«Olten hadert mit seinem Selbstwertgefühl»

Werkstücke «Olten» Zehn Masterstudenten des Studienganges «Populäre Kulturen» der Uni Zürich haben sich intensiv mit der Stadt Olten auseinandergesetzt und ihre Erkenntnisse in der Publikation «Werkstücke #6: Olten» für die Öffentlichkeit festgehalten.

Mischa Gallati (h.r.) präsentierte mit einigen Studierenden die Publikation «Werkstücke #6: Olten» im Coq d’Or. (Bild: vwe)
Mischa Gallati (h.r.) präsentierte mit einigen Studierenden die Publikation «Werkstücke #6: Olten» im Coq d’Or. (Bild: vwe)

Unter dem Studiengang «Populäre Kulturen» können sich wohl die meisten nur wenig vorstellen. Er orientiert sich an dem früheren Gebiet «Volkskunde», das sich mit der lange Zeit stiefmütterlich behandelten Kultur der ganz gewöhnlichen Menschen auseinandersetzte. Das Studiengebiet «Populäre Kulturen» gehört an der Uni Zürich zum Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft und beschäftigt sich einerseits mit Alltagskulturen im Sinne einer Europäischen Ethnologie und andererseits mit populären Medien wie Unterhaltungsliteratur oder Filmen. «Wir sind am Wandel sowie an der Dynamik von Kulturen interessiert und versuchen zu ergründen, wie beispielsweise Identitäten oder Tradition entstehen», erklärt Mischa Gallati, Dozent des Studien- gangs «Populäre Kulturen» an der Universität Zürich.

Projektseminar zum Thema Olten

So nahm sich Mischa Gallati mit zehn Masterstudenten auch im letztjährigen Projektseminar zum Thema «Olten» ortsethnografischen Fragestellungen an. Doch warum ausgerechnet Olten? «Wir wollten Olten als Beispiel für eine Stadt im Schweizer Mittelland thematisieren. Ausserdem reizte mich der zentrale Aspekt von hier. Olten ist durch seine Verkehrsanbindung zwar sehr präsent, sprich jeder kennt Olten als Verkehrsknotenpunkt, aber doch kennt Olten niemand richtig», erklärt der Dozent seine Faszination an der «Bähnlerstadt». So seien auch einige Studenten der Themen- wahl anfangs eher skeptisch gegenübergestanden. «Als wir aber vor gut einem Jahr Olten zum ersten Mal gemeinsam besuchten, eine Stadtführung genossen und in Örtlichkeiten wie dem Kulturlokal Coq d’Or oder dem Cultibo mit offenen Armen empfangen wurden, entdeckten die Studenten, dass Olten überraschend viel zu bieten hat», so Gallati.

Von der Kirchgasse, Aarauerstrasse und Olten Südwest

Die Studierenden seien von Anfang an frei gewesen, mit welchem Aspekt der Stadt sie sich näher auseinandersetzen wollten. Klar hingegen war von Beginn weg, dass daraus eine Publikation für die Öffentlichkeit entstehen sollte. «Durch das Buch «Werkstücke #6: Olten» möchten wir
bewusst den Austausch mit der Bevölkerung suchen und unsere Aussenperspektive auf Olten präsentieren», so Gallati. Ein vielseitiger Blick auf die Kleinstadt im Mittelland ist ihnen auf jeden Fall gelungen. Die Masterstudenten setzten sich nicht nur mit der hiesigen Kunstszene oder dem Tourismusstandort Olten auseinander, sondern analysierten auch ganz bestimmte Orte oder Quartiere in der Stadt wie beispielsweise die Kirchgasse, Aarauerstrasse oder Olten Südwest und kommentierten deren Entwicklung. So kam Sandro Wehrle in seinem Aufsatz «Die neue Kirchgasse Olten» zum Schluss, dass aufgrund der starken Richtlinien, wie das Gewerbe oder private Nutzer den öffentlichen Raum mitgestalten dürfen, «der Kirchgasse sehr wenig Raum zur Entwicklung durch die Benutzerinnen und Benutzer selbst gelassen wird, was zu einem doch eher biederen, wenig abwechslungsreichen Eindruck der neuen Fussgängerzone führt». Aviva Liebeskind hingegen zieht in ihrem Essay das Fazit, dass ehemalige Industriestädte wie Olten heutzutage mit Identitätsproblemen zu kämpfen hätten, was sie am Beispiel der Umgestaltung des ehemaligen Industriegebiets Olten SüdWest erläutert. Denn durch die Auseinandersetzung mit Stadtplanung und -gestaltung wurden dort laut Liebeskind neue Wunschidentitäten für die Mittelstadt deutlich: Olten als Bildungs- und Kulturstadt versus Olten als Ort mit wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit.

Aussenblick ist wertvoll für Oltner

Doch warum sollten sich Oltner von jungen Zürchern sagen lassen, wie ihr Zuhause aussieht? «Eine Aussenperspektive auf die eigene Stadt zu erleben, kann erstens zu spannenden Aha-Effekten führen und zweitens eventuell auch den eigenen Blick auf Olten verändern. Ausserdem habe ich das Gefühl, das Olten mit seinem eigenen Selbstwertgefühl hadert und überrascht ist, wenn sich überhaupt jemand für die Kleinstadt interessiert», sinniert Gallati und fügt an: «Diese Einstellung könnte damit zusammenhängen, dass man die Schweiz in der heutigen Zeit gerne als bäuerliches und alpines Land darstellt und daher frühere Industrie- und Verkehrsstädte als eher langweilig abtut. Allerdings besitzen genau solche Kleinstädte in der Schweiz eine enorme Kraft.» So hofft Mischa Gallati, dass sich viele Oltner mit der Publikation auseinandersetzen und auch Nachsicht mit seinen Studenten haben. «Wir haben sicherlich nicht alle Aspekte beleuchtet oder korrekt interpretiert und sind daher gespannt auf die Rückmeldungen aus Olten.»

Zum Buch: Mischa Gallati (Hrsg.):

Werkstücke #6. Olten. Texte aus dem ISEK –

Populäre Kulturen, Institut für Sozialanthro-

pologie und Empirische Kulturwissenschaft

der Universität Zürich 2016.

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