Der Walter Verlag als Angelpunkt

Briefgeschichten Rom, Wien, Trier – wie der Oltner Walter Verlag vor einem Jahrhundert quasi als Angelpunkt zwischen den Hauptstädten fungierte.

Das erhalten gebliebene Briefcouvert vom März 1923. (Bild: ZVG)

Das erhalten gebliebene Briefcouvert vom März 1923. (Bild: ZVG)

Heinrich Businger.

Heinrich Businger.

Otto Walter.

Otto Walter.

Ferdinand Rüegg.

Ferdinand Rüegg.

Der Otto Walter Verlag, vermutlich Otto Walter persönlich, schickte am 29. März 1923 an Ferdinand Rüegg einen eingeschriebenen Brief. Der Inhalt des Briefes ist nicht überliefert. Erhalten geblieben aber ist das Couvert, und dieser gelbe Briefumschlag allein verrät eine ganze Menge. Interessant nämlich ist die Beziehung zwischen dem Oltner Verleger und Ferdinand Rüegg in jener Zeit.

Der 1889 geborene Mümliswiler Fabrikantensohn Otto Walter war nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht an den Universitäten Freiburg und Wien bereits ab 1912 publizistisch tätig. 1916 kaufte er in Olten die kleine Druckerei der katholisch-konservativen Tageszeitung «Oltner Nachrichten» und gründete eine eigene Firma, den Otto Walter Verlag. Neben anderem gab er die «Schildwache», das «Organ der katholischen Jungschweiz», heraus. Um diese Wochenzeitschrift zu betreuen, berief Walter im Februar 1917 Dr. Ferdinand Rüegg-Muggli als Redaktor nach Olten.

Der aus Eschenbach im St. Galler Seebezirk stammende Ferdinand Rüegg war vier Jahre älter als Otto Walter. Sein Studium in Freiburg und Wien hatte er 1908 mit einer Dissertation in Geschichte abgeschlossen, danach arbeitete er vier Jahre im Vatikanischen Geheimarchiv in Rom. Von 1913 bis 1916 redigierte er die röm-kath. Wochenschrift «Petrus-Blätter» in Trier. Die Oltner «Schildwache» pflegte enge Kontakte mit der Trierer Zeitschrift. So holte Verleger Walter im Februar 1917 den Journalisten Rüegg in die Eisenbahnstadt. Die junge Familie – Marie Rüegg-Muggli war zum zweiten Mal schwanger – wohnte an der Ringstrasse 17.

Zwischen Tür und Angel

Schon in demselben Jahr, im Frühling 1917, lancierten Otto Walter und Ferdinand Rüegg ein neues Projekt, die Katholische Internationale Presseagentur (Kipa). Sie ist die weltweit älteste katholische Nachrichtenagentur. Bemerkenswert ist, wie sie zustande kam, nämlich förmlich zwischen Tür und Angel.

Heinrich Businger, der Redaktor der ebenfalls im Walter-Verlagsgebäude am Amtshausquai domizilierten «Oltner Nachrichten», erinnert sich: «Damals hatte sich als Nachbarin der ‹Oltner Nachrichten› hinter der Tür nebenan die Redaktion der ebenfalls im Otto-Walter-Verlag erscheinenden ‹Schildwache› einlogiert. Sie wurde betreut von Dr. Ferdinand Rüegg. Eines Tages, es war im Monat März des Jahres 1917, standen wir – Otto Walter, Dr. Rüegg und ich – zwischen Tür und Angel der beiden Redaktionsstuben beisammen und stellten unsere täglichen, mehr oder weniger massgebenden Betrachtungen an über die Weltlage und wie dieselbe zu bessern wäre. Im Laufe des Gesprächs bemerkte Dr. Rüegg, es gingen täglich so viele, die Religion und Kirche betreffende Nachrichten ein, welche weiteste Verbreitung verdienten. Es sei schade, dass es keine katholische Presseagentur gebe. ‹Dann gründet man eben eine!›, war die charakteristische Antwort Otto Walters!» Das war die Geburtsstunde der «Katholischen Internationalen Presseagentur Rom, Wien, Trier, Olten», wie der offizielle Titel lautete.

«Otto Walter stellte seit seiner Studentenzeit die geistige Verbindung mit Wien sicher. Ferdinand Rüegg pflegte dank seinem Studienaufenthalt im Vatikan und als ehemaliger Petrusblätter-Redaktor die Kontakte zu Rom und zu Trier sicher – und in Olten sassen wir alle drei», stellte Businger weiter fest.

Rüegg betrieb die Kipa auf privater Basis und nahm sie im September 1919 nach Freiburg mit, wo sie erst 1932 in eine AG umgewandelt und auf sichere Füsse gestellt wurde. Übrigens war Otto Walter auch mit anderen Verlagen in Österreich und Deutschland vernetzt. Dies zeigt der runde Stempel auf dem Couvert mit dem Vermerk: «Vereinigte Verleger: Otto Walter AG Olten / Tyrolia GmbH, Innsbruck / Natur und Kultur AG, München».

Und um einen aktuellen Bezug herzustellen: Als Vorteile des Homeoffices werden heutzutage der Wegfall des Pendlerwegs und die Möglichkeit, ruhiger zu arbeiten, angeführt. Vermisst hingegen werden oft die persönlichen Kontakte. Das Beispiel der Kipa-Agentur illustriert bestens, dass aus einem ungezwungenen Gespräch zwischen Tür und Angel plötzlich neue Projektideen entstehen können.

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