Dem Theater gewachsen

Sina Wilhelm «Alles ist Olten», sagt Sina Wilhelm, wenn sie über ihre Heimatstadt sinniert. Hier geboren, ist die Schauspielerin dem Oltner Theater inzwischen aber entwachsen.

«Der Aareschwumm ist ein Oltner Ding»: Sina Wilhelm an der Aare. (Bild: Franz Beidler)
«Der Aareschwumm ist ein Oltner Ding»: Sina Wilhelm an der Aare. (Bild: Franz Beidler)

Sina Wilhelm sitzt auf dem Mäuerchen, das den Weg von der Oltner Aarburgerstrasse hinunter zum Aarebistro säumt. Die Bise hat die Wolken der letzten Tage verblasen und einen blauen Himmel hinterlassen. Dafür weht sie einem eine harte Kälte ins Gesicht. Wilhelm aber geniesst die Sonnenstrahlen und lässt den Blick mit zusammengekniffenen Augen über die Aare gleiten. «Würde ich jetzt noch zwei Stunden hier sitzen, dann käme früher oder später sicher jemand vorbei, den ich kenne», beschreibt die 21-Jährige ihr Verhältnis zu Olten. Das geniesse sie an der Kleinstadt: Man kenne sich, aber man kenne nicht alle. «Alles ist Olten», erklärt sie verdutzt, nachdem sie einen Moment nachdachte. Von einem prägenden Moment in der Dreitannenstadt sollte sie berichten. Wilhelm ist in Olten geboren und aufgewachsen. Eine einzelne Erinnerung herauszustreichen, gelingt ihr nicht.

Da ist zum Beispiel jener Moment vor einem Jahr, gerade noch vor der Coronakrise, als Wilhelm in der Oltner Schützi an der Kasse sass, um die Eintritte jener zu kontrollieren, die an diesem Abend den Poetry Slam miterleben wollten. Da kam Rainer von Arx, der für das Programm verantwortlich zeichnete, auf Wilhelm zu. «Hast du einen Text?», fragte er sie. Jemand war ausgefallen. «Ich hatte über die letzten ein oder zwei Jahre etwa drei Poetry-Slam-Texte geschrieben», erzählt Wilhelm. Also sprang sie ein. «Ich war so nervös», erzählt sie schmunzelnd. So kam sie zu ihrem ersten Auftritt als Poetry Slammerin. «Und bisher meinem einzigen», fügt sie an. «Es war mega gut.»

Mit Lino ins Momentum

Oder dann ist da jener Moment, als ihr älterer Bruder Lino ihr die Oltner Trendsporthalle Momentum näherbrachte, die er mitaufgebaut hat. Etwa zwei Jahre ist es her, dass Wilhelm Gefallen am Klettern fand. Seither klettert sie mehrmals pro Woche. «Bouldern ist der Versuch, über meine Grenzen hinweg zu kommen», erklärt sie. Deshalb rechne sie damit, herunterzufallen. «Da passiert ja nichts», meint sie achselzuckend. Am Bouldern gefalle ihr, dass neben Klettertechnik auch viel Kopfarbeit gefragt sei. «Zum Beispiel wenn ich eine Route analysieren muss.»

Sie verbringe auch gerne Zeit in der Kletterhalle, weil sie den Typ Mensch möge, der klettere: «Ich treffe da nur soziale Leute.» Verbissen seien die nur an der Kletterwand. Inzwischen gibt Wilhelm ihre Begeisterung für das Bouldern weiter: Sie leitet Kinderkurse im Momentum Olten.

«Die Badi war wichtig»

Oder dann sind da unzählige Momente, die Wilhelm schon an oder in der Oltner Aare verbrachte. «Die Badi war wichtig», erinnert sie sich. «Das ist doch so ein Oltner Ding», mutmasst sie. «Dass man sich an der Aare trifft und dann gibts einen Schwumm.» Im Sommer schwimme sie täglich in der Aare: Manchmal nur kurz, bevor sie den Zug nehme, ein ander Mal kurz, wenn sie aus dem Zug steige. «Und manchmal auch nach dem Ausgang», fügt sie lachend an. Wilhelm ist fast jedes Wochenende im Coq d’Or. Nur im Winter habe sie es noch nie in die Aare geschafft, obwohl sie sich den Oltner Chlausenschwumm schon mehrmals vorgenommen habe.

Das erste Theaterlager mit vier Jahren

Und dann sind da auch all jene Momente, die sie in Olten zur Theaterschaffenden machten. «Als ich vier Jahre alt war, ging ich zum ersten Mal in ein Theaterlager», erinnert sich Wilhelm an den wohl ersten. Ihre Mutter half als Köchin in den Sommerlagern der Oltner Theaterpädagogin Käthi Vögeli aus und nahm ihre beiden Kinder jeweils mit. Als Wilhelm zwöf Jahre alt war, besuchte sie regelmässig die Theaterkurse des Oltner Vereins «Theater Juckt». Dagmar Elgart, eine der Kursleiterinnen, fragte Wilhelm drei Jahre später an, ob sie bei einer Inszenierung von Michael Endes «Unendliche Geschichte» mitwirken wolle. «Im Ensemble waren auch vier oder fünf Profischauspieler dabei», erinnert sich Wilhelm. 2016 spielte Wilhelm bei den Schlossspielen Falkenstein in «Romeo und Julia», und im Jahr darauf in «Sommernachtstraum». «Wir waren eine super Truppe.»

Es müsse irgendwann zwischen der «Unendlichen Geschichte» und dem «Sommernachtstraum» passiert sein, sagt Wilhelm überlegt. «Ich merkte einfach, dass mir das Theater so viel intrinsische Motivation, so viel Energie gibt.» Also fasste sie den Entschluss, sich zur Schauspielerin ausbilden zu lassen. ­Wilhelm besuchte inzwischen die Kantonsschule Olten und hatte als Schwerpunktfach Mathematik und Physik gewählt. «Ich habe auch eine sehr analytische Seite», hält sie fest und fügt an: «Und halt viele Interessen.» Trotzdem habe sie im Unterricht anstatt mathematischer Formeln oft Theatertexte auswendig gelernt.

Wilhelms Maturaarbeit war ihre erste eigene Produktion: Sie schrieb eine Theaterfassung von Oscar Wildes «Das Bildnis des Dorian Grey» und brachte das Stück im Theaterstudio Olten zur Aufführung. Das war vor drei Jahren.

«Jeder Tag ist anders»

Seither hat Wilhelm eine Theaterfassung von Michael Endes «Momo» geschrieben, sich an der «Stageart Musical & Theatre School» in Adliswil eingeschrieben und das Co-Präsidium von «Theater Juckt» übernommen, wo sie nun selber Theaterkurse für Kinder leitet. «Das sind die Fixpunkte», erklärt Wilhelm. «Daneben ist jeder Tag anders.» Sie geniesse es, sich die Zeit selber einteilen zu können. Wenn sie denn welche zum Einteilen hat: Als Schauspielerin ist sie im Moment am Basler Theater Arlecchino in Mozarts «Zauberflöte» engagiert. Und sie ist Teil des Ensembles «Junge Marie». Zweifel an dem Weg habe sie nie gehabt. «Vielleicht Zwischenzweifel», sagt Wilhelm und meint das bange Gefühl vor einem Auftritt. «Es ist ein Entschluss und ich bin stur.»

Ihren nächsten Oltner Moment hat Wilhelm schon geplant: «Das Projekt heisst «kultourmuseum» und ist eine spartenübergreifende Ausstellung mit szenischer Führung», wirbt sie. Es soll Oltner Künstlerinnen und Künstlern trotz Corona eine Plattform bieten. Deren fünf konnte Wilhelm bereits gewinnen. Im kommenden April soll das «kultourmuseum» im Jugendwerk in der Oltner Rötzmatt eröffnet werden. Wilhelm legte das Thema fest: Systemrelevanz von Kultur. Für sie ist klar: «Mit dem, was du tust, solltest du auch Stellung beziehen.»

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