Gegensteuer geben

Langzeitpflege Die Trimbacherin Vlora Biljali ist eines der Gesichter der Kampagne «Karriere machen als Mensch». Diese soll die Bevölkerung auf die Karrierechancen in Berufen der Langzeitpflege aufmerksam machen. Und so auch dem Fachkräftemangel in der Branche entgegenwirken.

Mit Leib und Seele Pflegefachkraft: Vlora Biljali misst bei einem Bewohner den Blutdruck. (Bild: Achim Günter)

Mit Leib und Seele Pflegefachkraft: Vlora Biljali misst bei einem Bewohner den Blutdruck. (Bild: Achim Günter)

Kampagne: Vlora Biljali soll mithelfen, den Personalmangel zu beheben. (Bild: ZVG)

Kampagne: Vlora Biljali soll mithelfen, den Personalmangel zu beheben. (Bild: ZVG)

Die Schlagzeilen rund um die Pflege und die Pflegeberufe sind meist wenig erfreulich. Pflegenotstand, Fachkräftemangel, Erschöpfungszustände oder Unterbezahlung sind Begriffe, die im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung nur allzu häufig fallen. Doch nun soll Gegensteuer gegeben werden. Statt die Missstände zu betonen, werden im öffentlichen Diskurs die Chancen und positiven Seiten des Pflegeberufs in den Vordergrund gerückt – und damit hoffentlich mehr Pflegefachkräfte fürs Gesundheitswesen rekrutiert.

Die drei Verbände Artiset, OdaSanté und Spitex Schweiz lancierten zu diesem Zweck im Frühling die Kampagne «Karriere machen als Mensch». Mittels kurzer Videospots oder Inseraten will die Kampagne negative Vorurteile widerlegen, die dem Berufsbild anhaften. Ziel: langfristig dem Fachkräftemangel in den Pflegeberufen den Garaus machen. Für die Kampagne wurden Anfang März aktive Berufsleute gesucht. Eine Anfrage erhielt auch die Trimbacherin Vlora Biljali. Die 23-Jährige arbeitet als diplomierte Pflegefachfrau HF im Alters- und Demenzentrum St. Martin in der Oltner Innenstadt.

Im Stil einer Partnersuche

Als Biljali von ihrer Vorgesetzten zum Mitmachen motiviert wurde, brauchte sie keine Bedenkzeit. Sie reichte ihre Bewerbung mit Lebenslauf und Motivationsschreiben unverzüglich ein. «Ich bin offen für Neues. Warum also nicht?» Die Trimbacherin mit Wurzeln in Nordmazedonien bekam den Zuschlag. Ende März wurden in Bern die Aufnahmen gemacht, bereits im April wurden erste Spots mit ihr auf sozialen Medien ausgestrahlt. «Wir mussten uns zwei, drei Texte überlegen, die wir gerne vortragen wollten.» Die platzierten Botschaften sind also Ausfluss eigener Gedanken und nicht etwa vorgegebene Werbesprüche.

Die Kampagne kommt im Stil einer Partnersuche daher. Die Botschaft, die sich an ein junges Publikum richtet, lautet: «It’s a match!» Wie zum Beispiel auf der Dating-Plattform Tinder soll der kurze englische Satz deutlich machen, dass es für beide Seiten passt – im konkreten Fall zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber. Biljali findet die Kampagne super. «Sie spricht die heutige junge Generation sehr an. Vielen aus meinem Umfeld gefällt sie ausgezeichnet.»

Die übergeordnete Botschaft der Kampagne ist die folgende: Der Pflegeberuf bietet gute Arbeitsbedingungen, es werden laufend Verbesserungen erzielt, viele negative Klischees entsprechen nicht mehr der Realität. Vlora Biljali ist eine glaubwürdige Überbringerin dieser Botschaft. Sie erzählt, dass sich in jüngster Vergangenheit manches verbessert habe. Und wer sie reden hört, darf konstatieren: Da ist jemand im passenden Beruf gelandet. Biljali liebt ihr Tun, mag den Dienst am Mitmenschen.

Das Wichtigste für sie sei denn auch der Kontakt zu den Bewohnerinnen und Bewohnern. «Man erkennt unmittelbar, wie sehr man den Menschen hilft, bekommt ein Lächeln, ein Dankeschön oder eine Geste zurück. So geht man dann auch mit einem guten Gefühl nach Hause.» Im Pflegeberuf sehe sie immer sofort, wie viel sie helfen könne. Ausserdem betrachtet sie die unterschiedlichen und sehr flexiblen Arbeitszeiten als grosses Plus.

«Man wird emotional sehr stabil»

Doch Biljali, deren Mutter und vier Jahre ältere Schwester ebenfalls in der Pflege arbeiten, verschweigt auch die Schattenseiten nicht. Etwa belastende Situationen bei Todesfällen. Oder fehlende Dankbarkeit. Auch sie sei von Patienten oder Angehörigen schon angeschrien oder sogar bespuckt worden. Aber dadurch werde man persönlich stärker. «Man wird emotional sehr stabil, lernt auch für sein Leben enorm viel.»

Bei aller Liebe für ihre Tätigkeit – die junge Frau albanischer Muttersprache sieht Steigerungspotenzial. Verbesserungen einstellen müssten sich insbesondere in zwei Bereichen. Das aktuell grösste Problem sei Personalmangel. Der wiederum fördert Frust und Stress beim verbleibenden Personal. Abhilfe schaffen könnte – genau! – mehr Personal. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen – auch mit Hilfe der laufenden Kampagne. Ein anderer Kritikpunkt sind die ihrer Meinung nach zu tiefen Löhne. Die junge Pflegefachfrau zieht dennoch ein überwiegend positives Fazit: «Die Situation ist nicht so, wie wir sie uns wünschen. Es braucht Verbesserungen. Aber es passiert was, es wird besser.»

Vlora Biljali übt den Pflegeberuf inzwischen seit acht Jahren aus. Nach der dreijährigen Lehre im «St. Martin» arbeitete sie während dreier Jahre auf verschiedenen Abteilungen im Kantonsspital Olten, ehe sie Ende 2021 ins Altersheim zurückkehrte. Im Dezember nimmt sie eine Weiterbildung in Angriff. Im Gegensatz zum Spital kann sie sich im Altersheim über einen langen Zeitraum um dieselben Menschen kümmern und so auch Beziehungen aufbauen. Ganz der Kampagne entsprechend meint sie mit einem charmanten Lächeln denn auch: «Für mich ist Langzeitpflege einfach mein Match.»

langzeit-pflege.ch

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