Wenn der Tod uns scheidet

Vortragsreihe Sterben Fünf Vorträge der FHNW informieren in leichter Sprache zum Thema Sterben. Am letzten Donnerstag beleuchtete Dr. phil. Regula Gasser den Tod aus Sicht der Angehörigen.

Psychologin Dr. phil. Regula Gasser berichtete am vergangenen Donnerstag im Rahmen einer Vortragsreihe der FHNW zum Thema «Sterben», was es für Angehörige bedeutet, wenn ein geliebter Mensch stirbt. (Bild: Franz Beidler)
Psychologin Dr. phil. Regula Gasser berichtete am vergangenen Donnerstag im Rahmen einer Vortragsreihe der FHNW zum Thema «Sterben», was es für Angehörige bedeutet, wenn ein geliebter Mensch stirbt. (Bild: Franz Beidler)

Was läuft bei Kindern anders als bei Erwachsenen, wenn sie einen Angehörigen verlieren? Wie können Menschen mit einer Behinderung, die sich nicht mit Worten ausdrücken, durch die Trauer nach einem Todesfall begleitet werden? Und gibt es Möglichkeiten, nach langer Krankheit auch ausserhalb des Spitals zu sterben?

Diesen Fragen stellte sich am vergangenen Donnerstag die Psychologin Dr. phil. Regula Gasser. In der Aula der Fachhochschule Nordwestschweiz an der Oltner Von Rollstrasse hielt sie einen Vortrag zum Thema «Sterben aus Sicht der Angehörigen». Rund fünfzig Leute hatten sich im Saal eingefunden, etwa dreissig waren zusätzlich per Livestream zugeschaltet. Gasser hielt den dritten in einer Reihe aus insgesamt fünf öffentlichen Vorträgen zum Thema «Sterben». Organisiert wird die Vortragsreihe von der Hochschule für Soziale Arbeit. Besonderer Anspruch an die fünf Vortragenden: Sie müssen eine einfache Sprache verwenden. Da das Thema alle Menschen betrifft, sollen die Vorträge auch möglichst allen zugänglich sein.

Einen Fachvortrag zu einem schwierigen Thema in einfache Worte zu fassen, sei eine spezielle Herausforderung, sagt Gasser. «Im wissenschaftlichen Umfeld herrscht sonst ein universitärer Jargon vor.» Obwohl sie schon an vielen Fachtagungen referierte, schrieb sie ihren Vortrag deshalb komplett neu.

Erfahrungen aus vielen Blickwinkeln

Gasser schöpft Erfahrungen aus einer langen Karriere, in der sie in verschiedenen Rollen auf die Sterbebegleitung blickte. Schon nach ihrer Ausbildung zur Pflegefachfrau Mitte der 90er-Jahre arbeitete sie in verschiedenen Spitälern auf palliativen Abteilungen und Onkologiestationen. Nebenberuflich absolvierte sie ein Psychologiestudium an der Universität Zürich. 2010 promovierte sie und war daraufhin in der Trauer- und Krisenbegleitung tätig. «Da wollte ich die existenziellen Fragen besser berücksichtigen können», erinnert sie sich. Also begann sie ein Theologiestudium und startete ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanziertes Forschungsprojekt zu Spiritual Care, einem damals noch neuen Fachbereich. 2018 promovierte sie auch als Theologin. Da hatte sie sich bereits selbstständig gemacht und arbeitete zum Beispiel in einer Projektgruppe an einem neuen Konzept für die palliative Versorgung der Stadt Zürich mit.

«Nun bin ich wieder am Bett», sagt Gasser zu ihrem Wechsel ans Kantonsspital Olten. Seit 2019 ist sie dort als Betriebspsychologin und seit Ende des letzten Jahres auch als Psychologin auf der Palliativstation angestellt als Teil eines interdisziplinären Teams. Dessen Leiter, der Arzt Manuel Jungi, hielt den ersten Vortrag der Reihe. Kunsttherapeutin Esther Widmer, ebenfalls Teil dieses Teams, wird den letzten am 7. Oktober halten.

Vergänglichkeit als Teil des Lebens

Zu Beginn ihres Vortrags strich Gasser heraus, dass die Vergänglichkeit ein Teil des Lebens ist, die Trauer darob eine natürliche Reaktion, um das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Trauer könne sehr unterschiedlich ausfallen. Während Angehörige den Tod nach langer Krankheit oft als Erlösung verstünden, werde der Tod eines Kindes als ein Ereignis wider der Natur und deshalb als besonders belastend empfunden. Auch die Art der Bindung zur verstorbenen Person und die Art, wie diese gestorben ist, habe Einfluss auf die Art der Trauer. Und auch der kulturelle Hintergrund sei entscheidend.

Ihre Ausführungen verdeutlichte Gasser mit Erlebnissen aus ihrem Berufsalltag. So erzählte sie von einer Familie aus einem anderen Kulturkreis, wo es gang und gäbe ist, Trauer lautstark ausdrücken. Das musste auf der Abteilung berücksichtigt werden, ohne jene zu stören, die in Stille trauerten. Aber auch auf jene Fälle, die wir lieber ausblenden, kam Gasser zu sprechen. Wie jener einer jungen Mutter, die gleich nach der Geburt ihres Kindes an einem unheilbaren Tumor litt.

Angehörige seien heute stärker belastet, hielt Gasser fest. Einerseits hätten Tod und Trauer in einer schnelllebigen Arbeitswelt und einem durchgetakteten Alltag kaum Platz. Andererseits sei es mit dem medizinischen Fortschritt zum Beispiel möglich, dass Menschen auch nach einer Diagnose mit unheilbarem Krebs zum Teil noch über mehrere Jahre weiterlebten. Angehörige befinden sich so länger im Spannungsfeld zwischen dem Leben eines geliebten Menschen, das zu Ende geht, und dem eigenen Leben, das weitergeht.

Ihren Vortrag schloss Gasser mit einem Bild: Der Schmerz über einen Todesfall wandle sich wie die Raupe zu einem Schmetterling. Ihre Aufgabe in der Begleitung von Angehörigen sehe sie darin, diesen Wandel zu unterstützen.

Fragerunde nach dem Referat

Im Anschluss an das Referat nahm Gasser Fragen aus dem Publikum entgegen. Kindern fehle die Krisenerfahrung, die Erwachsene oft schon mitbrächten. Durchlaufe ein Kind einen Trauerprozess, sei es wichtig, seinen Wünschen Platz zu geben. «Kinder sagen oft direkt, was sie brauchen», erklärte Gasser. «Und man sollte nicht gegen den Widerstand der Kinder ankämpfen», fügte sie an. Möchte ein Kind zum Beispiel nicht ans Totenbett treten, dann solle man nicht versuchen, es dazu zu bewegen.

Menschen mit einer Behinderung könnten ihre Trauer oft in Ritualen oder in Kunst ausdrücken. Das könne zum Beispiel ein Buch sein, in das sie in Gedenken an den verstorbenen Menschen regelmässig zeichneten. Und wer nicht im Spital bleiben möchte, für den gäbe es Hospize oder auch spezielle Angebote der Spitex.

Der nächste Vortrag der Reihe findet heute Donnerstag, 30. September, statt. Pflegefachfrau Gabriela Steiner erzählt aus der Praxis der Sterbebegleitung. Aufnahmen aller Vorträge werden etwa ab Mitte Oktober online verfügbar sein.

www.fhnw.ch/soziale-arbeit

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