Das Märchen erwacht aus dem Tiefschlaf
Märlibühni Trimbach Zwei Jahre lang musste die Märlibühni Trimbach coronabedingt auf ihre jährliche Aufführung im November verzichten. Nun freut sich der Verein auf sein Comeback und steckt mitten in den Vorbereitungen für die nächste Darbietung.
Eine Scheune mitten in Trimbach – von aussen wirkt der alte, marode Bau nur wenig «amächelig». Doch öffnet die Vereinspräsidentin der Märlibühni Trimbach, Barbara Fiordiriso, die schwer zu öffnende Türe, weht einem ein spürbarer Wind voller Nostalgie entgegen. Auf engem Raum stehen hier Hexenbesen, Pappfelsen und Bäume aus Karton, orientalische Wunderlampen sowie andere Bühnenrequisiten. Es ist die Schatzkammer der Märlibühni – und ein Paradies für Märchenliebhaber.
«Die Königssessel haben wir neu in unserem Sortiment», erklärt Fiordiriso mit einem Schmunzeln und setzt sich zum Gespräch auf eine der erwähnten Sitzgelegenheiten. Die 39-Jährige ist Fan von Räuber Hotzenplotz und Co. Kein Wunder also, dass sie schon seit zehn Jahren als Vereinspräsidentin der Märlibühni amtiert. Neben ihr betiteln sich auch um die 30 andere Vereinsmitglieder als «Märchen-Fans». Sie beschreiben sich auf ihrer Website als «bunt durchmischte Gruppe». «Bei uns machen die verschiedensten Leute mit, von Pädagoginnen bis hin zu Schreinern und Zimmermännern», sagt Fiordiriso. Anforderungen, um im Verein mitwirken zu können, gibt es keine. Denn die Schauspieler der Märlibühni sind alles Laien, die hobbymässig auf der Bühne stehen.
Kurz, aber intensiv
Bei der Märlibühni können also alle, die für eine kurze Zeit in eine andere Rolle schlüpfen wollen, ihr Lampenfieber auf die Probe stellen und Bühnenluft schnuppern. Der Verein weist eine «gute Männerquote» auf, wie Fiordiriso weiter erklärt. Das Männer- und Frauenverhältnis schätzt die zweifache Mutter auf 50 zu 50 Prozent. «Und das, obwohl man in einem Verein, der vor allem kreativ wirkt, eher mit einer tieferen Männerquote rechnet», fügt Fiordiriso lachend an. Viele kämen direkt von der Jubla, weil sie mit ihren Gspänli weiterhin einem Hobby nachgehen wollten. Dadurch profitiert der Verein laufend von jungen Neumitgliedern. «Wir gehören zu den Vereinen, die keine Nachwuchsprobleme haben», beobachtet sie. Das Durchschnittsalter beziffert Fiordiriso mit 30 bis 35 Jahren.
Das grosse Interesse erklärt sich die Pflegefachfrau mit dem beschränkten Zeitaufwand, der mit einer Mitgliedschaft einhergeht. Denn unter dem Jahr gebe es keine Termine. Erst nach den Herbstferien geht es mit den Proben los, zwei Mal die Woche werden von da an Texte gelernt und das jeweilige Stück geprobt. Dann geht es in der letzten Woche vor dem Wochenende der Aufführung ans Eingemachte. «In dieser Probewoche üben wir jeden Abend, da wird es manchmal schon auch spät», sagt Fiordiriso dazu. Eine kurze, aber intensive Phase, die sich lohne.
Zurück aus dem Corona-Winterschlaf
Die letzten beiden Jahre ohne November-Märli seien hart gewesen. Das Budget des Vereins ist laut Fiordiriso so ausgelegt, dass die Aufführungen höchstens einmal ausfallen können – nicht aber zwei Jahre am Stück. Doch dank eines über die letzten Jahre angelegten finanziellen Polsters kam der Verein über die Runden. «Trotzdem war es nicht einfach, da wir keine zusätzlichen Spenden und Hilfsmittel bekommen», fügt die Trimbacherin an. Von den speziellen Konditionen für die Benützung des Mühlemattsaals abgesehen. Fiordiriso erklärt genauer: «Als Verein mit Sitz in Trimbach dürfen wir den Mühlemattsaal zu einem günstigeren Preis benützen. Das kommt uns jeweils in der Probewoche im November sehr entgegen, da wir in dieser Woche bereits auf der Bühne im Saal proben.»
Die Märlibühni finanziert sich ausschliesslich über Sponsoren und Spenden sowie Eintrittsgelder, zu einem kleinen Teil aber auch über den jährlichen Mitgliederbeitrag von 50 Franken. Von dem Geld werden Requisiten und Kulissen sowie die Kostüme gemietet. Trotz stabilem Portemonnaie kam es dem Verein auf Dauer zu teuer, die Kostüme selbst zu schneidern. Dafür aber gehen die Vereinsmitglieder jedes Jahr auf eine sogenannte «Märli-Reise». Fiordiriso schwelgt insbesondere in Erinnerung an die Jubiläumsreise 2013, als es für drei Tage nach München ging: «Da besuchten wir unter anderem die Filmstadt Bavaria und konnten bei Stadtführungen durch München das gemeinsame Zusammensein geniessen und die Kameradschaft fördern. Natürlich genossen wir auch die bayrische Kulinarik sehr.»
Es sind nicht nur die Ausflüge, die in den letzten Jahren pandemiebedingt zu kurz kamen. Im ersten Coronajahr war bei Ausbruch der Pandemie bereits klar, dass eine Aufführung unwahrscheinlich werden würde. «Letztes Jahr waren wir hingegen guter Dinge, das Märchen aber trotzdem mit Auflagen aufführen zu können», sagt die Vereinspräsidentin. Der Verein hatte Schutzkonzepte konzipiert – doch dann kam der Entscheid der Gemeinde, aus dem Mühlemattsaal ein Impfzentrum zu machen, die Vereine wurden vor die Tür gestellt. Der Kampf gegen die Pandemie hatte Vorrang. Doch Fiordiriso versteht den Entscheid und kommentiert: «Aufgrund der heiklen Corona-Lage wäre es auch letztes Jahr so oder so nicht möglich gewesen, ein Märchen aufzuführen.»
Ende Juli ist der Mietvertrag mit dem Kanton ausgelaufen, der Mühlematsaal ist nun kein Impfzentrum mehr und bietet den Vereinen wieder Platz für ihre kulturellen Anlässe. Getrost und hocherfreut kann die Vereinspräsidentin zusammen mit den Mitgliedern auf eine Vorstellung im November blicken. Das Datum für die beiden Aufführungen ist klar, denn wie immer finden diese im letzten Novemberwochenende statt, dieses Jahr am 26. und 27. November. Der Verein ist mitten in den Vorbereitungen, nach den Herbstferien geht es in die Probephase. Und welches Märchen die Gruppe heuer aufführt, kann Fiordiriso bereits verraten. «Wir werden einen Klassiker spielen: ‹der Räuber Hotzenplotz ond d’Mondrakete›, mit Bewilligung des Marabu-Verlags in Zürich. Es ist die neuste Ausgabe vom Räuber Hotzenplotz.» Eine Ausgabe des Stücks, die bisher noch von niemandem aufgeführt wurde.