«Kulturschaffen ist nicht nur Luxus»
Pro Kultur Olten Mit einer Umfrage unter ihren Mitgliedern hat Pro Kultur Olten einen ersten Schritt zu mehr Transparenz und handfesteren Argumenten in der Kulturarbeit unternommen. Mehr Sichtbarkeit für Kulturschaffende kann gerade in Zeiten von Corona existenziell sein.
Die zweite Corona-Welle ist da, die verschärften Massnahmen ebenfalls. Eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen wurden abgesagt und die Kulturschaffenden, die noch Veranstaltungen durchführen oder ihre Türen geöffnet halten, versuchen derweilen zwischen Eigenverantwortung und Schadensminderung einen Weg zu finden. Kein einfacher, wie dies auch die Pro Kultur Olten-Vorstandsmitglieder Sarah Wimmer und Daniel Kissling bestätigen. Aus persönlicher Sicht habe sie den Lockdown im Frühling als entschleunigend empfunden, erzählt die Fotografin. Die jetzige Situation sei nun jedoch viel schwieriger: «Man kann einiges unternehmen, sollte aber zu Hause bleiben. Diese Eigenverantwortung manövriert viele in ein Dilemma.» Coq d’Or-Geschäftsführer und Parlamentsmitglied Daniel Kissling spürt inzwischen den Konzertentzug und vermisst das Zusammenkommen von Leuten in grösserem Rahmen. «Ich bin zwar nicht ein riesiger MIO-Fan, trotzdem ist es stets ein schönes gesellschaftliches Zusammentreffen», zeigt Kissling auf.
Dilemma Eigenverantwortung
«Bei der ersten Welle war der Lockdown eine klare Ansage mit einem sich abzeichnenden Ende. Ein solches ist nun nicht in Sicht», zeigt Kissling eine grosse Schwierigkeit auf und fügt an: «Manche mussten bereits zum zweiten Mal absagen, wie beispielsweise das Team der Kabarett Tage Olten. Nach der Absage im Frühling wollte es im Herbst wenigstens ein Bonsai-Festival durchführen und musste nun auch auf dieses wegen der verschärften Massnahmen verzichten. Im Weiteren stellt sich auch die Frage, ob die Kabarett-Tage im Mai überhaupt stattfinden können.» Anlässlich der im Sommer/Herbst durchgeführten Umfrage bei den Pro Kultur-Mitgliedern hätten viele geäussert, dass sie erst im Herbst 2021 eine Normalität erwarten würden. «Momentan besteht die Schwierigkeit, dass man nicht weiss, wie viel Werbung man für einen Event machen darf oder soll, weil lediglich 30 Personen zugelassen sind und man einerseits die Pandemie-Massnahmen, aber andererseits auch eine Schadensminderungspflicht mittragen will», zeigt Kissling das Dilemma auf. Zudem verfasse man arbeitsreich ein Schutzkonzept, um schliesslich die Veranstaltung doch absagen zu müssen oder man führe den Event durch und es würden kaum Besucher kommen. «So oder so, der Mehraufwand ist immens und am Schluss bleibt wenig oder gar ein Minus», weiss Kissling auch aufgrund der getätigten Umfrage und betont die Wichtigkeit von treuen Sponsoren.
Die Scham
«Hinzu kommt, dass sich zwei Lager gebildet haben. Personen, die auch heute Kulturveranstaltungen besuchen, sind vermehrtem Druck der Gesellschaft ausgesetzt», erzählt Wimmer, die regelmässig Theatervorstellungen besucht und bezeichnet diese Entwicklung als eine Art Veranstaltungs-Besuch-Scham. Dabei sei es solidarisch, wenn man Kultur auch in diesen schwierigen Zeiten unterstütze, findet Kissling, der nicht weiss, ob ein zweiter Lockdown besser gewesen wäre. «Heute werden Schuldige gesucht, wie beispielsweise die Club-Szene», betont Wimmer und Kissling fügt an: «Im Frühling gab es Hilfsaktionen wie «Jedes Ticket zählt» auf Eventfrog oder Plattformen, um für Risikogruppen einzukaufen. Von dieser Solidarität ist nicht mehr viel zu spüren.» Aus der Not seien aber auch viele spannende neue Veranstaltungen oder Auftrittsmöglichkeiten entstanden, so Kissling, wie beispielsweise Live-Streams von Garten- und Wohnzimmerkonzerten.
Grosse Diversität
Trotz der durchgeführten Umfrage zu ihrer Situation sei die Frage, wie schwer es die Kulturschaffenden tatsächlich getroffen habe schwierig zu beantworten, da eine grosse Diversität bestehe. «Ein Freiwilligenverein kann diese Zeit besser überbrücken, als ein professionelles Unternehmen, das von seinen Einnahmen leben muss. Da wird es plötzlich existenziell», betont Kissling. Angesprochen aufs Coq d’Or meint er: «Wir haben letzte Woche nochmals die Öffnungszeiten reduziert, dies neben Kurzarbeit. Problematisch ist es, weil unser Hauptklientel wegfällt, denn die Studenten, die sonst regelmässig das Coq besuchen, sind momentan wieder zu Hause. Ausserdem spüren wir die Schliessung um 23 Uhr.» Zwar wurden und werden einige Unterstützungsgelder zur Verfügung gestellt, doch auch in diesem Bereich zeigt sich die Schwierigkeit des breiten Tätigkeitsfeldes. Am 20. März hatte der Bundesrat 280 Millionen Franken für das Kulturschaffen zur Verfügung gestellt. Nachdem das Covid-19-Gesetz Ende September in einer Schlussabstimmung vom Parlament gutgeheissen wurde, wurden nochmals 20 Millionen Franken für die Kultur gesprochen und für das 2021 stellt der Bund den Kantonen 100 Millionen Franken für die Unterstützung von Kulturunternehmen zur Verfügung. Unterstützungsgelder wären also vorhanden, doch zeigt sich beim Blick auf die verschiedenen Links, dass ein Dschungel an Bürokratie auf die Kunstschaffenden wartet. Kann Pro Kultur Olten den Kunstschaffenden eine Hilfestellung beim Beantragen von Unterstützungsgeldern geben? «Wir können helfen, indem wir Links vermitteln», antwortet Kissling. Mehr sei für den ehrenamtlichen Verein aber nicht zu stemmen. «Dafür wäre nun eine Kulturfachstelle hilfreich», wirft Wimmer ein und spielt auf die einst vom Volk abgelehnte Fachstelle an.
Zahlen und harte Fakten
Die Umfrage vom Sommer/Herbst sei nun der erste Schritt hin zu mehr Statistiken. «Leider gibt es im Kulturbereich noch nicht so viele Zahlen und in Olten fehlen diese gänzlich», erklärt Kissling. Deshalb sei es nun ein aktives Bestreben von Pro Kultur Olten, Zahlen zusammenzutragen. «Wir möchten beispielsweise aufzeigen können, wie viele Branchen von kulturellen Veranstaltungen profitieren, schliesslich gewinnen durch eine lebendige Stadt auch die Gastronomie, Getränkehändler, Hotels oder Caterer», betont der Coq d’Or Geschäftsführer. Pro Kultur Olten möchte damit auch gegenüber der Politik eine starke Lobby mit handfesten Argumenten werden. Zudem hat der Verein aus der Anfangs Jahr lancierten ersten Kulturkonferenz weitere Themen, wie die Vernetzung oder die Sichtbarkeit mitgenommen, die aktuell jedoch etwas schwierig anzugehen sind. Corona hatte jedoch auch den Effekt, dass sich verschiedene lokale Kulturverbände für gemeinsame Aktionen, wie den Kulturbrief an den Bundesrat, den auch Pro Kultur im Frühling unterschrieben hat, zusammengeschlossen haben. «Kulturschaffen ist nicht nur Luxus, sondern es ist wichtig in die Branche zu investieren», betont Kissling. «Doch leider hat die Stadt Olten im Gegensatz zu anderen Städten, abgesehen von Gratisparkplätzen und der Erweiterung von Aussengastronomieplätzen für die Kultur kaum Hilfestellungen in der Coronazeiten gegeben», bemängelt das Parlamentsmitglied und fügt an: «Dabei gibt es Möglich-keiten, um auch den Kulturschaffenden eine gewisse Unterstützung und Wertschätzung entgegenzubringen. Dies beispielsweise mit einem von der Stadt Olten ausgeschriebenen Ideenwett-bewerb zur Frage, wie sich das Kulturschaffen nach der Coronakrise ent-wickeln könnte. Ich wünsche mir, dass die Kultur im Stadthaus nicht vergessen geht und als selbstverständlich betrachtet wird.»