Die Stimme der Oltner Obdachlosen

Schlafguet Olten Der Oltner Verein Schlafguet setzt sich unermüdlich für eine Notschlafstelle ein. Dabei sucht er stets den Kontakt mit der Bevölkerung, um Bedenken zu diskutieren. Vergangene Woche hatte der Verein zu einer Informationsveranstaltung eingeladen.

Der Verein Schlafguet, der sich seit 2017 für eine Notschlafstelle in der Region Olten einsetzt, hatte am Mittwoch vergangener Woche in die Pauluskirche zu einer Infoveranstaltung zum Thema Obdachlosigkeit eingeladen. Dabei stellte Timo Probst, Co-Präsident des Vereins, den rund 40 Interessierten das Projekt Bleichmattstrasse 21, wo der Verein eine Notschlafstelle plant, vor und informierte über den aktuellen Stand der Dinge: «Im Moment ist nach wie vor eine Beschwerde beim kantonalen Bau- und Justizdepartement hängig, auf deren Beantwortung gewartet wird.»

Simone Altermatt-Dietrich, ehemalige Mitarbeitende der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, informierte über die Studie «Obdachlosigkeit in der Schweiz». Erstmalig liegen für die Schweiz Eckwerte und Kennzahlen vor, die Obdachlosigkeit numerisch fassbar machen. In der Schweiz sind rund 2700 Personen von Obdachlosigkeit betroffen, wobei die Durchführenden der Studie von einer hohen Dunkelziffer ausgehen.

Weiter zu Wort kam an der Informationsveranstaltung Stefan Haun, Bereichsleiter «Auffangen» des Sozialwerks Pfarrer Sieber in Zürich. Das Zürcher Sozialinstitut unterhält insgesamt drei Notschlafstellen und bietet kombiniert rund 80 Plätze für Menschen in Not an. Stefan Haun erklärte, wie der Kontakt mit der Nachbarschaft funktioniert – auch in Zürich liegen die Notschlafstellen in Wohnquartieren – und erzählte aus dem Alltag.

Im Anschluss an die Referate ergab sich eine angeregte Diskussion. Im Zentrum standen dabei die Ängste der Anwesenden, ob das Projekt an der Bleichmattstrasse mit den Bedürfnissen der Nachbarschaft vereinbar sei. Der Vorstand von Schlafguet führte dazu aus, dass das Projekt nur in engem Austausch mit der Nachbarschaft funktionieren könne. Die professionelle Leitung der Notschlafstelle werde allen Ansprechpersonen jederzeit ein offenes Ohr bieten können, um Anliegen, Beobachtungen und Sorgen zu platzieren. Dies unterstrich auch Cyril Jeger, der an der Infoveranstaltung die Sicht der Eigentümerschaft der Liegenschaft darlegen konnte. Die Stiftung «Raum für Soziale Projekte» suche ebenfalls das Einvernehmen mit der Anwohnerschaft und werde das Pilotprojekt eng mitverfolgen.

Der Abend wurde durch Moderator John Steggerda geschlossen, der alle Anwesenden dazu einlud, «mutig und offen zu bleiben». Er sei überzeugt, dass im Gespräch mit potenziellen Gästen der Notschlafstelle, deren Lebensgeschichten und Schicksale für das eigene Leben bereichernd sein können. Im Anschluss an die Diskussion genossen alle Anwesenden einen kleinen Apéro.

Langwierige Suche

Der Verein Schlafguet wurde von rund 50 Personen aus Kirche, Politik und Kultur gegründet. Vorgängig hatte das Oltner Stadtparlament eine Interpellation zum Thema Notschlafstelle diskutiert, die aber verworfen wurde. «Unter anderem aus dieser Ablehnung ist die zivile Initiative entstanden», sagt Timo Probst im Gespräch mit dem «Stadtanzeiger». «Es liefen verschiedene Bestrebungen, Unterkünfte für Obdachlose zu finden, gerade auch in der Marienkirche. Ein erstes Projekt war beispielsweise ein sogenannter Schlafpavillon in einem Aussengebäude hinter der Marienkirche. Die Kirche hatte die Räumlichkeiten aber anderweitig verwendet.» Als Probst 2019 neu in der Vorstand kam, wurde auch über mobile Übernachtungsmöglichkeiten oder die Einmietung in Firmengebäude diskutiert. Dann kam die Stiftung «Raum für Soziale Projekte» ins Spiel, welche die Liegenschaft an der Bleichmattstrasse erwerben konnte. «Wir wurden angefragt, ein Konzept zu erarbeiten.» Aufgrund mehrerer Beschwerden, die eingereicht wurden, steht das Projekt nun auf der Stelle. «Wie sich jetzt an der Informationsveranstaltung wieder gezeigt hat, ist es wichtig, das Gespräch mit der Nachbarschaft zu suchen.» Weil die Aufgaben des Vereins stets zunahmen, wurde der Vorstand auf neun Personen erweitert sowie für den Bereich Fundraising eine Person angestellt.

Fehlendes Netz

Auf die Frage, was seine Motivation sei, sich für den Verein einzusetzen, sagt Probst: «Sie ist vorwiegend politischer Natur. Der Staat sollte gewisse Leistungen im sozialen Bereich übernehmen», sagt der 27-Jährige, der für die Junge SP im Oltner Gemeindeparlament sitzt. Und er sagt weiter: «Wir leben in der Schweiz in einem Wohlfahrtsstaat mit extremem Reichtum, trotzdem gibt es bei uns Obdachlosigkeit. Das ist widersprüchlich.» Aus Gesprächen mit von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen, weiss er: «Diesen Menschen fehlt oft das soziale Netz, um bei jemandem unterzukommen. Das ist etwas, was sich viele Leute nicht vorstellen können.»

www.schlafguet-olten.ch

Weitere Artikel zu «Vereine», die sie interessieren könnten

Vereine20.12.2023

Traditionsreiche Pflegestation im Vögeligarten schliesst ihre Tore

Volièreverein Olten Der Volièreverein Olten schliesst die Pflegestation für einheimische Wildvögel im Oltner Vögeligarten. Damit ist der Verein in…
Vereine13.12.2023

Starke Powermänner

Sportpress AG/SO Das zweite Chlaus-Kegeln des Vereins Sportpress AG/SO war richtig edel. Einerseits dank den tollen offerierten Preisen,…
Vereine13.12.2023

Herzblut für Musik und Menschen

Vereinsmensch Marga Leuenberger hat als langjähriges Mitglied im kleinen Vorstand des Stadtorchesters Olten viele Aufgaben zu bewältigen. Trotz der…