Den Geist der Gemeinschaft fördern

Werner Menzi ist Bahai, arbeitete für den interreligiösen «Runden Tisch« bei der Planung der «Woche der Religionen» mit, ist ein aktives Mitglied des Begegnungs- zentrums Cultibo, ein begeisterter Wanderer sowie Chorsänger und soeben zum zweiten Mal Grossvater geworden.

Werner Menzi übernimmt im Begegnungszentrum Cultibo unter anderem infrastrukturelle Aufgaben, wie das Streichen des Geländers und der Türe. (Bild: mim)
Werner Menzi übernimmt im Begegnungszentrum Cultibo unter anderem infrastrukturelle Aufgaben, wie das Streichen des Geländers und der Türe. (Bild: mim)

Wer die eine oder andere Veranstaltung im Begegnungszentrum Cultibo in Olten besuchte, traf sicherlich bereits auf Werner Menzi. Der 68-Jährige setzt sich seit seiner Frühpensionierung vor fünf Jahren aktiv für das Cultibo ein. Er erteilt neben zwei anderen Personen den Kurs «Deutsch für Anfänger» und übernimmt Infrastruktur-Aufgaben. «Das Geländer habe ich soeben frisch gestrichen und die Holzböden im Schaufenster des Eingangsbereichs ersetzt», so Menzi erfreut, der als gelernter Mechaniker keine zwei linken Hände hat.

Der Suchende

Werner Menzi ist im sankt-gallischen Niederbüren in einer Grossfamilie auf dem Bauernhof aufgewachsen. Obwohl seine Mutter sehr gläubig gewesen sei, habe ihn die Religion damals kaum interessiert. Er absolvierte eine Lehre als Mechaniker. Mit 21 Jahren packte er seine sieben Sachen und zog nach Berlin. «Mich beschäftigten die Streitereien und Kriege. Deshalb suchte ich nach einer Lösung für eine zusammenwirkende Menschheit. Als Suchender bin ich damals weniger von der religiösen, umso mehr von der philosophischen und gesellschaftspolitischen Seite anhand von Schriften auf die Bahai-Religion gestossen», erklärt Menzi und fügt an: «Erst nach und nach realisierte ich, dass eine Bahai-Weltgemeinschaft mit rund 4 Mio. Mitgliedern und dem Weltzentrum in Israel existiert.» Mit 23 Jahren wurde Menzi offiziell Bahai. «Für die Aufnahme gibt es keine Zeremonie oder Rituale. Voraussetzung ist, dass die Person an Baha’u’llah als den Gottesboten für die heutige Zeit glaubt», erklärt Menzi. «Die Bahai haben keinen Klerus. So muss die Suche nach dem (Lebens)-Weg individuell und selbstständig erfolgen. Die Strukturen der Weltgemeinschaft bilden sich aus jährlich neu gewählten Gremien», so der 68-Jährige. Und was muss ein Bahai sein? «Er oder sie erkennt den Gesandten Gottes für diese Zeit, strebt ein vorbildliches Leben an, studiert die heiligen Schriften, um die Seele nebst dem täglichen Gebet zu nähren, bewährt sich in einem Beruf und gründet möglichst eine Familie. Allgemeines Ziel ist, das Beste für den Fortschritt der Menschheit zu leisten und den Geist der Gemeinschaft zu fördern. Dies auch über die verschiedenen Religionen hinweg.»

Vier Jahre in Deutschland

Nach seiner Rückkehr aus Berlin spielte Menzi mit dem Gedanken, sich zum Sozialarbeiter ausbilden zu lassen. «Ich merkte jedoch, dass ich einen zu starken Gerechtigkeitssinn habe und damit überall anecken würde.» So bildete er sich zum technischen Kaufmann weiter. 1979 wurde sein erster Sohn geboren. Sechs Jahre später verbrachte Menzi mit seiner Familie vier Jahre im Bahai-Zentrum in Deutschland, wo er als Hausmeister für vier Gebäude zuständig war, insbesondere für das «Europäische Haus der Andacht», eines von weltweit neun Andachts- häusern. Zurück in der Schweiz arbeitete Menzi wieder als technischer Kaufmann in Zofingen. 1990 wurde sein zweiter Sohn geboren. «Der ältere Sohn wurde nach der Matur zum Bahai, der jüngere ist etwas kritischer, er sympathisiert zwar mit einem Beitritt in die Bahai-Gemeinde, will sich aber erst dann entscheiden, wenn er auch die sittlichen Richtlinien ganz zu halten bereit ist», so Menzi schmunzelnd.

200-Jahr-Feier

«Vor 13 Jahren zogen meine zweite Ehefrau und ich nach Olten, da sie in Bern und ich noch in Zofingen arbeitete.» Seither ist der 68-Jährige Mitglied der Bahai Gruppe Olten, die in den 1980er-Jahren von zwei persischen Familien gegründet wurde. Die Gruppe zählt insgesamt neun Personen. «Die Bahai haben einen eigenen Kalender mit 19 Monaten zu je 19 Tagen. Um das Jahr auf 365 Tage zu vervollständigen, werden zwischen dem 18. und 19. Monat vier Tage eingeschoben. Einmal alle 19 Tage begehen die Bahai weltweit und auch wir in Olten das «19-Tagefest»», erklärt Menzi. Zuerst werden Gebete gelesen, dann folgen ein Beratungsteil und schliesslich das gesellige Zusammensein. Dieses Jahr gibt es für die Bahai jedoch etwas Spezielles zu feiern. Am kommenden Sonntag, 22. Oktober lädt die Bahai Gruppe Olten alle Interessierten um 15 Uhr zur 200-Jahr-Feier der Geburt von Baha’ullah, des Religionsstifters, ins Hotel Astoria ein. «Da ich seit einigen Jahren am «Runden Tisch» der interreligiösen Gemein- schaft des Kanton Solothurn mitarbeite, haben wir beschlossen, die 200-Jahr-Feier der Bahai in den Gesamtflyer von der «Woche der Religionen» des Kt. Solothurn aufzunehmen. Diese dauert regulär vom 5. bis 12. November, jedoch finden einzelne Veranstaltungen bereits im Vorfeld und danach statt.»

Sich geistig und körperlich fit halten

Seit seiner Frühpensionierung vor fünf Jahren geniesst Menzi die gewonnene Freizeit. Neben dem Studium von Bahai-Schriften hat der Wahl-Oltner vor fünf Jahren das Singen für sich entdeckt. «Mit 63 Jahren mit dem Singen zu beginnen war anspruchsvoll, weshalb ich ergänzend ein paar Privatstunden besucht habe», erklärt Menzi. Seither singt der Pensionär im Solothurner «Chor der Nationen» mit. «Ein wunderbarer Ausgleich», schwärmt der 68-Jährige. Um sich auch körperlich fit zu halten, betreibt Menzi zwei Mal pro Woche Ausgleichssport mit Laufen oder Velofahren. Auch das Wandern ist ein grosses Hobby für den Oltner. «Ich fühle mich sehr wohl in der Eisenbahner- stadt und konnte durch das Cultibo viele Kontakte knüpfen. Ausserdem schätze ich den offenen Oltner Geist», betont Menzi, der vor rund einer Woche zum zweiten Mal Grossvater wurde. «Die Betreuung meiner Enkelkinder gehört selbstverständlich ebenfalls zu einer lieben Freizeitbeschäftigung.»

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