Olympia als gar nicht so fernes Fernziel
Classic Boxing Seit Anfang 2022 ist mitten in Olten ein Boxclub beheimatet. Dessen Mitglieder sind hauptsächlich Hobby-Sportler. Aber nicht nur: Für manche lautet das Fernziel sogar Olympiateilnahme.
Für seine liebste Freizeitbeschäftigung bringt Nexhmi Zenuni viele Opfer. An diesem Tag zum Beispiel verzichtet der bald 32-Jährige auf die Mittagspause. Wir treffen uns um 12 Uhr im Boxkeller zum Gesprächstermin. Um 13 Uhr wird er an seinen Arbeitsplatz in der SBB-Werkstätte zurückkehren. Dort ist der Familienvater aus Wangen bei Olten als Mechaniker beschäftigt.
Zenuni, dessen albanische Wurzeln in Nordmazedonien liegen, ist dem Boxen verfallen. Einst boxte der gebürtige Oltner während fünf Jahren beim Boxclub Aarau. Nach kurzer Auszeit lancierte er dann mit Anfang 20 seine Trainerkarriere. Und 2016 gründete er mit Kollegen und seinem Bruder Fuat Zenuni den Double AA Boxclub Aarburg. Seit dem ersten Tag fungiert Nexhmi Zenuni in einer Doppelfunktion als Präsident und Cheftrainer des Vereins. Dieser heisst inzwischen Classic Boxing – und ist nun in Olten zuhause.
Nachdem feststand, dass die in Aarburg gemieteten Räumlichkeiten einem Neubau würden weichen müssen, musste sich die Vereinsführung nach einem neuen Standort umsehen. Die Wahl fiel schliesslich auf ein Untergeschoss im ehemaligen EPA-Gebäude an der Oltner Frohburgstrasse. Die Einrichtung eines Boxkellers mit Garderoben und sanitären Anlagen nahmen die Vereinsmitglieder gleich selbst in die Hand. Während einiger Wochen entstand in Fronarbeit ein neues Vereinslokal. «Ohne die Mithilfe der Vereinsmitglieder wäre das nicht zustande gekommen. Finanziell wäre das anders gar nicht möglich gewesen. Ich bin enorm stolz auf die Leute, die geholfen haben», sagt Zenuni, der nach eigener Aussage vor allem die Rolle des Organisators und Edel-Handlangers übernahm. Oft sei er bis nachts um 2 Uhr auf der Baustelle gewesen. Mit einem Schmunzeln sagt er: «Die drei Wochen Bauphase haben mich drei Jahre älter gemacht.»
Seit dem Umzug Anfang 2022 heisst der Verein Classic Boxing. Der Name ist Programm. Im Oltner Verein wird ausschliesslich klassisches Boxen angeboten, also keine anderen Kampfsportarten wie zum Beispiel Kickboxen. Die allermeisten Mitglieder, erzählt Zenuni, seien Hobbysportler, die aus Freude an der Bewegung das Boxtraining besuchten. Unter den aktuell rund 165 Mitgliedern – darunter rund 25 Frauen und 15 Kinder – gibt es aber auch sehr ambitionierte, die von einer Boxkarriere träumen.
Mehrere heisse Eisen im Feuer
Classic Boxing verfügt derzeit über acht lizenzierte Boxer, die regelmässig in den Ring steigen. «Letztes Jahr waren wir in der Schweiz der Verein, der am meisten Kämpfe absolviert hat», sagt Zenuni. Alleine das derzeitige Aushängeschild des Vereins, der 19-jährige Gent Makaj, habe 2022 15 Kämpfe bestritten und heuer sogar schon mehr als 20. Er gehört dem Nationalteam an und konnte auch schon in Wettkämpfen im Ausland brillieren. Die weibliche Vorzeigeboxerin ist Céline Brügger, die 2022, in ihrem ersten Jahr als lizenzierte Boxerin überhaupt, auf Anhieb den Final der Schweizer Meisterschaft erreichte. Kürzlich eroberten zudem zwei jugendliche Boxer an der Schweizer Meisterschaft einen Titel – im Jahrgang 2005/06 in zwei unterschiedlichen Gewichtskategorien. Es waren die ersten beiden SM-Titel für den noch jungen Boxclub.
Der Präsident und Cheftrainer verfolgt mit seinem Klub hohe Ziele. Nichts weniger als die Olympiateilnahme 2028 mit einem seiner Schützlinge soll es sein. Letztmals hatte das ein Schweizer vor mehreren Jahrzehnten geschafft. Es ist ihm ernst: «Ich sage nicht mal, das sei ein Traum von mir. Es ist mein Ziel.» Dafür müsste Boxen dannzumal aber olympisch sein: Momentan figuriert die Sportart für 2028 noch nicht definitiv im olympischen Programm.
Der Verein lässt jedenfalls nichts unversucht. Neuerdings arbeitet er mit einem Mentaltrainer zusammen. Denn in diesem Bereich, im Mentalen, ortet Zenuni das grösste Steigerungspotenzial. Zum Beispiel bei Aushängeschild Makaj: «Er ist sehr, sehr gut. Sehr schnell, sehr flink, physisch top, schlägt in seiner Gewichtskasse sehr hart. Aber psychisch gibt’s noch viel Verbesserungspotenzial.»
An der Wettkampfhärte feilt Gent Makaj auch im Ausland. Am kommenden Wochenende zum Beispiel in Schweden. Weitere drei Boxer aus der Oltner Talentschmiede werden ihn begleiten. Nexhmi Zenuni wird wie so oft als Betreuer mitreisen. Sein Aufwand ist ohnehin beträchtlich. «Ich bin in jedem Training dabei», sagt er. Von Montag bis Donnerstag steht Zenuni jeden Abend im Boxkeller. Das Angebot umfasst gemischte Trainings sowie solche nur für Frauen und für Kinder. Insgesamt leiten vier Trainer die Übungseinheiten.
Boxmeeting in Olten im Oktober 2024
Das Boxen erlebt in Olten gerade einen Boom. Die Trainings platzen teilweise aus allen Nähten. Nun reagiert der Verein: Seit dieser Woche wird jeweils am Dienstag ein zweites Training angeboten. Zenuni erklärt die Beweggründe: «Kürzlich nahmen 64 Personen an einem Training teil. Das Problem dabei war weniger der Platz als vielmehr das Führen von 64 Leuten gleichzeitig. Dadurch nimmt die Qualität ab. Und Boxen ist eine Kampfsportart, da kann man sich schnell mal verletzen.»
Als Ergänzung zum Trainingsbetrieb treffen sich die Vereinsmitglieder neben der GV jeweils im Sommer zu einem Grillfest und im Winter zu einer weiteren gemeinsamen Aktivität. Und übrigens: In knapp einem Jahr, am 12. Oktober 2024, können sich Interessierte in Olten selber ein Bild von der Faszination Boxsport machen. Classic Boxing wird dann erstmals als Organisator in Erscheinung treten und im Kulturzentrum Schützi ein internationales Boxmeeting veranstalten.