Defektes Telefon als One-Way-Ticket

Fabricio Rabelo hat sich seit seinem 16. Lebensjahr dem Capoeira verschrieben. Die brasilianische Kampf-Tanz-Sportart führte den - 34-Jährigen schlussendlich in die Schweiz.

Fabricio Rabelo schätzt am Capoeira die Vermischung mit der brasilianischen Musik und beherrscht Instrumente wie den Berimbau (Abbildung) einwandfrei. vwe)
Fabricio Rabelo schätzt am Capoeira die Vermischung mit der brasilianischen Musik und beherrscht Instrumente wie den Berimbau (Abbildung) einwandfrei. vwe)

Aufgrund eines Schulfreundes traf Fabricio Rabelo in seiner Heimat Diamatina (BRA) auf Capoeira und seither hat ihn diese Sportart nicht mehr losgelassen. «Wir mussten damals ein Theaterstück über die Zeit der Sklaverei in meinem Heimatland Brasilien vorbereiten und mein Kollege schlug eine Vertiefung auf Capoeira vor», erinnert er sich heute zurück.

 

«Musik spielt eine wichtige Rolle»

Schlecht war die Idee des damaligen Schulkollegen sicher nicht. Denn laut Rabelo hat die Kampf-Tanz-Sportart Capoeira viel mit der brasilianischen Geschichte zu tun. Der Sport ist während der Hochblüte der Sklaverei des 17. bis 19. Jahrhundert im südamerikanischen Land entstanden. «Den meist vom afrikanischen Kontinent importierten Sklaven war es damals untersagt, eine Kampfsportart auszuüben, deshalb tarnten sie diese mit tänzerischen Elementen und Folkloremusik.» Genau diese spezielle Vermischung von Tanz, Musik und Kampfsport habe ihn seit Beginn fasziniert und daher hat er nach dem damaligen Theaterstück mit 16 Jahren sein Kampftanz-Training fortgesetzt. Knapp vier Jahre später trainierte der Sportbegeisterte bereits seine erste Unterrichtsklasse. Dort erhielt er auch seinen Spitznamen «Professor Pernalonga». «Im Capoeira ist es üblich, dass jeder einen Spitznamen erhält. Dieser Brauch stammt noch aus der Zeit der brasilianischen Diktatur Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wurden Capoeira-Kämpfer verfolgt und tarnten sich mit Spitznamen.» Seinen Namen Pernalonga habe er seiner für brasilianische Verhältnisse weissen Haut, seinen grossen Zähnen und Ohren zu verdanken. «Pernalonga bedeutet in Brasilien so viel wie «Bugs Bunny», erklärt der Capoeira-Trainer lachend.

Dank defektem Telefon in die Schweiz

Durch einen Trainerkollegen kam Fabricio Rabelo schlussendlich mit dem in der Schweiz wohnhaften Mestre Matias, einem bekannten Capoeira-Meister, in Kontakt. «Er besuchte unsere Capoeira-Schule ein bis zweimal jährlich, unterrichtete jedoch den Rest des Jahres in Bern.» Wie Rabelo jedoch schlussendlich in die Schweiz kam, klingt wie ein Märchen. «Ich spazierte in meiner Stadt an zwei Telefonkabinen vorbei. An einer stand eine ellenlange Schlange von Leuten, die andere blieb unbenutzt. Ein Passant berichtete mir, dass das rege benutzte Telefon einen Defekt vorwies und man momentan überallhin, auch nach Europa, gratis telefonieren kann», erzählt Rabelo lachend und fügt an: «Ich nutzte diese einmalige Chance und rief einen der einzigen Menschen an, den ich im fernen Ausland kannte: Mestre Matias.» Dieser Anruf sollte sein Leben verändern, denn Mestre Matias bot ihm eine Stelle als Trainer in der Schweiz an. «Kurze Zeit später sass ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Flugzeug in dieses mir noch unbekannte Land.»

«Ich schätze die Freiheit hier»

Mittlerweile sind seit dem wegweisenden Telefonat zwölf Jahre vergangen und Fabricio Rabelo hat in der Schweiz beziehungsweise seit einem Jahr in Olten Fuss gefasst. «Da ich in Brasilien die Matur absolvierte, wollte ich anfangs hier ein Sportstudium starten. Dafür besuchte ich damals an der Uni Fribourg einen obligatorischen Deutschkurs.» Anschliessend entschied sich der Brasilianer jedoch um. Heute studiert er Medizininformatik an der FH Bern in Biel (BE). «Informatik faszinierte mich schon immer. Ich bearbeite beispielsweise auch viele Bilder und Videos selbst. Die Verknüpfung dieses Feldes mit Medizin ist für mich ideal.» Neben seinem Teilzeit-Studium konnte Rabelo bereits einige Berufserfahrungen als Informatiker sammeln. Nicht nur ausbildungstechnisch schätzt er die Schweiz und hat sie in den letzten Jahren lieben gelernt. «Ich geniesse die Freiheit und Sicherheit hier enorm. Ausser meiner Familie vermisse ich daher das Land Brasilien nur wenig.» Auch zu seinem neuen Hobby ist er erstaunlicherweise erst in der Schweiz gestossen. «Seit ich in der Schweiz bin, tanze ich gemeinsam mit meiner Freundin Salsa. In Brasilien bin ich nie damit in Berührunggekommen.»

Training für die Kleinsten

 

Trotz Studium und Arbeit hat Fabricio Rabelo seine grosse Leidenschaft Capoeira nie vernachlässigt. Vor gut zwei Jahren gründete er gemeinsam mit seiner Freundin Silvia Stadelmann «Capoeira Schweiz» (www.capoeira-schweiz.ch). «Wir unterrichten seither in Olten, Sursee oder auch Rupperswil.» Wichtig ist ihm in seinem Unterricht, dass seine Schüler sowohl die traditionellen brasilianischen Musikinstrumente, wie den Musikbogen Berimbau, als auch die Grundtechniken der Kampfsport kennenlernen. «Jeder ist in Capoeira willkommen, egal welcher Kultur, Religion oder Altersgruppe er angehört. Meine jüngsten Schüler sind gerade mal zwei Jahre alt», erklärt Rabelo lächelnd. Auch sozial setzt sich der 34-Jährige ein. So ist die Capoeira-Schule am Mensch-Olten-Anlass vom 20. Februar, an welchem Spenden für Südamerika gesammelt werden, mitAuftritten vertreten.

 

Weitere Artikel zu «Im Fokus», die sie interessieren könnten

Im Fokus28.02.2024

Wirz-Burri – Kolonialwaren und Delikatessen am Bifangplatz

Briefgeschichten Am Bifangplatz befand sich vor rund hundert Jahren an prominenter Lage der Laden zum «Bifanghof» von Paul Wirz-Burri. Die…
Im Fokus28.02.2024

«Unsere Lieder sind Medizin für unsere Herzen»

Olten Der Gedenkanlass «Zwei Jahre Krieg in der Ukraine» in der Stadtkirche wurde von weit über 200 Personen besucht.
Im Fokus28.02.2024

Gefrässig und vermehrungsfreudig

Asiatische Hornisse Die Verbreitung der Asiatischen Hornisse bedroht einheimische Bienenvölker. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Sichtungen zu…