Holzköpfe mit Eigenleben
Dorfmuseum Lostorf Das Dorfmuseum Lostorf zeigt Skulpturen von Herbert Niederreuther. Der ehemalige Schuhdesigner schafft aus feinen Linien Holzköpfe mit Eigenleben.
Wie formgewordene Schatten stehen die Skulpturen im Raum. Manche blicken in die heimelige Dachschräge des obersten Stocks im Dorfmuseum Lostorf. Andere wiederum verdoppeln sich in ihrem eigenen Schattenwurf auf den weissen Wänden hinter ihnen. Fein geschwungene Linien lassen Köpfe erkennen, formen Gesichter, die bei langem Hinsehen einen eigenen Ausdruck entwickeln. Die Poesie dieser Skulpturen entsteht im Auge des Betrachters. Denn ohne dessen fokussierten Blick verschwindet sie im unendlichen Schwarz ihrer Oberfläche.
So ist es denn ein fragiles, aber lohnenswertes Erlebnis, das der Lostorfer Künstler Herbert Niederreuther seinem Publikum im Dorfmuseum Lostorf beschert. Die Ausstellung eröffnet am kommenden Sonntag, 2. Mai – wegen der Coronapandemie ohne Vernissage. Der Künstler selber wird aber anwesend sein.
So wird Niederreuther dann erzählen können, wie er dazu kam, Silhouetten aus Birkensperrholz zu schöpfen. «Ich bin ein alter Klaus», winkt der Künstler die Frage nach seinem Alter ab. Die gegen zwanzig ausgestellten Skulpturen sind das Resultat aus zehn Jahren Arbeit. Damals entstand die erste Kopfskulptur. «Als Geschenk zum Geburtstag meiner Frau», sagt Niederreuther. «Dann hatte ich Blut geleckt.» Er taufte die Skulptur Andromeda, nach dem Sternbild, das wiederum von den antiken Griechen nach einer Prinzessin aus deren Mythologie benannt wurde. Seither gibt Niederreuther all seinen Köpfen Namen von Himmelskörpern. Er schaue gerne in den Himmel, erklärt er. «Himmelskörper sind fantastische Gebilde. Ihre Namen haben etwas Magisches.»
Erstmals Skulpturen im Dorfmuseum
Die Ausstellung im Dorfmuseum Lostorf ist erst Niederreuthers dritte. Sie passt dermassen gut dahin, dass es fast erstaunt, dass sie erst jetzt stattfindet. Denn der Verein Dorfmuseum Lostorf bemüht sich um lokale Künstler. «Wir haben hier ein sehr hohes Niveau», sagt Rolf Kohler. Der 77-Jährige ist Gründungsmitglied des Vereins und betreut die jährlichen Kunstausstellungen. Er freue sich, nach acht Jahren mit Bildern und einem mit Fotos nun auch einmal Skulpturen auszustellen.
Auf Niederreuther traf Kohler schon, als dieser seine ersten Holzköpfe schuf. Der Künstler darf für seine Arbeit das Atelier des Lostorfer Antikschreiners Bruno Spinnler nutzen. Kohler erinnert sich an seinen ersten Eindruck von Niederreuther im Schreineratelier: «Er schliff wie wild an der Skulptur herum.» Bei der Arbeit sei er fanatisch, sagt der Künstler. «Manchmal kann ich nicht mehr aufhören.»
Schon für 2020 geplant
Schliesslich vermittelte aber der Maler Jürg Meyer, der 2018 im Dorfmuseum ausstellte, den Kontakt zwischen Kohler und Niederreuther. Daraufhin besuchten Kohler und Niederreuther dessen damalige Ausstellung in Aarburg. Kohler war auf Anhieb begeistert von den Köpfen. «Je länger man hinschaut, desto mehr Eigenleben entwickeln die Skulpturen.» Für ihn sei sofort klar gewesen, dass er Niederreuther im Dorfmuseum ausstellen wolle.
«Eigentlich hatten wir für 2020 die Ausstellung schon parat», sagt Kohler. Wegen der Coronapandemie musste das Dorfmuseum jedoch geschlossen bleiben. «Jetzt wollten wir endlich wieder etwas machen.» Das Schutzkonzept sieht vor, dass sich maximal fünf Personen gleichzeitig im Ausstellungsraum aufhalten. «Wir haben einen Warteraum eingerichtet, falls mehr als fünf Personen gleichzeitig in die Ausstellung wollen.» Mit zehn Besuchern pro Sonntag sei er zufrieden, blickt Kohler voraus.
Sorgfältige Handarbeit
«Die Dynamik kann man nicht planen», sagt Niederreuther über die bewegten Linien seiner Köpfe. Dabei entstehen die Skulpturen in sorgfältiger Handarbeit. Zuerst zeichnet Niederreuther einen Querschnitt in Originalgrösse. Den unterteilt er in 24 Millimeter dicke Streifen, exakt die Dicke der Birkensperrholzplatten. Auf diese überträgt er dann die einzelnen Querschnitte und sägt sie mit der Laubsäge von Hand aus. Die einzelnen Plattenstücke schichtet er aufeinander, verleimt und verschraubt sie. Mit Fräse, Raspel und Schleifpapier verfeinert er dann die Konturen. Dann grundiert und beizt er die fertigen Formen.
Sein Gespür für Linien und den Umgang mit Holz entwickelte Niederreuther in seinem vormaligen Beruf. Als Schuhdesigner und -modelleur arbeitete er lange Jahre für die Schönenwerder Firma Bally, bevor er ab Ende der 90er-Jahre auch unter eigenem Label Schuhkollektionen produzierte. Niederreuther zeichnete unzählige Prototypen und schuf die entsprechenden Leisten aus Holz. «In den Flughäfen habe ich immer Silhouetten von Köpfen beobachtet», erzählt er von den vielen Reisen, die er als Schuhdesigner unternahm. Diese Eindrücke wurden schliesslich zu den Vorlagen für seine heutigen Skulpturen.
Skulpturen von Herbert Niederreuther
Jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr
Von 2. Mai bis 27. Juni
Dorfmuseum Lostorf