7 Neumitglieder als Abschiedsgeschenk
Landfrauen Walterswil An der Generalversammlung der Walterswiler Landfrauen nächste Woche kommt es zu einem Präsidiumswechsel, und der Mitgliederbestand legt um ein Drittel zu.
Je länger unser Gespräch dauert, desto verführerischer duftet es. Zum Schluss des Interviews fällt es schon beinahe schwer, sich zu konzentrieren. Von der benachbarten Küche her betört der Geruch von frischen Backwaren die Nase. In so mancher Landfrauenküche duftet es bestimmt oft so.
Atypisch in diesem Fall ist jedoch, dass nicht die Landfrau für die verführerischen Düfte verantwortlich zeichnet, sondern deren Ehemann. Er bäckt «Chrömli» für die Grosskinder, gerade so, als wäre noch Advent. Seine Ehefrau gibt derweil Auskunft über ihren Verein. Die 63-jährige Brigitte Uehlinger, aufgewachsen in Oberentfelden, gehört dem Vorstand der Walterswiler Landfrauen bereits seit knapp 29 Jahren an. Seit 21 Jahren ist sie Präsidentin. In den 1960 gegründeten Verein eingetreten ist sie 1991, mit 31 Jahren.
Nächste Woche, am Mittwoch, findet die GV der Landfrauen Walterswil statt. Uehlinger wird an der GV als Präsidentin demissionieren. «Das ist sicher», meint sie und lacht hell auf, so wie sie es oft tut. Ihre Nachfolge ist noch ungeklärt. «Sehr wahrscheinlich wird es ein Co-Präsidium geben. Noch hat sich jedenfalls niemand zur Verfügung gestellt, um das Präsidium zu übernehmen.» Was aber sicher ist: Der Verein wird endlich mal wieder kräftig wachsen.
In den letzten 20 Jahren mussten die Landfrauen Walterswil einen enormen Mitgliederschwund gewärtigen. Als Uehlinger 2002 das Präsidium übernahm, wies der Verein 55 Mitglieder auf. Nach vielen Todesfällen älterer Frauen sind es nun noch 22. Alleine seit 2016 sind 13 Frauen gestorben, erst kürzlich auch ein hundertjähriges Gründungsmitglied. Austritte gab es zwar nur ganz vereinzelt, die Neueintritte liessen sich jedoch an einer Hand abzählen.
Uehlinger mochte dem Mitgliederschwund und damit dem schleichenden Niedergang «ihres» Vereins im letzten Sommer nicht mehr tatenlos zusehen und ergriff die Initiative. «Wenn man 20 Jahre sein ganzes Herzblut in einen Verein steckt, schmerzt es schon, wenn man diesen wegen Nachwuchsproblemen auflösen müsste.» Sie stellte ein «Junge-Landfrauen-Apéro» auf die Beine und brachte dafür 50 Frauen im Dorf persönlich eine Einladung vorbei. Als langjährige Leiterin eines Lebensmittelgeschäftes kennt die Grossmutter von vier Enkeln die allermeisten Leute im Dorf – und viele kennen sie.
Von den 50 eingeladenen Frauen kreuzten schliesslich deren 35 am Apéro auf. Und nächste Woche lassen sich nun die Früchte ernten. An der Generalversammlung kann der Verein sieben neue Landfrauen in seinen Reihen aufnehmen. «Das ist unheimlich schön, da habe ich grosse Freude», kommentiert Uehlinger den Mitgliederzuwachs um ein Drittel. Die scheidende Präsidentin hinterlässt dem Verein also ein höchst willkommenes Abschiedsgeschenk. Die neu eintretenden Frauen sorgen auch für eine Verjüngung. Die aktuell 22 Mitglieder bewegen sich zwischen 38 und 90 Jahren.
Die Walterswiler Landfrauen sind ein aktiver Verein. Mindestens einmal pro Monat findet ein Anlass statt. Viele Aussenstehende seien jeweils erstaunt, wie vielfältig die Aktivitäten der Landfrauen seien, berichtet die abtretende Präsidentin. Da finden mal Strick- oder Malkurse statt, dann wieder ein gemeinsamer Minigolfplausch. Beim Maibummel spaziert man in der Umgebung des Dorfes. Einmal jährlich findet ein Treffen mit den Däniker Landfrauen statt. Immer am Tag der Pausenmilch am ersten Dienstag im November übernehmen die Landfrauen das Ausschenken der Milch an die Schulkinder. Und auch den Seniorinnen und Senioren des Dorfes bieten sie mit verschiedenen Anlässen Abwechslung. Ganz grundsätzlich gelte: «Wenn die Gemeinde uns anfragt für Hilfe, sind wir auch immer dabei.»
Rothacker Chilbi als Höhepunkt
Ein Fixpunkt im Jahresprogramm ist stets die Teilnahme an der Rothacker Chilbi am Ende der Sommerferien. Da sind die Landfrauen jeweils mit zwei Ständen präsent. Am einen lässt sich beim Zwirbeln etwas gewinnen, am anderen lassen sich leckere Backwaren kaufen. «Die Chilbi ist abgesehen von den Mitgliederbeiträgen die einzige Einnahmequelle.» Laut Uehlinger werden dabei rund 80 Kilogramm Zopfmehl verarbeitet und 60 Kilogramm Brot hergestellt. Gebacken wird übrigens vor Ort. Die Landfrauen sind im Besitz eines eigenen Backofens, der das Jahr über im Kirchgemeindehaus eingelagert ist.
Seit ein paar Jahren ist zudem der Adventskalender aus Apfelharassen vor der Kirche einer der Höhepunkte im Jahresprogramm. 2018 wurde diese Tradition begründet – und sie erfreut sich bereits grosser Beliebtheit. «Da ist jeweils ein Menschenauflauf zu beobachten. Zwischen Weihnachten und Neujahr könnte man da fast ein Beizli eröffnen», schmunzelt Uehlinger. Teilnehmende aus dem Verein, aber auch Nichtmitglieder oder etwa die Schule dekorieren ein Harass. Jeden Tag wird dem Ensemble ein neuer Harass hinzugefügt.
«Offen sein für neue Sachen»
Bei so vielen Engagements für die Dorfgemeinschaft soll aber auch das eigene Wohl nicht zu kurz kommen. Einmal im Jahr gönnen sich die Landfrauen einen eintägigen Ausflug. 2022 wurde die Bodenseeinsel Mainau besucht. Alle zehn Jahre, anlässlich der Vereinsjubiläen, finden sogar zweitägige Reisen statt. 2020, zum 60-Jahr-Jubiläum, gings ins Gotthardgebiet und ins Obergoms.
Und nun, nach mehr als 20 Jahren als Präsidentin, was hält Brigitte Uehlinger für ein Rezept für die nächsten 20 Jahre bereit? Wie können die Landfrauen erfolgreich bleiben oder noch erfolgreicher werden? «Offen sein für neue Strukturen, für neue Sachen.» Die Grundlage dafür ist gelegt: Mit dem grossen Mitgliederzuwachs fliessen bestimmt auch neue Ideen ins Vereinsleben ein.