«Sie müssen Skat lernen, wir das Jassen»
Städtepartnerschaft Am Oltner Schulfest am vergangenen Wochenende war auch die thüringische Partnerstadt Altenburg vertreten. Deren Oberbürgermeister André Neumann führte eine elfköpfige Delegation an. Wir haben ihn am Sonntagabend beim Ausklingen des Festes getroffen.
Herr Neumann, im August 2020 statteten Sie als Altenburger Oberbürgermeister der Partnerstadt Olten schon mal einen Besuch ab. Hat sich Olten seither verändert?
André Neumann: Das kann man gar nicht so sehr einschätzen. Diesmal war Schulfest – und damit das ganze Wochenende viel los. Beim letzten Besuch hier war kein Schulfest. Der eine oder andere Vergleich lässt sich gleichwohl anstellen. Ich war mit Thomas Marbet mal früh am Morgen joggen, und da haben wir ein Neubaugebiet gesehen, das 2020 in dieser Form noch nicht stand. Es gibt also viel Entwicklung, was Wohnungs- und Hausbau anbelangt. Aber vom Leben in der Stadt her ist natürlich so ein Schulfestwochenende nicht zu vergleichen mit dem damaligen Besuch.
Damals gab es Corona-Massnahmen, nun durfte hingegen wieder ohne Einschränkungen gefeiert werden.
Das ist ein grosser Unterschied. In Gesprächen habe ich herausgespürt, dass sich das ein wenig spiegelt: Die Gesellschaft hat sich durch Corona ein Stück weit verändert. Es gibt mehr Berührungsängste, Freundschaften gingen in die Brüche, in den Vereinen muss vermehrtes Engagement erst wieder entstehen. Trotz der vielen Kilometer zwischen Olten und Altenburg sehe ich da eine Parallele: Corona hat mit der Gesellschaft etwas gemacht.
Ein anderer Unterschied: 2020 war noch Martin Wey Stadtpräsident, nun ist es Thomas Marbet.
Ich habe Thomas auch damals schon kennengelernt, er war ja als Stadtrat mit dabei. Wir haben ihm natürlich aus Altenburg die Daumen gedrückt im Wahlkampf, damit alles gut kommt. Bei ihm hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl. Mich freut seine Wahl sehr, und ich glaube, er tut der Stadt richtig gut. Er war im letzten Herbst auch schon bei uns in Altenburg zu Besuch.
Sie nahmen am Samstag und Sonntag mit Ihrer Gattin und einer insgesamt elfköpfigen Delegation aus Altenburg als Gast am Schulfest teil. Welche Eindrücke nehmen Sie mit nach Hause?
Zuerst möchte ich den Oltnerinnen und Oltnern grossen Dank aussprechen für den herzlichen Empfang hier. Wir trafen durchwegs auf gutgelaunte Menschen und wurden überall herzlich empfangen. Wir hatten ein ziemlich volles Programm zu bewältigen und konnten uns zwischendurch nur kurz entspannen. Ich lief am Schulfestumzug die ganze Strecke mit – und sogar der Politik und der Verwaltung wurde applaudiert (lacht). Das hat mir natürlich gefallen, und es ist auch ein gutes Zeichen. Wir haben uns insgesamt sehr wohl gefühlt. Ich hoffe, jeder weiss hier, was er hat an der Stadt. Wir erleben es bei uns, dass die Leute in der Stadt gar nicht so recht wissen, was sie an ihr haben. Es muss immer zuerst einer von aussen kommen und sagen: «Leute, es ist toll bei euch!» Wenn das in Olten auch so ist, möchte ich denen auf den Weg geben, dass sie hier in einer tollen Stadt leben – und halt mitanpacken müssen, dass es noch besser wird.
Was gefiel Ihnen besonders gut?
Die Bar hoch oben im «Astoria» ist nachts schon toll (lacht). Wenn man da oben steht, mit den Leuten den Tag auswertet und noch ein Abschlussgetränk zu sich nimmt, ist das sehr schön.
Und aufs Schulfest bezogen?
Diesbezüglich war es schon der Umzug vom Sonntagmorgen. Dann auch das Bürostuhlwettrennen vom Samstag – so was kennen wir bei uns gar nicht. Und auch das Entenrennen vom Sonntagnachmittag. Eigentlich möchte ich gar nichts Besonderes hervorheben, das ganze Fest war besonders.
Konnten Sie sich inspirieren lassen für ein vielleicht vergleichbares Fest in Altenburg?
Wir planen – beginnend im kommenden Jahr – ein Altenburger Festival. Und zum Beispiel den Umzug oder die Konzentration auf einem Platz zum Abschluss nehmen wir als Ideen auf jeden Fall mit. Unser Festival soll in Zukunft ein Riesenevent im Altenburger Land werden, in der gesamten Region. Auch die Idee, dass die Schulklassen ein Motto umsetzen und selbst stolz präsentieren, interessiert uns sehr.
Das gibt es also in Ihrer Stadt bisher nicht in diesem Rahmen?
Wir machen das bisher nicht. Wir haben stattdessen einen riesengrossen Skatstadtmarathon, ein Event, an dem die Schulen teilnehmen. Dabei handelt es sich jedoch um eine freiwillige Sache. Nicht jede Schule ist dabei.
Die Städtepartnerschaft zwischen Altenburg und Olten besteht mittlerweile seit 30 Jahren. Wie häufig tauscht man sich aus?
Im Briefverkehr miteinander steht man relativ oft. Man gratuliert sich gegenseitig. Bei den Besuchen besteht ein Zwei-, Dreijahresrhythmus. Für nächstes Jahr haben wir übrigens Stadtrat, Stadtpräsident und Feuerwehrvertreter für Ende April bereits wieder zu uns eingeladen. Wir wollen eine Verbindung Olten-Altenburg über die Kultur- und Kunstszene herstellen, etwa über die Zusammenarbeit von Museen. Deshalb gehörte nun zum Beispiel auch jemand von unserem Lindenau-Museum der Delegation an. Künftig wird es um Ausstellungen und andere Themen der Zusammenarbeit gehen. Das wollen wir ein wenig nach vorne bringen. Die Unterschriften unter die Städtepartnerschaft vor 30 Jahren sollten ja die kulturelle, wirtschaftliche und freundschaftliche Verbindung beider Städte fördern. Das wollen wir genau so wieder mit neuem Leben füllen.
Aber gerade im Bereich Kultur bestanden diese Verbindungen ja bereits ziemlich intensiv. Müssen die reaktiviert werden?
Ja, genau. Wenn die Generationen wechseln, findet auch ein Generationenwechsel in der Städtepartnerschaft statt. Wenn man da die Zügel zu locker lässt, gehen Dinge verloren.
Also ist ein bisschen was eingeschlafen?
Das kann ich gar nicht beurteilen. Ich bin ja erst seit fünf Jahren dabei. Auf jeden Fall haben wir uns aber gegenseitig vorgenommen, die Beziehung am Laufen zu halten. Wir haben beim jetzigen Besuch auch gemerkt, was der Austausch emotional sowohl für die Oltner Stadträte als auch für uns bedeutet. Er ist wirklich sehr freundschaftlich und herzlich. Ich möchte dereinst nicht derjenige sein, der die Lücke hat aufgehen lassen.
Inwiefern profitieren die beiden Städte von der Partnerschaft?
Natürlich profitiert man nicht dadurch, dass es monetäre oder andere Hilfen gibt. Man profitiert, indem man eine andere Kultur spürt und erlebt. Und hier in der Schweiz ist eine andere Kultur als in Thüringen in Deutschland. Hier geschehen zum Beispiel die Integration und das Zusammenleben verschiedener Kulturen deutlich anders als bei uns in Ostdeutschland. Es ist schön, diese Erfahrungen zu sammeln und mitzunehmen. Und ich glaube, dass auch die Oltner Besucher bei uns begeistert sind. Wir sind eine stark kulturell geprägte Stadt, mit einem Riesenschloss, einem Riesentheater, ganz vielen Museen, alten Gassen, alten Häusern, viel Historie. Sie schauen sich bestimmt auch Dinge bei uns ab, so wie wir es hier tun.
Sind Sie eigentlich ein guter Skatspieler?
Ich bin ein sehr guter Skatspieler (lacht laut).
Haben Sie mit dem Oltner Stadtrat schon mal Skat gespielt?
Wir haben es uns vorgenommen fürs nächste Mal. Jetzt war das Programm zu voll. Ich muss sehen, dass ich die Information noch unterbringen kann, dass sie nächstes Jahr beim Besuch in Altenburg Skat können müssen (lacht).
Und einen Jass geklopft? Gab es das vielleicht schon mal?
Nein, nein. Aber auch das steht auf dem Programm. Sie müssen Skat lernen, wir das Jassen. Das ist, glaube ich, dann richtig sinnhafter kultureller Austausch, weil es beide Spiele schon über Jahrhunderte gibt. Bis April muss es in den Köpfen drin sein!
Seit 30 Jahren miteinander verbunden
Jubiläum Die Partnerschaft zwischen Olten und der ostthüringischen Stadt Altenburg besteht seit 1993, seit genau 30 Jahren also. Auf Oltner Seite war der damalige Stadtpräsident Philipp Schumacher federführend gewesen bei der Lancierung. Die Partnerschaftsurkunde war 1993 mit der Zielsetzung unterzeichnet worden, die Kontakte nicht nur auf die beiden Ratshäuser zu beschränken, sondern auch vielfältige Begegnungen zwischen Einwohnerschaft, Vereinen und Einrichtungen Altenburgs und Oltens zu ermöglichen. Insbesondere in den Bereichen Bildungseinrichtungen und Kultur bestehen oder bestanden intensivere Verbindungen.
Die Städtepartnerschaft wird in Altenburg seit Anbeginn von Thomas Knechtel betreut, seitens der Stadt Olten auch bereits seit 22 Jahren von Stadtschreiber Markus Dietler. Zuletzt machte im vergangenen Herbst eine Oltner Delegation in Thüringen ihre Aufwartung, der letzte Besuch aus Altenburg ging im Sommer 2020 über die Bühne.
Altenburg liegt im Osten Thüringens, an der Grenzen zu Sachsen, rund 45 Kilometer südlich von Leipzig. Die Kreisstadt zählt derzeit rund 30000 Einwohner. Oberbürgermeister ist seit 2018 André Neumann (CDU). Der 46-jährige Diplomkaufmann ist bereits in Altenburg aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die 976 erstmals urkundlich erwähnte Stadt besitzt eine grosse Altstadt, die von Kriegsschäden verschont geblieben ist. Altenburg gilt als Ursprungsort des Skatspiels. agu