«Wir können von Indigenen nachhaltiges Leben lernen»
Mama Tierra/Incomindios Am Samstag, 16. Dezember erzählen die beiden Schweizer Non-Profit Organisationen Mama Tierra und Incomindios von ihren Tätigkeiten mit und für indigene Völker. Vorab erklärten die beiden NPO-Leiterinnen, warum gerade heute ein Engagement für Indigene fundamental wichtig sei - auch für die eigene Zukunft.

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen werden aktuell ungefähr 370 Millionen Menschen einem indigenen Bevölkerungsteil zugerechnet. Obwohl die UNO-Generalversammlung bereits im Jahr 2007 eine Deklaration für die Rechte der indigenen Völker verabschiedete, werden heute noch viele in ihrer Selbstbestimmung und in der Ausübung ihrer traditionellen Lebensart eingeschränkt. Ab und zu werden wieder Fälle dazu publik und rufen Proteste hervor. So beispielsweise die Kundgebungen gegen die Dakota Access Öl-Pipelines (DAPL), die in North Dakota (USA) durch die Gebiete des indigenen Stammes Sioux führen. Nachdem Obama den Bau im letzten Jahr gestoppt hatte, genehmigte der neue US-Präsident Donald Trump ihn wieder. Seit letztem Frühling fliesst bereits Öl durch die Rohre. Die Proteste führten zur grössten Zusammenkunft von «Native Americans» seit 1920 und riefen auch solidarisierende Naturschutzorganisationen sowie zivilgesellschaftliche Bewegungen auf den Plan. Denn der Bau stellte laut ihnen nicht nur eine erneute Missachtung der Rechte von indigenen Völkern dar, sondern stünde auch im direkten Kontrast zu einer nachhaltigen Energiepolitik.
Indigene als Hüter der Biodiversität
Auch Schweizer Vereine wie die Menschenrechtsorganisation Incomindios engagierte sich
gegen DAPL und gehört heute der sogenannten Divest-Bewegung an. Diese fordert Banken, Versicherungen und Regierungen dazu auf, sich aus geschäftlichen Projekten zurückzuziehen, sobald diese die Umwelt gefährden oder Menschenrechte verletzen. Seit 1974 setzt sich Incomindios immer wieder mit Protestaktionen für die politischen und gesellschaftlichen Rechte der indigenen Völker ein und besitzt seit über 14 Jahren den UNO-Beraterstatus (ECOSOC). Fokussiert hat sich die Organisation dabei auf Völker in Nord-, Mittel- und Südamerika. Für Maggie Haab, Kommunikationsverantwortliche von Incomindios, ist der Einsatz für indigene Völker stets auch mit dem Engagement für die Natur und gegen den Klimawandel gekoppelt. «70% der Biodiversität unserer Welt lässt sich auf indigenem Land finden. Sie sind sozusagen die Hüter unserer Biodiversität», meint Haab. Generell könnten westliche Länder in Sachen Nachhaltigkeit einiges von indigenen Völkern lernen. «Sie leben eher im Einklang mit der Natur und nehmen meist nur so viel von ihr, wie sie fürs Leben brauchen. Auch die UN-Sonderberichterstatterin Vicky Tauli-Corpuz meinte einst, die indigenen Völker könnten den Schlüssel dazu sein, unsere Umweltprobleme zu lösen.»
«Sie sollen stolz sein können»
Nebst Incomindios setzt sich auch der etwas jüngere Verein Mama Tierra in der Schweiz für die Selbstbestimmung von Indigenen ein. Die kleine Aargauer Non Profit-Organisation unter der Leitung von Katherine Klemenz wählt dazu jedoch einen weniger politischen und umso pragmatischeren Weg. Sie vertreibt Kunsthandwerk von Wayuu-Indigenen, die in der Wüste zwischen Kolumbien und Venezuela wohnhaft sind. «Die Wayuus lebten ursprünglich selbstversorgt durch die eigene Landwirtschaft. Wegen des enormen Wassermangels als Klimawandel-Folge wurden ihre Lebensumstände in den letzten Jahren stark erschwert», meint Klemenz. Durch den Verkauf von handgefertigten Accessoires wie Taschen oder Etuis soll diese Einkommenslücke gefüllt werden. Mittlerweile kooperiert Mama Tierra mit 70 Wayuu-Frauen, die in dem matrilinealen Volk für den Unterhalt ihrer Familie zuständig sind. «Durchschnittlich versorgt eine Mutter sieben Familienmitglieder. Also können bereits jetzt bis zu 500 Personen von unserem Projekt profitieren», meint Klemenz. Die Vereinsgründerin will jedoch nicht nur die finanzielle Lage der Wayuus verbessern, sondern auch ihre ethnische Identität stärken sowie ihre materielle Kultur, beispielsweise warum sie welche Muster verwenden, erforschen. «Sie sollen stolz auf ihr Handwerk sein können und durch die Verkäufe eine gewisse Wertschätzung erfahren, die ihnen zum Teil in der Gesellschaft verwehrt bleibt.» Klemenz spricht aus Erfahrung. Ihr Grossvater stammt selbst von Wayuu-Indigenen ab und wurde deswegen diskriminiert. «Er hat bereits in frühen Jahren gelernt, dass seine indigene Herkunft negativ assoziiert wird. Deshalb distanziert er sich heute enorm davon, was ich sehr schade finde.»
Vortrag im Cultibo
Wie die Tätigkeiten der beiden Non Profit-Organisationen konkret aussehen und wie Schweizer Bürger sie dabei unterstützen können, erzählen die zwei Aktivistinnen Maggie Haab und Katherine Klemenz am Samstag, 16. Dezember im Cultibo. Musikalisch begleitet werden sie dabei von der Oltner Soul-Sängerin und Mama Tierra-Mitglied Brigitte Neumärker aus Olten. Auch die Kunst- handwerke der Wayuu-Indigenen werden am Anlass erhältlich sein.
Cultibo
Sa, 16. Dezember, 14 bis 18 Uhr
<link http: www.incomindios.ch>www.incomindios.ch
<link http: www.mama-tierra.com>www.mama-tierra.com