Lernen nachzufragen

Charlotte Friedli Die FHNW-Dozentin in Olten vermittelt, wie anhand von Bildkarten Konflikte angegangen und Teams weiterentwickelt werden können.

Die Kommunikationsspezialistinnen Cornelia Schinzilarz und Charlotte Friedli (r.) gehen Probleme humorvoll und visuell an. (Bild: mim)
Die Kommunikationsspezialistinnen Cornelia Schinzilarz und Charlotte Friedli (r.) gehen Probleme humorvoll und visuell an. (Bild: mim)

Freitagmorgen an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. 20 Personen aus den unter- schiedlichsten Berufsfeldern sitzen im Fachseminar «Konfliktmanagement in Bild und Wort». Mit ihrer humorvollen und direkten Art begrüsst Dozentin Charlotte Friedli die Teilnehmer. Bereits die erste Aufgabenstellung fördert spannende Erkenntnisse zutage. Die Gruppen müssen aus den zahlreich im Raum ausgelegten Bildkarten, das zu ihnen in Konfliktsituationen passende Sujet auswählen. In Gruppen wird die eigene Haltung anhand der Karten vorgestellt. Während die eine Kursteilnehmerin ein Feuer ausgewählt hat und damit ihre Vorliebe zur Konfrontation ausdrückt, sorgen die Bildkarten einer anderen Teilnehmerin für herzhaftes Lachen. Die Karten zeigen einen «Mann, der sich aus einem Fenster hangelt» sowie einen «Helikopter» und verkörpern damit das pure Gegenteil zur ersten Teilnehmerin, nämlich das Bedürfnis bei einer Konfliktsituation sofort die Flucht zu ergreifen.

Kommunikation als Lebensleitfaden

Seit rund 40 Jahren setzt sich Professorin Charlotte Friedli mit der Kommunikation auseinander und wird nicht müde immer wieder neue Wege und Formen zu entdecken. «Ich kann mich stets neu erfinden und bin begeisterungsfähig», lacht die 64-Jährige. Wie sehr Kommunikation bereits im Elternhaus eine Rolle spielte, erklärt Friedli anhand eines Beispiels: «Mein Vater stammte aus Bern und meine Mutter aus St. Gallen. Mein Vater war für die Langsam-, meine Mutter für die Schnelligkeit zuständig. Und ich habe bis heute beides im Blut. Doch der Berner Teil in mir wollte es stets allen recht machen, dieSt. Gallerin hingegen war direkter. Während meinen rund 20 Jahren, die ich im Tessin lebte, lernte ich jedoch, noch offener zu kommunizieren. Obwohl dies bedeutet, auch mehr anzuecken, bin ich dankbar dafür», betont Friedli und fügt an: «Gerade für eine Frau ist es wichtig, Stopp zu sagen. Ansonsten werden leider häufig Grenzen überschritten.»

Aufhören anzunehmen

«Als ich in den 1970er Jahren Soziale Arbeit und Sozialpädagogik studierte, war vieles im Umbruch und die humanistische Psychologie nach Carl Rogers fand Einzug. Bei ihm in Amerika habe ich meinen Abschluss gemacht», erzählt Friedli. Bereits nach ihrem Studium zog es die in Bern aufgewachsene Friedli ins Tessin. «Ich habe in Mailand (I) eine Therapiegruppe HIV-postivier Frauen begleitet und daneben Weiterbildungen im Bereich Coaching und Supervision absolviert. Zudem habe ich die erste Aids-Gruppe für Frauen in Mailand gegründet und für die Weltgesund- heitsorganisation (WHO) die erste Broschüre zum Thema verfasst.» Während dieser Zeit ist die systemische Beratungsarbeit aufgekommen, in welcher sich Friedli bei Koryphäen in Mailand weiterbildete. «Viele Kommunikationskonzepte gehen davon aus, dass wir das Gegenüber auf eine empathische Art verstehen. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir aufhören sollten anzu- nehmen, dass wir wissen, was das Gegenüber fühlt und denkt. Es ist deshalb essenziell wichtig, nachzufragen!», erläutert Friedli ihre Ansicht, die sie nach den Jahren, in welchen sie sich mit den verschiedensten Kommunikationskonzepten auseinandersetzte, gewonnen hat.

«Ein-Frau-Show»

Seit den 1990er Jahren arbeitet Friedli als Dozentin an der Fachhochschule. «Es gibt fast nichts, das ich nicht unterrichtet habe», erzählt die Professorin, die heute in Zürich lebt, lachend. In Olten unterrichtet sie seit zehn Jahren und hat den MAS für Psychosoziales Management aufgebaut. Und wie kam es dazu, dass sich Friedli zur Humorexpertin ausbilden liess? «Ich pflegte stets eine humorvolle Art zu unterrichten. Zudem habe ich die schauspielerische Ader meines Vaters geerbt und so, um Beispiele verständlicher zu machen, öfters eine «Ein-Frau-Show» vorgetragen. Meine manchmal etwas zerstreute Art sorgte zudem für weitere Lacher. Dabei entdeckte ich, dass sich die Studierenden mit humorvollen Ankern den Stoff besser merken können», zeigt die Professorin auf. Vor 15 Jahren lernte Friedli zudem die Humorexpertin Cornelia Schinzilarz kennen und begann sich in diesem Bereich weiterzubilden. Die visuelle Arbeit begann 2013 nach einem Autounfall. «Ich hatte eine Zeit lang Mühe mit dem begrifflichen Schreiben. In einer Auszeit habe ich dann die Fotografie als Kommunikationsmittel wiederentdeckt und gemerkt, dass mit der Konzentration auf das Visuelle auch meine anderen Sinne geschärft werden. Ich erinnerte mich an einen Studenten in meinem Kurs, der Mühe hatte, Begriffe zu erfassen. Anhand von Zeichnungen merkte ich, dass ich einen anderen Zugang zu seiner Denkweise bekomme.» Dies gab für Friedli den Anstoss, sich mit der multisensorischen Herangehensweise in der Kommunikation zu beschäftigen. Gemeinsam mit Cornelia Schinzilarz entwickelte sie in der Folge 75 Bildkarten für den Bereich Konfliktmanagement. Diese Woche erscheinen weitere Fragen- und Bildsets im Bereich Konfliktmanagement und Teamentwicklung. Und dies ist sicherlich nicht der letzte Streich der umtriebigen Professorin, die, um die verschiedenen Bereiche der Kommunikation noch mehr ausloten zu können, ihr Arbeitspensum an der FHNW in Olten im nächsten Jahr einschränken wird.

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