Sie wollen einfach in Frieden treicheln
Treichle-Fründe Wartenfels Die Liebe zur Tradition zeigen sie ganz offenkundig: Die Treichle-Fründe Wartenfels aus Lostorf schwingen seit drei Jahren zusammen die Treichel-Glocken – auch wenn das Image des Treichelns seit dem lauten Auftreten der «Freiheitstrychler» einen schweren Stand hat. Davon lassen sie sich aber nicht entmutigen.
Ganz unscheinbar, im hinteren Teil der Balmisstrasse in Lostorf, sind die Treichle-Fründe Wartenfels beheimatet. Im Privatlokal von Thomas Annaheim treffen sich die zwölf Mitglieder des Vereins, darunter eine Frau, zu Anlässen oder Proben – «ganz ungezwungen», sagt der Vereinspräsident Ernst Wyss mit einem Lächeln.
Dass hier Freunde von Treicheln gastieren, ist unschwer zu erkennen: Schon auf den ersten Blick fallen zwei an der Decke hängende Treichel-Glocken auf. «Wir wollen die anderen Treicheln eigentlich auch noch aufhängen, dazu fehlt aber momentan die Zeit und das Material», erklärt Thomas Annaheim, der im Verein die Funktion des Kassiers innehat.
Aktuell besitzt der Verein zwölf Treicheln, eine für jedes Mitglied. Zur Beschaffung der vereinseigenen Treicheln, die noch gar nicht lange her ist, weiss Wyss zu erzählen: «Nachdem wir den Entscheid gefällt hatten, eigene Treicheln anzuschaffen, sind wir direkt nach Seedorf gefahren und haben da zwölf Treicheln bestellt. Und das ohne einen Rappen in der Kasse.» Die Lieferung habe sich dann aufgrund von mehreren unglücklichen Zufällen verzögert. «Im Frühjahr 2021 kamen die neuen Treicheln an, die Kosten übernahmen unsere Sponsoren», erklärt der Betriebselektriker. Gleich darauf fügt er an, eine Treichel koste zwischen 500 und 800 Franken. Ein laufendes Projekt sei, die Treicheln mit Riemen auszurüsten – ein weiteres teures Unterfangen. Denn wie Wyss erklärt: «Ein Riemen kostet gut 300 Franken zusätzlich.» Vor der Neuanschaffung hatte der Verein die Treicheln ausgeliehen. Es sei «schön, nun eigene Exemplare zu haben». Die neuen Treicheln konnte der Verein gleich bei einer Hochzeit in Seewen einweihen.
Gemeinsam in Küssnacht den Klaus jagen
Neben Hochzeiten beglückt der Verein auf Wunsch auch Leute, die ein Geburtstagsfest schmeissen oder sonst einen Anlass veranstalten. Dabei gibt sich der Verein mit einem «Häppli» als Gage zufrieden. «Die Sponsoren haben einen Treichel-Auftritt im Jahr zugute», erklärt Wyss. Der Gastgeber kann selbst entscheiden, wie oft die Treichel-Fründe am jeweiligen Fest auftreten und auf welche Weise getreichelt wird. Der zweifache Vater veranschaulicht genauer: «Häufig treicheln wir in Formationen und laufen beispielsweise einmal durch die Halle des Veranstalters.» Für manche Organisierenden läute das Treicheln einen Startschuss für ihre Party ein. Solche Engagements mit den Treicheln gibt es gemäss Wyss gut zehn Mal im Jahr, die vereinsinternen Treffen nicht mitgezählt.
Auf diese Treffen legt der Verein grossen Wert. Denn wie Wyss während des Gesprächs immer wieder betont, machen vor allem Freundschaft und Friede den Verein besonders. Es gäbe aber keinen festen Vereinskalender. «Wir treffen uns einfach, wenn es sich ergibt, und organisieren spontane Events über einen Gruppenchat. Vielleicht veranstalten wir noch in den Herbstferien ein geselliges Fondue-Essen», erklärt der leidenschaftliche Wanderer weiter. Mit den Proben läuft es ähnlich: spontan und sporadisch. Anforderungen an die Mitglieder gäbe es keine, nicht einmal mit Musik müssten sich Neuzugänge auskennen, wenn sie sich dem Verein anschliessen wollten. «Man muss gesellig und friedvoll sein – das ist alles, was uns wichtig ist», sagt Wyss dazu.
Hin und wieder besuchen die Mitglieder auch grössere Veranstaltungen, wie beispielsweise das Klausjagen in Küssnacht. Da treffen unter anderem rund 1200 Treichler aufeinander. «Das Dröhnen der Treicheln von allen Seiten schafft eine ganz spezielle Atmosphäre», schwelgt Wyss grinsend in Erinnerungen. Die Treichle-Fründe nehmen am Anlass nicht direkt teil, sondern sind schlichtweg da, um zu «geniessen», wie Wyss betont. Er hofft, dass ein Besuch beim Klausjagen auch heuer wieder möglich sein wird.
Mit den «Freiheitstrychlern» nichts am Hut
Mit dem Durchschnittsalter von rund 45 Jahren gehört die Gruppe eher zu den «jüngeren Vereinen», vier der zwölf Mitglieder sind um die 20 Jahre jung. Und das obwohl volkstümliche Bräuche in der heutigen Zeit eher als gefährdet angesehen werden. Dahinter vermutet Wyss einen bestimmten Grund: «Unsere Vereinsstrukturen sind nicht stur. Wie schon erwähnt, läuft bei uns alles spontan ab, es gibt keine fixen Daten.» Es mache auch nichts, wenn ein Mitglied bis zu vier Mal bei Proben oder Auftritten fehle. «Ich glaube, diese Flexibilität wissen die Jungen sehr zu schätzen», kommentiert Wyss. Auch der Mitgliederbeitrag betitelt der Vereinspräsident als «moderat» und somit auch «für die Jungen attraktiv». Ein Mitglied zahlt nämlich 50 Franken pro Jahr.
Und dennoch beobachten die Treichle-Fründe Wartenfels, dass die Tradition des Treichelns in Verruf gerät. Der Grund dafür sind die «Freiheitstrychler», eine Bewegung von Corona-Massnahmen-Kritikern. Viele deren Mitglieder leugnen die Pandemie und sehen die Demokratie unter den Corona-Massnahmen als gefährdet an, reden von einer Diktatur aus Bundesbern. Es käme des Öfteren vor, dass Leute die Treichle-Fründe Wartenfels mit den «Freiheitstrychlern» verwechseln oder sie gar gleichsetzen würden. «Das Einzige, was uns verbindet, sind die Treicheln. Sonst haben wir mit denen nichts am Hut», beteuert Wyss. Er sieht die Tradition durch das sinnentstellende Treicheln bedroht.
Trotzdem prophezeit er für den Verein eine «gute Zeit», vor allem wenn die Pandemie irgendwann ganz vorbei sein wird und die Vereinsaktivitäten wieder ihren Lauf nehmen können. «Ich freue mich auf all das, was noch kommen wird. Uns gibt es schliesslich erst seit 2019, wir haben noch viel vor.»