Viele Lichter vereinen

Weihnachten Weihnachten steht unmittelbar vor der Türe. Doch wie werden diese Festtage von Personen begangen, die in ihrem Glauben kein Weihnachtsfest kennen?

Wangyal Sching, vor seinen Buddha-Statuen, freut sich auf Weihnachten, wenn die Familie zusammenkommt. (Bild: mim)
Wangyal Sching, vor seinen Buddha-Statuen, freut sich auf Weihnachten, wenn die Familie zusammenkommt. (Bild: mim)

Zum Treffen mit Wangyal Sching werde ich von der tibetischen Dolmetscherin und Schulleiterin der Tibeter Schule Pema Sonam begleitet. Obwohl Sching seit 13 Jahren in der Schweiz lebt, stellt das im Vergleich zu seiner Muttersprache grundverschiedene Deutsch noch immer eine grosse Hürde für ihn dar. Wangyal Sching lebt mit seiner Frau Dolkar und einem Teil seiner sechs Kinder in einem Mehrfamilienhaus Mitten im Bifangquartier in Olten. Die Familie ist europäisch gekleidet, doch in der Wohnung wird die eigene Kultur lebendig. Auf einer braunen, wuchtigen Kommode steht eine Art Schrein, in welchem die verschiedensten Buddha-Statuen stehen. Einige Ton-Buddhas hat Sching selbst hergestellt. Er, der mit neun Jahren ins Kloster kam und dort das angesehene Handwerk der «Thangka-Maler» erlernte. Ein Thangka ist ein handgemaltes Rollbild des Buddhismus. In Tibet wird das Thangka zur Meditation, zu traditionellen Zeremonien oder auch als transportables Lehrmittel benutzt, um die buddhistische Philosophie zu veranschaulichen. Später studierte Sching drei Jahre tibetische Medizin.

Flucht aus Tibet
Sching verliess Tibet 2001 als politischer Flüchtling. «Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn man die Chinesische Regierung nicht anerkennt: man geht ins Gefängnis oder man flüchtet», erklärt Sching. Aber auch in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, war er nicht sicher. Er lieh sich Geld, um einen Händler zu bezahlen, der ihm half Kathmandu in Richtung Europa zu verlassen. Wohin die Reise ging wusste er nicht. Nach Zwischenlandungen in Deutschland und Frankreich kam Sching ins Empfangs- und Verfahrenszentrum Kreuzlingen (TG) und danach weiter über verschiedene Stationen im Kanton Solothurn nach Olten. Die ersten drei Monate habe er kaum Kontakt zur Aussenwelt gehabt. Auch stellte die sprachliche Barriere für den damals 45-Jährigen eine grosse Hürde dar. Schwierigkeiten bereitete ihm auch das Essen, welches ihm Magenschmerzen bescherte. Etwas heimische Gefühle kamen aber beim Thema Landschaft auf, welche in der Schweiz und in Tibet grosse Ähnlichkeit aufweisen. Ja, seine Anfangszeit in der Schweiz sei schwierig gewesen, gibt Sching zu. «Doch ich wusste, ich bin hier und muss mich der Gesellschaft anpassen und versuchen Einheimische kennen zu lernen.» Eine Bekanntschaft aus dieser Zeit ist Priscilla, eine Christin aus Hägendorf, mit welcher Sching bereits etliche Gespräche über die eigene und fremde Religion geführt hat. Seit Jahren sind die Beiden befreundet und auch während den Feiertagen besuchen sie einander mit ihren Partnern. Nach rund vier Jahren erhielt Wangyal Sching den positiven Asylentscheid, welcher ihm ermöglichte seine Familie in die Schweiz zu holen.

Freude an den Lichtern
Schings vier Söhne und zwei Töchter, heute im Alter zwischen 13 und 26 Jahren, lebten sich sehr schnell in der Schweiz ein und brachten auch die hiesigen Traditionen, wie Weihnachten, in die heimische Stube. «In unserer Religion feiern wir kein Weihnachten und Neujahr wird nach dem tibetischen Kalender zelebriert. Doch wir alle haben Freude an den vielen Lichtern während der Weihnachtszeit und die Kinder wünschten sich bereits nach zwei Jahren in der Schweiz einen Baum, wie ihn auch ihre Freunde zu Hause haben. Seither, steht in unserem Wohnzimmer ein Weihnachtsbaum und unser Balkon wird mit Lichtern dekoriert», erzählt Sching schmunzelnd und fügt an: «Wir schätzen Weihnachten nicht aus religiösen Gründen, sondern weil es bei uns zur Tradition geworden ist, dass an diesen Tagen die ganze Familie zusammenkommt und wir tibetische und Schweizer Köstlichkeiten zusammen geniessen.»

Neujahr nach dem tibetischen Kalender
Hat Sching die Möglichkeit sein berufliches Wissen in der Schweiz anzuwenden? «Das ist sehr schwierig, denn die Nachfrage nach Thangka-Malerei ist sehr gering», bedauert er. Am Anfang deprimierte es ihn, da er seinen Beruf mit viel Leidenschaft ausübte. Arbeit hat er nun in der Stiftung Wendepunkt gefunden. Handwerklich ist er jedoch noch immer tätig und verschenkt auch gerne seine Kunst. Zudem fertigt er Masken für die traditionellen Feste, wie das neuste Stück (kleines Bild), welches am tibetischen Jahreswechsel zum Einsatz kommen wird. Den Jahreswechsel, den sogenannten «Losar», begehen die Tibeter gemäss ihrem eigenen Kalender im Februar. Die Festivitäten dauern 15 Tage und werden mit Freunden und Mitgliedern der Gesell­schaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) der Sektion Solothurn gefeiert. Den hiesigen Jahreswechsel am 31. Dezember feiern Wangyal Sching und seine Frau nicht. «Die Kinder besuchen aber an diesem Abend gerne Partys und wir bleiben zu Hause», erzählt Sching schmunzelnd.

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