Der Regenbogenpionier
Was macht eigentlich? Vor vier Jahren wurde Pascal Erlachner in der ganzen Schweiz bekannt: als der erste schwule Fussballschiedsrichter. Die Rolle machte er sich zur Mission.
Das Tattoo habe er sich erst letztes Jahr stechen lassen, sagt Pascal Erlachner und hebt seinen rechten Arm. Auf die Unterseite des Handgelenks tätowiert ist die Regenbogenfahne. «Ein Symbol für Gleichberechtigung, Offenheit und Miteinander», erklärt Erlachner die Bedeutung. Andere Tattoos trage er keine. «Eigentlich schade, habe ich es nicht schon früher machen lassen, als ich noch Schiedsrichter war», hängt der 41-Jährige dann an. «Man hätte es bei jedem Einwurf, bei jeder Karte, bei jeder Entscheidung gesehen.» Der Wangener ist jener Fussballschiedsrichter, der es als erster wagte, seine Homosexualität öffentlich zu machen. Das war vor vier Jahren.
Seinem privaten Umfeld hatte sich Erlachner als Dreissigjähriger geoutet. Der Fussballöffentlichkeit, der er 2017 als Schiedsrichter in den höchsten Schweizer Spielklassen gegenüberstand, aber noch nicht. «Irgendwann wollte ich mich nicht mehr verstecken», erinnert er sich, «und zum Beispiel auch mal meinen Partner an ein Spiel mitnehmen.» Der Moderator Roman Kilchsperger, ein Freund seiner Eltern, stand ihm beim Umgang mit den Medien zur Seite. Anstatt zu einer Schlagzeile der Boulevardpresse zu werden, liess sich Erlachner ein halbes Jahr lang von einem Filmteam des Schweizer Fernsehens begleiten. «Sie nahmen alles mit rein: Beruf, Privates, Fussball, aber auch Themen wie Toleranz in der Gesellschaft.» Der fast einstündige Dok-Film machte ihn im ganzen Land bekannt – eben als ersten homosexuellen Fussballschiedsrichter der Schweiz.
«Ich fasste damals eine Mission»
«Ich fasste damals eine Mission», sagt Erlachner. «Nämlich zu zeigen, dass du Freude haben kannst am Fussball, dass du Schiedsrichter sein kannst, ob schwul oder nicht.» Diese Rolle des Pioniers, der für die Werte der Regenbogenfahne einsteht, hat sich Erlachner zu eigen gemacht. Aber hatte er im intoleranten Fussballgeschäft denn eine andere Wahl? Ein Outing ohne medialen Aufruhr? «Ich hätte aufhören können», meint Erlachner achselzuckend. Ihm sei wohl mit dieser Rolle. «Ich erzähle gerne von meinen Erfahrungen, wenn ich damit etwas beitragen kann.»
Zur Mission gehörte es auch, zu zeigen, dass Schwule in allen Bereichen tätig sein können. So eröffnete Erlachner eine Bar, das «Goccetto», und kandidierte für den Wangener Gemeinderat. Daneben war er weiterhin als Sportlehrer und Schiedsrichter tätig. «Das war alles wie ein einziges, grosses Projekt damals», blickt Erlachner zurück.
Lebensaufgabe Vater
Auch versuchte sich Erlachner einen Wunsch zu erfüllen: Er wollte Vater werden. «Ich empfand das wie eine Lebensaufgabe, die ich als Homosexueller nicht erfüllen kann», beschreibt er. Also schloss er sich mit einem weiblichen Paar zusammen. «Wir lernten uns ein Jahr lang kennen, klärten Rechtliches, Finanzielles und auch den Wohnort.» Nach drei Monaten Schwangerschaft verlor die Mutter das Ungeborene.
«Es wäre mega, mega schön gewesen», sagt Erlachner. Nach dem Tiefschlag merkte er, dass sich das Bedürfnis Vater zu werden, gewandelt hatte: «Ich darf als Lehrer tätig sein und den Kindern so etwas mitgeben.» Dann spricht er die kommende Abstimmung zur «Ehe für alle» an: «Ein Kind braucht einfach Liebe von seinen Bezugspersonen. Ob das zwei Mamis oder zwei Papis sind, ist egal.»
Gemeinderat und Lehrer
Erlachner ist bis heute auf Mission, auch wenn ihn diese nicht mehr über den Fussballboulevard führt. Als Gemeinderat seiner Heimatgemeinde stiess er einen Jugendtreff hinter dem Schulhaus Hinterbüel an. Bei diesem ging er früher als Schüler ein und aus, heute als Sportlehrer. «Mir kommen immer wieder Erinnerungen an meine Schulzeit hoch», sagt Erlachner. Er geniesse das. «Ich glaube, ich kann mich deshalb besser in die Schüler hineinversetzen.» So lasse er zum Beispiel im Turnunterricht nie Mannschaften wählen, denn: «Ich wurde damals oft als Letzter gewählt.» Mit dem Sportunterricht will er eben noch viel mehr vermitteln: «Sicher die Freude daran, aber auch Toleranz, Respekt, Akzeptanz. Und sie sollen auch lernen, dass man manchmal verliert.»
Die Schiedsrichterei gab Erlachner vor zwei Jahren auf, letztes Jahr zog er sich aus der Bar zurück, «nur eine Woche vor dem Lockdown.» Und Ende Juli ging seine Legislatur im Gemeinderat zu Ende. Untätig ist er aber nicht: «Biken, joggen, Tennis spielen, Standup paddeln», zählt er auf. «Ich kann nicht still sitzen», meint er schmunzelnd. Seit einem Jahr mietet er ein Zimmer in Saas Fee, um im Sommer zu wandern, im Winter Ski zu fahren und als Skilehrer zu arbeiten.
Und etwa einmal pro Woche hebt Erlachner ab: Er ist Mitglied der Motorfluggruppe Langenthal, machte vor ein paar Jahren den Pilotenschein, «ein Jugendtraum». Seine Lieblingsroute führe ihn über Wangen und Olten, «meine Heimat», ins Berner Oberland, «Thun und hintendran das Stockhorn, mega schön», dann Richtung Yverdon und über das Dreiseenland zurück. Da sehe man, wie klein und wie schön die Schweiz sei. Wenn er da dann so von oben auf die Welt schaue, und sich die Probleme vergegenwärtige, mit denen wir uns da unten rumschlagten, dann merke er: «Es gibt noch so viel mehr als nur das.»
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