Wo sich niemand eine Nummer wünscht
Hornussergesellschaft Rothrist-Olten 2003 schlossen sich die Rothrister und Oltner Hornusser zusammen. 19 Jahre danach geht es dem Verein gut. Über ein paar zusätzliche Mitglieder würde er sich aber durchaus freuen.
Wer Nouss, Ries oder Träf hört und nicht viel mehr als Bahnhof versteht, braucht sich kaum zu grämen. Den meisten Leuten dürfte es nicht anders ergehen. Im Gegensatz zum Schwingen profitiert Hornussen bisher nicht vom vermehrten Zuspruch, den urschweizerische Traditionen in den letzten Jahren erfahren. Hornussen fristet ein Nischendasein.
Und die Tendenz zeigt erst noch in die falsche Richtung. Fabian Senn, seit 2019 Präsident der Hornussergesellschaft Rothrist-Olten, erklärt: «Der ganze Verband kämpft gegen Mitgliederschwund. Darum hat er jetzt auch ein Programm lanciert, um die Förderung des Hornussersports voranzutreiben.» Was im ersten Moment für potenzielle Einsteiger abschreckend wirken mag, ist das Regelwerk. Für Laien ist dieses nicht einfach zu verstehen – zumal man sich zuerst mit den nur beim Hornussen gebräuchlichen Begrifflichkeiten auseinandersetzen muss. Wer die Anfangshürden mal gemeistert hat, darf sich aber über ein faszinierendes Hobby freuen. «Das Schönste an diesem Sport finde ich», führt der Rothrister aus, «dass man als Mannschaft zusammen in einer Wertung kämpft, gleichzeitig aber auch in einer Einzelwertung aktiv ist.»
Worum geht es denn nun bei dieser vornehmlich im Bernbiet populären Sportart? Zu vergleichen ist Hornussen am ehesten mit Baseball. Die unvollständige Kurzversion der Spielidee lautet in etwa so: Ein Schläger muss den Hornuss – ein kleines Kunststoffteil – mit Schwung möglichst weit ins Ries befördern. In diesem Trapez sind bis zu 18 Akteure der gegnerischen Mannschaft positioniert. Sie versuchen den Nouss mittels Holzschindeln abzufangen, der Fachbegriff dazu lautet «abtun». Je weiter der Nouss fliegt, desto mehr Punkte gibt es für den Schläger beziehungsweise dessen Team. Für die ersten 100 Meter gibt es keine Punkte. Viel entscheidender als die erzielte Länge ist für das Team indes das Gelingen des Abtuns. Gelingt es der verteidigenden Mannschaft im Ries nicht, den gegnerischen Nouss abzutun, wird ihr eine «Nummer» geschrieben. Jenes Team, das mehr Nummern auf sich vereinigt, verliert das Spiel. Bei Punktgleichheit entscheidet das Total der Schläge.
Zähe Angelegenheit zum Zuschauen
Hornussen ist, räumt selbst Senn ein, kein besonders zuschauerfreundlicher Sport. «Zweieinhalb, drei Stunden einem Spiel zuschauen, das kann langweilig sein. Ich verstehe, dass Hornussen nicht allzu viel Aufmerksamkeit erfährt.» Der 33-jährige Bauverwalter ergänzt: «Aber aktiv ist es eine coole Sache.» Und natürlich kommt auch das Gesellige nicht zu kurz. «Nach jedem Spiel wird zusammen gegessen, mit dem Gegner auch. So entstehen Freundschaften zu gegnerischen Mannschaften. Das gehört zur Kultur des Hornussens.»
Die Hornussergesellschaft Rothrist-Olten ist, wie ihr Name vermuten lässt, ein Fusionsprodukt. 2003 schlossen sich die bereits 1903 gegründeten Oltner Hornusser mit den 1979 gegründeten Sportskameraden aus Rothrist zusammen. Reibereien zwischen ehemaligen «Oltnern» und ehemaligen «Rothristern» habe es nach der Fusion nie gegeben. «Es hat immer gut harmoniert», so Senn.
Für Nachwuchs scheint gesorgt
19 Jahre nach der Fusion geht es dem Verein gut, aber nicht blendend. Der Präsident formuliert es so: «Er ist gesund aufgestellt. Wir können unseren Sport betreiben – wenn auch mit kleinen Abzügen.» Was er damit meint: Eine Hornussermannschaft besteht aus 16 bis 18 Akteuren. Die HG Rothrist-Olten weist derzeit 18 Aktivmitglieder auf, tritt in dieser Saison in der 3. Liga aber oft in Minderzahl an, mit offenkundigen Nachteilen also. Wegen anderweitiger Verpflichtungen stehen meist nur 13 oder 14 Personen im Ries. So müssen immer mal wieder Nummern eingesteckt werden.
«Es wäre wünschenswert, Ersatzspieler zu haben, einige Mitglieder mehr», sagt Senn. Doch es sei schwierig, neue Spieler zu akquirieren. «Aber wir zeigen uns immer wieder in der Öffentlichkeit, veranstalten zum Beispiel ein öffentliches Plauschhornussen oder machen mit an einer Gewerbeausstellung.» Anders präsentiert sich die Situation im Nachwuchsbereich. «So gut wie noch nie», freut sich Senn. Fünf Nachwuchsspieler – also unter 16-Jährige – sind momentan dabei. Hin und wieder schnuppern sie auch schon mal bei den Aktiven rein. Letztere decken eine Altersspanne von mehr als 50 Jahren ab. Die jüngsten Mitglieder sind 20 Jahre alt, die ältesten über 70.
Auch zwei Frauen helfen aktiv mit
Die beiden einzigen weiblichen Aktivmitglieder des Vereins hornussen selber nicht. Sie sind jedoch als Schiedsrichterin und Clubhauswirtin aktiv und nehmen auch im Vorstand Einsitz. Senn ist froh um die beiden Frauen im Verein. Lachend sagt er: «Das hilft, unsere verbissene Art ein wenig zu bändigen, unseren Übermut zu bremsen. Es ist schön, ein wenig Diversität in den Verein zu bekommen.» Die HGRO steht im Sommerhalbjahr fast jedes Wochenende auf einem Hornusserfeld im Einsatz. Aber auch im Winter sehen sich ihre Mitglieder regelmässig, etwa für einen Raclette- oder Bowlingabend oder ein Skiweekend. Dazu steht im Februar jeweils die GV an.
Der ganze Stolz des Vereins ist das Clubhaus, von Fabian Senn liebevoll «Hüttli» genannt. «Fast unser gesamtes Vermögen steckt in der Infrastruktur», erklärt er. Als Mietobjekt dient das Hüttli dem Verein auch als Einnahmequelle. Es ist gesäumt von Diplomen, Zinnkannen, Glocken, Treicheln oder Trinkhörnern. Allesamt Zeugen vergangener Erfolge. Und wer weiss, vielleicht kommt ja schon in diesem Sommer der eine oder andere Preis hinzu. Ein Plätzchen dafür fände sich bestimmt noch.