«Ich möchte die Kinder selber sprechen lassen»

Christina Brun Mit «Stories Beyond The Wall» holte sich Christina Brun den ersten Platz beim Jugendprojektwettbewerb Solothurn 2015. Die eindrücklichen Geschichten und Bilder palästinensischer Flüchtlingskinder sind noch bis am 3. Januar im Kulturraum Tattarletti zu sehen.

Christina Brun (r.) lebte 2 Monate lang mit (v.l.) Malak, Miral, Amal und Sarah im palästinensischen Flüchtlingslager. (Bild: ZVG)
Christina Brun (r.) lebte 2 Monate lang mit (v.l.) Malak, Miral, Amal und Sarah im palästinensischen Flüchtlingslager. (Bild: ZVG)

Ein Mädchen mit einer grossen Plastikflasche, verfilzten Haaren, barfuss, mit einem etwas traurigen, unschuldigen Blick - so zeigt sich das Plakat der aktuellen Ausstellung «Stories Beyond The Wall» im Kulturraum Tattarletti in Olten. Fünf palästinensische Kinder aus dem grössten Flüchtlingslager in Betlehem erhalten hier die Möglichkeit, ihr Leben, ihre Gefühle und ihre Eindrücke aus ihrer ganz spezifischen und subjektiven Sicht zu zeigen - und dies keinesfalls nur melancholisch.

Zwei Monate im Flüchtlingslager

«Ich wollte Kindern die Chance geben, für sich selbst zu sprechen und zu erzählen. Den sie spüren zwar viel von den Konflikten, verlieren dadurch jedoch nicht ihren kindlichen Blick und ihre Lebensfreude», erklärt die 23-jährige Initiantin Christina Brun, welche das Multimediaprojekt mithilfe einer palästinensischen Non Profit Organisation vor Ort und auch durch die finanzielle Unterstützung des Kanton Solothurn verwirklichte. Die gelernte Fotofachfrau führte die Flüchtlingskinder in die Basics der Fotokunst ein, drückte den 8- bis 15-Jährigen je eine Kamera in die Hand und liess sie ihr Alltagsleben, auch mithilfe von selbst geschriebenen Texten, festhalten. Zwei Monate lang verbrachte die Winznauerin Tag und Nacht in Dheisheh, welches als grösstes palästinensisches Flüchtlingslager in Betlehem gilt und vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten unterstützt wird. 1949 aufgrund des Palästina- bzw. Israelischen Unabhängigkeits-krieges für geflohene und vertriebene Palästinenser ins Leben gerufen, beherbergt das Lager mittlerweile mehr als 16’000 Einwohner. «Die Leute leben hier auf engstem Raum und mit ihrer ganzen Verwandtschaft zusammen. Dadurch entsteht ein sehr inniges, zwischenmenschliches Verhältnis. Auch ich habe in meiner Gast-familie zahlreiche neue Schwestern, Brüder oder gar eine neue palästinensische Mutter gefunden», berichtet Brun lächelnd. Nach fast 70-jährigem Bestehen haben die meisten Bewohner ihr ganzes Leben in Dheisheh verbracht und nie eine andere Umgebung gekannt. Die Bezeichnung Flüchtlingslager als kurzzeitiges Zuhause mutet dadurch schon fast lächerlich an, jedoch weist der Ausdruck auf den ungeklärten Status der Bewohner hin.

Soziale Multimediaprojekte

Kontrollen des israelischen Militärs sind im Westjordanland an der Tagesordnung, 55 % der Palästinenser sind arbeitslos und das Leben ist von Grenzen und Regeln bestimmt. Was bewegt eine 23-Jährige dazu, freiwillig in eines der konfliktreichesten Teile der Welt zu reisen? «Ich liebe Geschichte und Palästina strotzt nur so vor Geschichte. So gründen beispielsweise alle drei Hauptreligionen im «Heiligen Land»», sinniert Brun und fügt nachdenklich an: «Ausserdem vergisst man aufgrund der wenigen Medienberichte gerne, dass sich die Situation dort unten nicht wirklich verbessert hat. Ich möchte aufklären.» Aufgrund ihres Studiums in «Multimedia Production» an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur ist die engagierte Winznauerin nicht nur in den Bereichen Film, Produktion und Web Design versiert, sondern lässt stets einen «Story Telling»-Aspekt in ihre Projekte einfliessen. In erster Linie faszinieren Christina Brun soziale und gesellschaftliche Themen. So erstellte sie während ihres Studiums bereits Webproduktionen zum Thema Integration sowie Armut in der Schweiz. «Die soziale Ader wurde mir wahrscheinlich vererbt. Denn mein Vater ist als Pastoralassistent in Olten und meine Mutter als Heilpädagogin tätig.»

Erster Platz in der Kategorie Jugend

Brun’s Engagement für das zeitintensive Projekt hat sich gelohnt: Nicht nur kann die Multimediakünstlerin die entstandenen Bilder und Geschichten der Flüchtlingskinder noch bis am 3. Januar im Kulturraum Tattarletti an der Aarauerstrasse in Olten präsentieren, sondern sie durfte sich auch über den ersten Preis in der Kategorie «Jugend» des Jugendprojektwettbewerbs Solothurn 2015 freuen. «Ich fühle mich geehrt und kann den finanziellen Zustupf wunderbar für mein Bachelorarbeits-Projekt mit syrischen Flüchtlingsfrauen im Libanon gebrauchen», blickt Christina Brun voller Tatendrang in die Zukunft.

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