Das Rätsel der Stele von der Däniker Studenweid

Briefgeschichten Der Oltner Archäologe Theodor Schweizer korrespondierte mit Emil Vogt, dem Konservator für Urgeschichte im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich.

Foto vom Steinkistengrab, wie Theodor Schweizer es in Däniken vorgefunden hat.

Foto vom Steinkistengrab, wie Theodor Schweizer es in Däniken vorgefunden hat.

Holzschnitt des Künstlers Walter Eglin für das Titelblatt von Theodor Schweizers Publikation «Urgeschichtliche Funde in Olten» von 1937.

Holzschnitt des Künstlers Walter Eglin für das Titelblatt von Theodor Schweizers Publikation «Urgeschichtliche Funde in Olten» von 1937.

Ausgrabung der Grabhügel in der Studenweid bei Däniken im Sommer 1946, vorne rechts kniend Theodor Schweizer, links neben ihm Lehrer Leo Fey, dahinter Max Humm.

Ausgrabung der Grabhügel in der Studenweid bei Däniken im Sommer 1946, vorne rechts kniend Theodor Schweizer, links neben ihm Lehrer Leo Fey, dahinter Max Humm.

Porträt des Urgeschichts-Archäologen Theodor Schweizer in der Uniform des Postbeamten.

Porträt des Urgeschichts-Archäologen Theodor Schweizer in der Uniform des Postbeamten.

Handschriftlicher Brief Theodor Schweizers vom 12. Januar 1947 an den Konservator Emil Vogt im Landesmuseum Zürich. (Bilder: ZVG)

Handschriftlicher Brief Theodor Schweizers vom 12. Januar 1947 an den Konservator Emil Vogt im Landesmuseum Zürich. (Bilder: ZVG)

Hier musste Theodor Schweizer widersprechen. Und zugleich ist in seinem Brief ein vorwurfsvoller Unterton nicht zu überhören. Sein Schreiben datiert vom Montag, den 12. Januar 1947. Empfänger war der Urgeschichtsforscher Emil Vogt in Zürich. Um was ging’s?

Theodor Schweizer war eigentlich Postbeamter von Beruf. Doch Eduard Häfliger, der damalige Kustos des Historischen Museums Olten, hatte den jungen Theodor Schweizer 1914 für die Ausgrabungen im Dickenbännli engagiert und sein Interesse an der urgeschichtlichen Archäologie gefördert.

Im Sommer 1943 entdeckte Theodor Schweizer in der nordöstlichen Ecke der Flussterrasse Studenweid in Däniken einen 75 Zentimeter hohen Grabhügel von etwa 20 Meter Durchmesser. Bedingt durch den Krieg konnte Schweizer die archäologische Grabung erst 1946 vornehmen. Dabei förderte er zwei neolithische (jungsteinzeitliche) Steinkistengräber zu Tage. In solchen Gräbern wurden vor gut 6000 Jahren die Toten in seitlicher Hockerstellung beerdigt, wobei der «Sarg» aus dünnen Sandsteinplatten bestand. Diese neolithischen Steinkistengräber von Däniken zählen zu den ältesten Grabfunden des Kantons Solothurn.

Das Besondere an den Gräbern in der Studenweid war, dass bei ihnen – anders als gemeinhin üblich – keine Deckplatte vorhanden war. Hingegen kam bei der Däniker Ausgrabung eine Steinplatte zum Vorschein, die sich genau in der Mitte zwischen den beiden neolithischen Steinkistengräbern befand.

Die Funktion der Steinplatte

Gerade an dieser aufrechtstehenden Steinplatte schieden sich die Geister. Wobei noch zu bemerken ist, dass es damals bei den Kantonen noch keine archäologischen Dienste (Kantonsarchäologie) gab. Die urgeschichtliche Bodenforschung war beim Schweizerischen Landesmuseum in Zürich oder bei den Universitäten angesiedelt. Deshalb stand Theodor Schweizer in engem Kontakt einerseits mit Doktor Walter Drack, bis 1945 Assistent am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Basel und später Kantonsarchäologe in Zürich, andererseits mit Dr. Emil Vogt. Vogt, der ebenfalls an der Uni Basel doktoriert hatte, war seit 1930 Konservator der Ur- und Frühgeschichte im Landesmuseum und Professor an der Uni Zürich. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Steinkistengräbern andernorts deuteten sie die Däniker Stele als Grabplatte.

Schweizers Brief

Ihnen widersprach nun Schweizer, der ja die Situation in der Studenweid Däniken aus eigener Anschauung bestens kannte. Er belehrte Emil Vogt in seinem Schreiben vom 12. Januar 1947: «Wie mir Herr Dr. Drack schrieb, sind Sie auch mit ihm der gleichen Meinung, dass diese Gräber Deckplatten hatten und dass die Stele eine solche Deckplatte sei.

Nun kann ich Ihnen folgendes mitteilen: Auch für mich war es eine Ueberraschung, [in der Grabung Studenweid bei Däniken] keine Deckplatten zu finden, besonders da die fundleere Schicht keine Schichtenstörung zeigte, überhaupt fand ich im ganzen Grabhügel keine einzige Stelle, die gestört war.

Die Stele befindet sich genau zwischen den beiden Gräbern, die innerkannt der Längsplatte genau 4 m auseinander liegen. Zudem steckte der Fuss der Stele 25 cm tief im gewachsenen Boden, also 25 cm tiefer als die Unterkannte der Grabplatte.

Wenn Herr Dr. Drack den Plan und die Nivelliermasse genau nachgesehen hätte, so wäre er nie auf den Gedanken gekommen, dass dieselbe später von einem Grab entfernt und ihrerseits als Stele benutzt [worden wäre].

Wir müssen uns nun mit den Tatsachen abfinden – ob es uns passt oder nicht. Andere Gegenden, andere Sitten, die Tatsachen sind doch schlussendlich massgebend.

Mit den besten Wünschen und Grüssen – Ihr ergebener Th. Schweizer».

Die Antwort kam postwendend

Emil Vogt antwortete prompt. Gemäss dem Registraturvermerk war Schweizers Brief am 13. Januar 1947 in der Kanzlei des Landesmuseums in Zürich eingetroffen, bereits am 15. Januar schrieb Konservator Vogt zurück. In einem Punkt beharrte er auf seiner Meinung, indem er schrieb: «Anderseits ist es sicher, dass die Steinkisten ursprünglich Deckplatten gehabt haben, denn dieses ist ein typisches Merkmal für die steinzeitlichen Steinkisten.» In Däniken waren sie jedoch im Laufe der Jahrtausende derart verwittert, dass sie nicht mehr sichtbar waren. Im zweiten Punkt hingegen gab er Theodor Schweizer recht, nämlich dass es sich bei der aufrechten Steinplatte nicht um einen Sargdeckel, sondern um eine separate Stele handelt.

Quellen: Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn (ADSO) Nr. 27 (2022), S. 11–30. Schweizer Nationalmuseum, Archiv der Archäologie: Korrespondenz 1947.

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