«Das Stück ist brisanter denn je»

DSG Zu ihrem 10-jährigen Jubiläum spielt die Theatergruppe «Dachschadengesellschaft» den Schweizer Klassiker «Biedermann und die Brandstifter». Das Stück hat auch gut 57 Jahre nach seiner Uraufführung nichts an seiner erschreckenden Aktualität eingebüsst.

Das Abendmahl mit den Brandstiftern (v.l.): Brandstifter Schmitz (Jakob Müller), Babette Biedermann (Natalia Kurth),Gottlieb Biedermann (Manuel Locher) und Brandstifter Eisenring (Christoph Stapfer). (Bild: ZVG)
Das Abendmahl mit den Brandstiftern (v.l.): Brandstifter Schmitz (Jakob Müller), Babette Biedermann (Natalia Kurth),Gottlieb Biedermann (Manuel Locher) und Brandstifter Eisenring (Christoph Stapfer). (Bild: ZVG)

Mittlerweile traue man sich an die wahren Schweizer Theaterperlen heran und fühle sich diesen gewachsen, erklärt Regisseurin und Gründerin der Theatergruppe «Dachschadengesellschaft» Kerstin Schult. Schliesslich können die Laienschauspieler teilweise auf eine 10-jährige Theatererfahrung zurückgreifen. Angefangen mit «Ernst sein ist alles!» von Oscar Wilde im Jahr 2004 hat die Gruppe jedes Jahr auf der Bühne wieder eine neue Facette von sich gezeigt. «Ich möchte die Gruppenmitglieder in alle Bereiche des Theaters reinschnuppern lassen. So folgten auf Komödien dramatische Liebesstücke wie Romeo und Julia oder Klassiker wie Dürrenmatts «Die Physiker»», so die Regisseurin Kerstin Schult, welche die Theatergruppe vor gut zehn Jahren ins Leben rief, und fügt an: «Ich wollte und will durch die Gruppe mein Wissen als Schauspielerin weitergeben und den jungen Teilnehmern so den Zugang zu unserem literarischen Erbgut ermöglichen.» Im Laufe der Jahre liess die Gründerin die alten Hasen unter den «Dachschädlern» vermehrt auch bei der Auswahl der Stücke mitbestimmen. So war das aktuelle Projekt «Biedermann und die Brandstifter», das am 26. November im Theaterstudio Olten Premiere feiert, ein Wunsch aus den Reihen der Schauspieler.

«Biedermann ist so ziemlich das Gegenteil von mir»

Vereinspräsident der «Dachschadengesellschaft» Manuel Locher hatte sie Idee einer Oltner «Biedermann»-Inszenierung und schnappte sich sogleich die kontroverse Hauptrolle: «Nachdem ich bereits bei Dürrenmatts «Die Physiker» mit Johann Wilhelm Möbius eine eher tragische Figur spielte, reizte mich die Rolle von Gottlieb Biedermann um so mehr.» Im Drama vom Schweizer Schriftsteller Max Frisch beherbergt Biedermann, der wohlhabende Inhaber einer Haarwasser- fabrik, zwei Brandstifter in seinem Haus, obwohl sie von Anfang an erkennen lassen, dass sie es anzünden werden. Obgleich die Absicht seiner Gäste so klar ist, ignoriert Biedermann jegliche Warnhinweise. Doch warum nur? «Die Gründe dafür sind beim «Bünzli» Biedermann eine Mischung aus blindem Mitläufertum, Angst und Bequemlichkeit. Bis zum tragischen Schluss sieht der Protagonist nicht ein, dass er mit seiner Tatenlosigkeit Mitschuld an dem zerstörenden Feuer hat», sinniert Manuel Locher über seine Rolle. Solche Figuren zu spielen sei auch eine Persönlichkeitsentwicklung. «Da Biedermann so ziemlich das Gegenteil von mir selber ist, stellt seine Rolle eine grosse Herausforderung für mich dar.» Hilfreich sei jeweils die in der «Dachschadengesellschaft» traditionelle Figurenanalyse. «Jeder Schauspieler legt sich für seine Figur eine Biografie zurecht, auf die er sich während seines Spiels bezieht. So hat man das Gefühl, seine Rolle seit jeher zu kennen und den Werdegang derjenigen miterlebt zu haben.»

Nichts an Gegenwartsbezug eingebüsst

Eine ausführliche Rollen- und Stückanalyse ist auch für Regisseurin Kerstin Schult ein zentraler Faktor für den Erfolg eines Stückes. Gerade bei «Biedermann und die Brandstifter» sei der politische und historische Bezug zentral. Denn Max Frischs bekanntestes Drama ist ein Werk der Nachkriegszeit und rechnete damals mit der Blindheit des deutschen Volkes während des Naziregimes ab. Hitler und seine NSDAP hatten, genau wie die Brandstifter beim Fall von Gottlieb Biedermann, der Bevölkerung detailliert aufgezeigt, was sie vorhatten beziehungsweise was passieren wird und doch sind die Menschen kollektiv ins Verderben gerannt. Obwohl die Uraufführung des Stückes mehr als 57 Jahre her ist, habe «Biedermann und die Brandstifter» nichts an seinem Gegenwartsbezug verloren. «Im Gegenteil - Max Frisch thematisiert darin ein brennendes Thema, das heute wie früher genauso gut zutrifft», erklärt Schult und fügt nachdenklich an: «Genauer gesagt, ist es in der heutigen Zeit brisanter denn je. Wenn man bedenkt, was momentan in der gesellschaftlichen und politischen Welt abgeht, steuern wir direkt auf einen zweiten kalten Krieg oder gar einen dritten Weltkrieg zu.» Obwohl sie anfangs von der Inszenierung des Frisch-Klassikers nicht besonders angetan war, hat sie die Aktualität des Stückes dazu bewogen, ihre Meinung zu ändern. «Denn wie Biedermann zu seiner Zeit können auch wir heute mehr Zivilcourage vertragen. Dies beginnt bereits in der kleinen Zelle, beispielsweise mit einer toleranten Begegnung gegenüber fremden Kulturen und Religionen.»

«Wir wollen uns neu positionieren»

Doch nicht nur mit ihrem Jubiläumsstück, das vom 26. bis 29. November im Theaterstudio aufgeführt wird, feiert die «Dachschadengesellschaft» in diesem Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Auch präsentierten sich die Schauspieler der Theatergruppe in diesem Jahr an verschiedenen Lesungen beispielsweise an der Jubiläumsfeier des Knapp-Verlages oder beim Offenen Bücherschrank Olten. «Unser Ziel ist es, die «Dachschadengesellschaft» präsenter im Oltner Kulturleben zu positionieren», erklärt Vereinspräsident Manuel Locher. Auch in Zukunft soll die Theatergruppe somit auf dem Kulturplatz Olten anzutreffen sein.

 

«Biedermann und die Brandstifter»

Theaterstudio Olten

Mi, 25. Nov., 20.15 Uhr: Öff. Generalprobe

Do, 26. Nov., 20.15 Uhr: Premiere

Fr, 27. Nov. 20.15 Uhr: Aufführung

Sa, 28. Nov., 20.15 Uhr: Aufführung

So, 29. Nov., 19.15 Uhr: Aufführung

www.dsg-theater.ch

Weitere Artikel zu «Im Fokus», die sie interessieren könnten

Im Fokus28.02.2024

Wirz-Burri – Kolonialwaren und Delikatessen am Bifangplatz

Briefgeschichten Am Bifangplatz befand sich vor rund hundert Jahren an prominenter Lage der Laden zum «Bifanghof» von Paul Wirz-Burri. Die…
Im Fokus28.02.2024

«Unsere Lieder sind Medizin für unsere Herzen»

Olten Der Gedenkanlass «Zwei Jahre Krieg in der Ukraine» in der Stadtkirche wurde von weit über 200 Personen besucht.
Im Fokus28.02.2024

Gefrässig und vermehrungsfreudig

Asiatische Hornisse Die Verbreitung der Asiatischen Hornisse bedroht einheimische Bienenvölker. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Sichtungen zu…