Das letzte Eigengewächs spielt in der Fremde
Was macht eigentlich? Er gilt als letztes Eigengewächs beim EHC Olten, musste den Klub aber am Ende der Saison 2020/21 verlassen – nach insgesamt 15 Spielzeiten im grün-weissen Dress. Nun schnürt der Thaler Diego Schwarzenbach seine Hockeystiefel seit mehr als einem Jahr für den EHC Basel.
Zweiter Anlauf. Und nun klappt alles wie abgemacht. Diego Schwarzenbach entschuldigt sich mehrfach. Am Vortag war er nicht zum vereinbarten Treffen erschienen. Er hatte den Termin schlicht vergessen.
Kann man es ihm verübeln? Der 35-jährige Thaler hat derzeit wahrlich viel um die Ohren: Eishockeyspieler, KV-Angestellter, Student, Ehemann. «Es ist intensiv, aber interessant momentan. Ich lerne jeden Tag etwas dazu.» Das Pensum im Hockey beziffert er auf rund 60, dasjenige in einem Büro in Oensingen auf 40 Prozent. Das Studium in Sportmanagement und Betriebsökonomie an einer Zürcher Fernfachhochschule kommt obendrauf; Beschäftigung an freien Abenden, an Samstagen. Einzig der Sonntag, der sei «heilig». Sei dann kein Spiel angesetzt, «mache ich am Sonntag gar nichts». Die Mehrfachbelastung ist er gewohnt. Mit Ausnahme weniger Jahre ging er neben der Sportkarriere stets einem Beruf nach.
Zukunft als Manager im Eishockey?
Schwarzenbach, der seit zweieinhalb Jahren verheiratet ist, hat spätestens seit der Berufsmatura und dem anschliessenden Studienbeginn im vergangenen Sommer die Zeit nach der Eishockeykarriere fest im Blick. Dass ihn mit seinen beiden Studienfächern eine Managementtätigkeit im Eishockeybusiness reizen könnte, stellt er nicht in Abrede. «Das wäre eine Option, etwas, das mir behagen würde.»
Als der Thaler am Ende der Saison 2020/21 seinen Herzensklub Olten verlassen musste, rückte das Karriereende bereits bedrohlich nahe. Zwar wäre sein Vertrag mit dem EHCO damals noch eine Saison weitergelaufen, doch beide Seiten verfügten über die Option, die Zusammenarbeit vorzeitig zu beenden. Die EHCO-Verantwortlichen machten davon Gebrauch. Schwarzenbach blickt ohne Gram zurück. Natürlich sei er enttäuscht gewesen. Den Entscheid aber habe er nachvollziehen können.
Die Punkteproduktion in den letzten beiden EHCO-Saisons entsprach mit 20 respektive 11 nicht mehr den Erwartungen – nicht jenen der Klubverantwortlichen, nicht seinen eigenen. Spürte er vielleicht als letztes verbliebenes Eigengewächs zu viel Druck auf seinen Schultern? «Eine gute Frage.» Schwarzenbach zögert mit der Antwort. «Ich glaube, die Erwartungshaltung von aussen war gar nicht so sehr das Problem. Ich habe mich manchmal selbst zu sehr unter Druck gesetzt. Eben weil es ‹mein› Verein war, wollte ich es manchmal zu gut machen.» Doch er habe dazugelernt. «Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Welt nicht untergeht, wenn man mal schlecht spielt. Aber lange kam bei mir halt nur Hockey, Hockey, Hockey.»
Ans Karriereende habe er nach dem unfreiwilligen Abgang beim EHCO vor anderthalb Jahren nie gedacht. Nie denken wollen. «Aber ich muss zugeben: Hätte es mit Basel nicht geklappt, hätte es sein können, dass ich gezwungenermassen hätte aufhören müssen, weil nichts mehr gepasst hätte.» Schwarzenbach wohnt mit seiner Frau in einem Eigenheim in Laupersdorf. Da ist der Kreis der in Frage kommenden Klubs recht überschaubar. Einen Wechsel zum Erzrivalen Langenthal etwa, versichert er glaubhaft, habe er nie ins Auge gefasst. Die Lösung mit Basel kam für ihn hingegen wie gerufen. «Im Nachhinein war das ein völlig richtiger Entscheid.» Er schränkt jedoch ein: «Wenn wir Ende letzter Saison mit Basel nicht aufgestiegen wären, hätte ich aufgehört.» Schwarzenbach ist noch immer ehrgeizig. Einfach noch ein bisschen «hockeylen» auf tieferer Stufe, ohne wirkliche Ambitionen, ist nicht sein Ding.
Seit 1992 trägt er den EHCO im Herzen
Die Liebe zum EHCO hat unter dem unfreiwilligen Abgang nicht gelitten. Sie währt bereits seit 30 Jahren. Als fünfjähriger Knirps verfolgt Klein-Diego erstmals eine Partie im Kleinholz – und lernt bald darauf das Hockey-ABC in Olten. Der talentierte Junior aus dem Thal wechselt als 14-Jähriger nach Bern. Da ihm jedoch der Durchbruch in der Bundesstadt verwehrt bleibt, kehrt er als knapp 20-Jähriger zurück und bleibt seinem Stammverein EHCO in der Folge treu. Einige wenige Einsätze absolviert er in der NLA für die Rapperswil-Jona Lakers, für Fribourg und für Langnau, jeweils als Leihspieler für wenige Tage. Und 2017 schliesst er sich für ein Jahr dem HC La Chaux-de-Fonds an, ehe er als gereifter Spieler zurückkehrt und ihm beim EHCO die produktivste Saison seit vielen Jahren gelingt. Schwarzenbach ist immer ein Offensivstürmer, einer, der vor allem an der Tor- beziehungsweise Punkteproduktion gemessen wird.
Nicht selten totalisiert er Ende Saison mehr als 40 Punkte auf seinem Konto. Die EHCO-Fans sehen das Eigengewächs in den insgesamt 15 Saisons in Grün-Weiss oft in Jubelpose. Momentan hadert der Flügelstürmer mit seiner Punkteausbeute. In den ersten 19 Partien dieser Saison realisierte er erst fünf Punkte. Zu wenig für seine Ambitionen, er erwartet mehr von sich. «Ja, sicher, das sind klar zu wenig Punkte. Aber ich wusste, dass ich mich zuerst wieder würde reinkämpfen müssen.» In der Swiss League ist das Stürmerleben rauer als im Unterhaus.
Auch für sein Team, den EHC Basel, sieht er Steigerungspotenzial. Obwohl als Aufsteiger derzeit auf einem Playoff-Rang klassiert, erhofft man sich mehr. «Aber wir scheitern oft an kleinen Fehlern, dummen Scheibenverlusten – und manche Dinge, die wir letztes Jahr noch machen konnten, funktionieren nun nicht mehr.» Letztes Jahr war der EHC Basel noch drittklassig gewesen. Als Ligakrösus gelang am Ende der Aufstieg – und Schwarzenbach konnte doch noch einen Meistertitel feiern. Etwas, das ihm beim EHCO eine Liga höher trotz vieler Anläufe stets verwehrt geblieben war.
Playoff-Begegnung mit EHCO droht
Momentan belegt Basel den achten Platz. Es ist der letzte Rang, der am Ende der Qualifikationsphase zur Playoff-Teilnahme berechtigen würde. An den Playoffs will Schwarzenbach selbstredend unbedingt teilnehmen. Aber da es derzeit an der Spitze nach einem Start-Ziel-Sieg des EHCO aussieht und der Achtklassierte im Playoff-Viertelfinal auf den Qualifikationssieger trifft, «droht» die Begegnung EHC Olten vs. EHC Basel. Für Schwarzenbach, der den EHCO in seinem Herzen trägt, alles andere als eine Wunschvorstellung. Zum Schluss des Gesprächs sagt er: «Ich hoffe einfach, dass wir nicht auf Olten treffen.»
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