Bio über dem Nebelmeer

Rebekka Strub arbeitet als Landwirtin auf dem Horn, ist als Kind mit dem Velo gerast, hat Suppe aus Brennnesseln gekocht, schwingt Pickel und Schaufel und lernt angesichts des Wiederaufbaus des abgebrannten Hofes, Geduld zu haben.

Tiefenentspannt. In den Armen von Landwirtin Rebekka Strub fühlt sich Kätzchen Lilly wohl. Eines Tages wird es als Hofkatze auf Mäusejagd gehen. (Bild: S. Furter)
Tiefenentspannt. In den Armen von Landwirtin Rebekka Strub fühlt sich Kätzchen Lilly wohl. Eines Tages wird es als Hofkatze auf Mäusejagd gehen. (Bild: S. Furter)

Die kleinen Katzen rasen durch die Baracke, balgen sich und kuscheln zusammen auf der Wolldecke. Daneben rumort die Kaffeemaschine. Auf dem Tisch stehen verschiedene Joghurt- sorten und eine Schale mit gedörrten Zwetschgen. Auf dem Wanderweg knabbern Kühe und Geissen am grünen Gras. Während die Gemeinde Hauenstein-Ifenthal von Nebelschleiern eingehüllt ist, scheint auf dem Horn die Herbstsonne. Hier hat Rebekka Strub ihre Kindheit verbracht. Hier lebt und arbeitet sie heute als Landwirtin. «Unser Bio-Bauernhof liegt zwar nicht über den Wolken, aber immerhin über dem Nebelmeer», schmunzelt die 36-Jährige. Die nächste Bushaltestelle «Trimbach Eisenbahn» ist rund dreissig Minuten Fussweg entfernt. «Beim Runterfahren vom Horn mit dem Velo ist so mancher Bremsklotz verbraten worden. Als Kinder haben wir wenig gebremst und sind kräftig in die Pedale getreten.»

Brennnesselsuppe und Seidenraupen

Die Kinder von damals sind heute erwachsen. Ihr älterer Bruder ist Elektroingenieur geworden, der Jüngere als Coach tätig. Rebekka Strub als «Sandwich-Kind» und einziges Mädchen hat von den Eltern den «Hof Horn» übernommen. Zuvor war sie fünfzehn Jahre lang als Landschaftsgärtnerin tätig, hat im Gastgewerbe gearbeitet und mehrere Kontinente bereist. «Ich habe das Wegsein gebraucht, um da zu sein.» In Frankreich hat sie in einer Seidenfabrik ausgeholfen und Brennnesselsuppe gekocht, um das Haushaltsbudget zu schonen. In Australien ist sie vom rosaroten Papagei der Besitzerin attackiert worden. Strub schüttelt etwas ungläubig den Kopf. «Jeden Morgen hat dieses Federvieh auf der Duschstange sitzend auf mich gewartet.» Den Flug nach Buenos Aires trat die Abenteurerin mit null Spanischkentnissen im Rucksack an. In Argentinien angekommen fand sie Unterschlupf in einer vegetarischen Hippie-Kommune. «Von der Meditation am Morgen ging mir den ganzen Tag das Mantra «Hare, Hare, Hare Krishna» nicht aus dem Kopf», erinnert sie sich lachend. Mit einheimischen Frauen hat sie in Bolivien Kartoffeln geschält. «Die Knolle war so unförmig, dass nach dem Schälen von der Kartoffel fast nichts mehr übrig war.» Der einzige Kontinent, den die 36-Jährige noch nicht bereist hat, ist Afrika. «Da ist mir «das Bauern» dazwischen gekommen.»

Zwetschgen aus Solarstrom

Eine rote Fleecejacke, dunkle Hosen mit grünen Aufnähern, braune Haare und eine dazu passende Holzbrille im gleichen Farbton ist die Arbeitskleidung der Landwirtin. «Zu sehen, wie das Gras spriesst, Früchte ernten zu können oder zu Fuss über das Land zu gehen, gibt mir das Gefühl, nah am Leben zu sein», beschreibt Strub die Faszination für ihren Beruf. Bereits bei ihrer Erstausbildung zur Landschaftsgärtnerin hatte sie als Frau mit Vorurteilen zu kämpfen. «Ich habe lange nach einer Lehrstelle gesucht. Dabei kann ich einen Pickel und eine Schaufel genauso gut schwingen «wie ä Gieu», also wie ein junger Mann», meint Strub mit Nachdruck. Ihre eigene Mutter war ihr ein Vorbild für Emanzipation. «Sie sagte oft zu unserem Vater, er solle uns Kinder baden, sie gehe derweil die Kühe melken.» Sich selbst beschreibt die Landwirtin als optimistisch, naturverbunden und reiselustig. Die gedörrten Bio-Zwetschgen in der Schale auf dem Tisch hat ihre Tante mit Solarstrom getrocknet. «Wir durften so viele Früchte ernten dieses Jahr, dass wir nicht genug Gläser hatten zum Einkochen. Mein Bruder hat im Laden das ganze Regal mit Einmachgläsern leer gekauft.»

Der Schmerz der Schwalbe

Mit ihrem Pferd reitet Rebekka Strub gerne aus, trifft Freunde oder verbringt Zeit mit ihren Patenkindern. Auch ist die Landwirtin im Vorstand des Aargauer Geissenzuchtverbandes. Ansonsten habe sie aber nicht viel Freizeit. «Landwirtin zu sein ist gleichzeitig mein Hobby und meine Berufung.» Wenn sie in der Baracke sitzend einen Kaffee trinkt, schaut sie gerne den kleinen Miezen beim Balgen zu. «Die Mutter der Kätzchen folgt mir auf Schritt und Tritt. Sie läuft mir nach wie ein Hund», erzählt Strub lachend. Die Baracke steht seit 2013 auf dem Horn. Seit dem Tag, der das Leben von Rebekka Strub in ein «Davor» und ein «Danach» eingeteilt hat. Am 8. August 2013 sind der Stall und das komplette Wohnhaus abgebrannt. Fünf Jahre später dauert der Wiederaufbau noch immer an. «Der Hofbrand war eine der schwierigsten und gleichzeitig lehrreichsten Erfahrungen für mich», sagt die 36-Jährige. Das ganze Hab und Gut der Familie fiel an diesem Tag den Flammen zum Opfer. Vom Bleistift bis zum Fotoalbum mit Babybildern haben die Strubs alles verloren. «Aber wir haben überlebt, dafür sind wir dankbar.» Als ihr Vater die Schwalben über der Brandstelle kreisen sah, habe er gesagt: «Den Schwalben haben die Flammen ihre Brut genommen. Wir hingegen haben nur Sachschaden erlitten.» Trotz Baracke und Not-WC will Rebekka Strub nach vorne schauen und das Beste aus der Situation machen. «Ich lerne, Geduld zu haben.»

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