Schwarz-weisse Körper
Junge Kunst Olten (JKON) In der Oltner Schützi werden vom Donnerstag, 13. bis Samstag, 15. August junge Künstlerinnen und Künstler ausstellen. Von Delia Ferraro sind erstmals Weiterentwicklungen ihrer «Verrenkungen» zu sehen.
Die leere Fläche vor sich zu haben, bevor die Arbeit beginnt: «Das ist das schönste Gefühl», sagt Delia Ferraro. Dieser Moment, kurz bevor sie den Pinsel zum ersten Mal ansetzt, sei ihr der liebste, erzählt die 23-jährige Solothurner Künstlerin im Hof hinter dem Künstlerhaus S11 in Solothurn. Seit wenigen Monaten hat sie hier im obersten Stock unter dem Dach ihr Atelier, nachdem sie im vergangenen Jahr ihren Bachelor in Fine Arts an der Hochschule der Künste in Zürich abschloss. Ferraro wird dieses Jahr zum ersten Mal an der Jungen Kunst Olten (JKON) ausstellen: Vom Donnerstag, 13. bis Samstag, 15. August sind Werke von ihr und vierzehn Anderen in der Oltner Schützi zu sehen. Der organisierende Verein JKON hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform zu bieten. Über die drei Tage finden Führungen, Werkgespräche und eine Performance statt. An der Finissage werden die Förderpreise vergeben: Ein Bargeldpreis über 5’000 Franken der Maurer-Billeter Stiftung und Ausstellungsmöglichkeiten im Kunstmuseum Olten und Kunsthaus Zofingen. Ferraro wird am Samstag in einem Werkgespräch über ihr Schaffen sprechen. An den Tagen der Vernissage und der Finissage wird sie voraussichtlich an der Ausstellung vor Ort sein. «Ich freue mich, wenn Leute auf mich zukommen.»
Von «Terratom» zu «Verrenkungen»
Ursprünglich wollte Ferraro an der JKON ihr dreiteiliges Werk «Terratom» ausstellen. In den feingliedrigen Zeichnungen thematisiert sie das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Natur. «Wir atmen unsere Umgebung ein und nehmen so Kleinstpartikel in uns auf», nennt Ferraro ein Beispiel, wie sich die Grenzen zwischen Körper und Umgebung verflüssigen. «Wir sind Teil unserer Umgebung.» Als sie in den Vorbereitungen zur JKON die Schützi sah, erkannte sie jedoch schnell, dass der Ausstellungsraum nicht geeignet ist, um «Terratom» darin zu präsentieren. «Die Umgebung und die Präsentation macht fast die Hälfte der Kunst aus», erklärt sie. Zusammen mit den Organisierenden entschloss sie sich deshalb kurzerhand, eine andere Arbeit auszustellen. «Vor zwei Jahren malte ich eine Serie von Körpern», erzählt Ferraro. «Verrenkungen» betitelte sie die Werke damals. Mit Tusche und Pinsel brachte sie in wenigen Linien Posen nur in schwarz-weiss zu Papier: verdrehte Figuren mit angespannten Gliedern, gleichzeitig naturnah und anziehend und dennoch auf eigenartige Weise verstörend. Die ersten Exemplare der «Verrenkungen» fanden auf A3-Papier Platz. Später wuchs die Grösse der Bilder auf einen Quadratmeter. «Daran knüpfe ich nun an.» Obwohl die «Verrenkungen» noch nie ausgestellt wurden, malt Ferraro für die JKON neue Bilder. Anstatt unten in der Halle der Schützi werden sie in den Fenstern über dem Eingang hängen. Deren Fläche ist noch einmal um ein Vielfaches grösser, als jene der letzten Ausführungen der «Verrenkungen». «Das ist ein Wagnis», gibt Ferraro zu bedenken und lobt die JKON als Plattform für Experimente: «Hier trauen sich junge Künstlerinnen und Künstler Dinge auszuprobieren, die auch schiefgehen könnten.»
Freiheiten und Grenzen des Körpers
Mit den «Verrenkungen» nimmt Ferraro sowohl das Thema wie auch die Arbeitstechnik von vor zwei Jahren wieder auf. Mit den reduzierten Körperformen beschreibt sie ebenso die Freiheiten wie auch die Grenzen des Körpers. «Er ermöglicht uns, unsere Umgebung wahrzunehmen und beschränkt gleichzeitig unsere Bewegungen», denkt Ferraro nach. Gerade diese Grenzen des Körperlichen würden oft verdrängt. Das Thema Körper habe für sie in den vergangenen zwei Jahren zusätzliche Dimensionen gewonnen. Die Körperlichkeit und Sexualität der Frau und deren Objektivierung als politische Diskussion sei in den Vordergrund gerückt. «Diese Thematik beschäftigte mich damals in der Kunst noch nicht so intensiv.» Das finde nun womöglich mehr Niederschlag. «Ich arbeite von heute aus», stellt Ferraro fest. Alles Erlebte fliesse in die Kunst ein, wenn auch auf Umwegen. «Die Werke sind eine Momentaufnahme.» Ausserdem experimentierte die Künstlerin mit der Tusche. «Die richtige Konsistenz ist wichtig, damit ich zügig malen kann, ohne dass die Tusche tropft oder rinnt.» Deshalb stellt sie ihre Eigene aus Rebenschwarz-, Mangan- oder Eisenoxidpigmenten her. So kann sie auch den Schwarzton genau bestimmen. Schliesslich malt sie die überlebensgrossen Figuren. «Mit zwei Metern Länge sind die grösser als ich», sagt Ferraro schmunzelnd. In dieser Grösse zu malen, sei ein Fliessen mit ihrem eigenen Körper über die grosse, leere Fläche des Papiers. Für die JKON malt Ferraro eine Vielzahl an neuen «Verrenkungen», aus der sie dann eine Serie von sechs schwarz-weissen Körpern auswählt.
Chimären aus Moulagen
Ihre Themen und Arbeitstechniken will Ferraro weiterhin entwickeln. «In Zukunft werden mich sicher auch vermehrt feministische Anliegen antreiben.» Und unter der Verschmelzung von Mensch und Natur will sie sich der Figur der Chimäre annehmen. «Dazu möchte ich lernen, Moulagen herzustellen.» Mit dieser Technik will sie ihre Zeichnungen zu Skulpturen formen. Sie arbeite eigentlich immer an mehreren Werken gleichzeitig. So schloss sie eben erst das Plakat für die Herbstmesse Solothurn HESO ab. Das Resultat der Auftragsarbeit wird wegen der Coronapandemie erst im nächsten Jahr zum Einsatz kommen. In Olten ist Ferraro kurz nach der JKON gleich nochmals präsent: Für die Ausstellung «A5@Mokka-Rubin» fertigt sie derzeit ein Werk. Ausserdem bewirbt sie sich für die Jahresausstellung der Kunstmuseen Olten/Solothurn.
Junge Kunst Olten (JKON)
Donnerstag, 13. August, 18 bis 21 Uhr
Vernissage um 18.30 Uhr
Freitag, 14. August, 17 bis 20 Uhr
Samstag, 15. August, 16 bis 19 Uhr
Finissage und Preisverleihung um 17.30 Uhr
Schützi, Schützenmattweg 15, Olten
www.jkon.ch