vielen Tannenäste als Baumaterial für Hütten genutzt.

Dicht gedrängte Terminkalender

Beim anschliessenden Apéro Mitten im Wald kristallisierte sich im Gespräch mit den Eltern heraus, dass gerade diese Freiheit und Ungezwungenheit den Kindern sehr viel Spass bereitet hat, was wiederum auch die Eltern sehr begrüssten. Freiräume, so fanden einige, habe es in Olten grundsätzlich genug, nur müsse man die Kinder manchmal an diese heranführen, da das konkurrenzierende Angebot viel grösser sei als noch während der eigenen Kindheit. Nicht selten dürfte somit der proppevolle «Terminkalender» der Kinder ein Grund dafür sein, dass der Aufenthalt in der Natur zu kurz kommt.

Zukunft noch unklar

Vorstandsmitglied Ruedi Iseli freute sich neben dem grossen Interesse am Waldexperiment auch über die Nationalitätenvielfalt die von der Schweiz über Marokko, Südindien und Sri Lanka bis nach Belgien reichte. Ob und wie es mit dem Waldexperiment nach dem Abschluss des Pilot- projektes Ende März 2019 weitergehe, könne er im Moment nicht sagen, so Ruedi Iseli. Gerne würde er auch im nächsten Jahr wieder ein Angebot in Olten anbieten, dafür fehle jedoch im Moment noch die dafür nötige Finanzierung. Ohne Hilfe von Stiftungen und Gönnern sei es nicht möglich, das Angebot weiterzuführen. «Die aufwändigen Hintergrundarbeiten, wie beispielsweise die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes mit einer Notfallkarte, verursachen hohe Kosten», zeigt der Forstingenieur auf. Die Nachfrage, so zeigten es die Rückmeldungen von Eltern und Kindern, wäre auf jeden Fall vorhanden. «Auch wenn das Waldexperiment nun vorbei ist, der Wald bleibt da», betonte Iseli und rief die Kinder dazu auf, diesen nicht ganz zu vergessen. Interessierte haben im Moment noch die Möglichkeit, sich für das Waldexperiment in Aarau anzumelden, das am Samstag, 28. April starten wird.

Waldexperiment in Aarau
28. April 2018 bis 30. März 2019

<link http: www.waldexperiment.ch>www.waldexperiment.ch

 

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