«Es handelt sich um gegenseitige Liebe»
Kapuzinerkloster Guardian Josef Bründler äussert sich zum Schliessungsentscheid, zur Zukunft des Hauses und zu derjenigen der acht verbliebenen Brüder.
Abgezeichnet hat es sich schon länger, seit kurzem ist es offiziell: Die Kapuzinerbrüder werden Olten verlassen. Nach Ostern 2024 ist es so weit.
Bruder Josef: Die Zeit vor dem Kommunizieren des Entscheides war relativ schwierig. Wir mussten schon länger mit der Frage nach der Zukunft des Klosters leben. Nicht selten wurden wir gefragt: «Wie viele seid ihr noch?» Ich habe dann jeweils zurückgefragt: «Was heisst denn noch?» Schliesslich sind wir noch immer eine lebendige Familie. Aber unser Problem ist natürlich die Überalterung. Unser jüngstes Mitglied wird in diesem Jahr 78 Jahre alt. So haben wir selber gemerkt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Seitdem wir nun das Gespräch mit unserem Ordensoberen, unserem Provinzial, geführt haben und der Schliessungsentscheid öffentlich gemacht wurde, ist das für uns lösend.
Sie empfinden es als befreiend?
Ja. Nun können wir darüber reden, und das tut schlicht und einfach gut.
Als Guardian waren Sie in die ganze Entscheidfindung eingebunden. Wurden noch andere Möglichkeiten als die Schliessung diskutiert?
Als wir merken mussten, dass die Zukunft des Klosters gefährdet ist, machten wir eine Eingabe ans Provinzkapitel, um hier ein sogenanntes Weltkloster zu schaffen. Die Idee hätte darin bestanden, in Olten eine Weltordensgemeinschaft anzusiedeln, also Kapuziner aus verschiedenen Erdteilen. Das wurde jedoch im vergangenen Sommer durch das Provinzkapitel angelehnt.
Eigentlich eine sehr schöne Idee.
Ja, die Idee ist nach wie vor gut. Aber das Problem ist, dass diese Idee momentan im gesamten Orden an verschiedenen Orten projektiert ist. Aber halt nicht für den Standort Olten.
Soll die Idee denn andernorts in der Schweiz umgesetzt werden?
Wahrscheinlich nicht. Meines Wissens gibt es entsprechende Pläne für Deutschland oder Belgien. Auf europäischem Boden gibt es derzeit noch keine Weltordensgemeinschaften.
Das war die einzige andere Möglichkeit, die diskutiert wurde?
Nein. Eine weitere Option war die Schaffung eines ökumenischen Stadtklosters, eine Anregung des reformierten Pfarrers in Wangen. Aber wir können über dieses Gebäude nicht verfügen, denn es gehört nicht uns, sondern dem Kanton. Deshalb liessen wir diese Idee dann fallen. Zudem hätten dafür zuerst bauliche Anpassungen gemacht werden müssen.
Wieso hat man sich für ein Ende an Ostern 2024 entschieden?
Unsere Familie, also wir verbliebenen acht Brüder, formulierten die Absicht, im Jahr 2023 noch voll präsent zu sein, sämtliche unserer Aufgaben bis Ende Dezember gegen aussen wahrzunehmen. Ab 2024 nehmen wir keine Aufgaben gegen aussen mehr wahr. Der interne Betrieb läuft aber weiter, inklusive Klostergottesdienst an Werk- und Sonntagen. Nach Ostern soll dann der Schnitt vollzogen werden, so dass wir ab dann genügend Zeit haben werden, um das Gebäude zu räumen und unsere Umzüge vorzubereiten.
Eine frühere Schliessung war also keine Option?
Nein, das hätte ich gar nicht gut gefunden. Dafür sind wir viel zu sehr vernetzt und eingebunden in die Seelsorge der Region Olten. Dass der Entscheid jetzt gefällt wurde, hängt mit den zwei bevorstehenden grossen Fasnachtsessen zusammen, zu denen wir zum Beispiel jeweils die Kantons- und Stadtregierung einladen. Ich hätte auf keinen Fall gewollt, dass wir bei diesen beiden Essen Ahnungslosigkeit hätten vorgaukeln müssen, ehe kurze Zeit später unser Abschied verkündet worden wäre. Das hätte ich als unfair empfunden. Ich will, dass wir bei diesen beiden Fasnachtsessen Klartext reden dürfen.
Was glauben Sie: Ist die Schliessung des Kapuzinerklosters einschneidender für die Brüder oder für die Stadt?
(lacht) Sie dürfte für beide Seiten einschneidend sein. Ich persönlich bin seit fast 22 Jahren in Olten zuhause und fühle mich hier beheimatet und akzeptiert. Es handelt sich um eine gegenseitige Liebe zwischen Olten und dem Kapuzinerkloster. In den Reaktionen, die uns nun erreichen, zeigt sich grosses Bedauern über unseren Weggang. Und auch für uns ist es gar nicht einfach, Olten zu verlassen. Aber wir versuchen, der ganzen Sache positiv zu begegnen. Alles andere nützt uns nichts. Wir würden uns bloss das Leben schwer machen, wenn wir über unsere Oberen schimpfen oder in eine Art Schockstarre verfallen würden. Das würde auch unserer Grundhaltung widersprechen.
Das Kapuzinerkloster ist eine Oase der Ruhe, des Innehaltens mitten in der Stadt. Da das Kloster nicht den Kapuzinern, sondern dem Kanton gehört, können Sie zwar nicht mitreden. Aber dennoch die Frage: Was würden Sie sich für eine künftige Nutzung wünschen?
Für uns am schönsten wäre natürlich die Einquartierung einer religiösen Gemeinschaft, die das, was wir in dieser Stadt bezüglich Mitarbeit und Seelsorge gelebt haben, weiterführen würde. Momentan umtreiben mich zwei Gefühle: Einerseits bereiten mir die vielen Reaktionen derzeit Freude. Sie sind ein Zeichen unserer Präsenz. Andererseits wirken manche Vorschläge für mich, als ob sich Geier so rasch wie möglich über das Aas hermachen möchten. Dabei sind wir nach wie vor hier!
Es werden bereits erste Vorschläge formuliert. Beispielsweise soll das Kloster dereinst vielleicht als Kunst- oder Fotomuseum fungieren, und unter dem Garten soll ein Parkhaus errichtet werden. Was halten Sie von diesen Ideen?
Die Parkhaus-Idee ist eine alte Geschichte. Das war vor Jahren im Gespräch – und war eine eher unschöne Angelegenheit. Irgendwann hat man dann die Übung abgebrochen. Damals spürten wir den Rückhalt der Kantonsregierung. Deren Mitglieder sagten, ohne Einverständnis der Kapuziner passiere hier nichts. Aber wenn der Kanton das nun will, können wir nichts dagegen unternehmen. Wenn die Klosteranlage einer Nutzung zugeführt wird, die zur Belebung der Stadt beiträgt, hätte ich sicher nichts dagegen.
Momentan leben noch acht Brüder im Oltner Kloster. Werden diese ihren Lebensabend gemeinsam verbringen, oder werden sie auf verschiedene Klöster aufgeteilt?
Sie werden auf verschiedene Klöster aufgeteilt werden. Aber die Frage, wohin die einzelnen Brüder ziehen, wird erst ab September 23 geklärt werden. Das wäre jetzt noch zu früh. Klar dürfte sein, dass wir in eines der Klöster der Schweizer Kapuzinerprovinz ziehen werden. In Frage kommen also Luzern, Schwyz, Rapperswil, Wil oder Mels. Als Kapuziner sind wir es ohnehin gewohnt, uns nicht an einem bestimmten Ort zu verwurzeln. Früher zog man alle drei oder spätestens alle sechs Jahre weiter.
Vorhin haben Sie im Zusammenhang mit den acht Oltner Brüdern von «Familie» gesprochen. Die wird nun auseinandergerissen. Könnten die acht Brüder nicht gemeinsam in einem Kloster unterkommen?
Ich glaube nicht. ich wüsste jedenfalls kein Haus, in das plötzlich acht Brüder einziehen könnten.
Haben Sie für sich persönlich eine Präferenz?
Sicher (lacht). Ich bin Luzerner. In Schwyz sind mir die Berge zu nah. Wil, Rapperswil und Mels sind für mich Ausland. Für mich steht eindeutig Luzern im Vordergrund, das habe ich auch bereits so deponiert. Dort war ich auch bereits mal zehn Jahre lang und habe sehr gute Erinnerungen an jene Zeit. Wenn man jedoch findet, dass ich beispielsweise in Wil gebraucht werde, sträube ich mich sicher nicht dagegen.
Am liebsten wären Sie ohnehin in Olten geblieben.
Ganz klar. Ich bin nun schon fast 25 Jahre im Kanton Solothurn zuhause. Meine Verwandtschaft wohnt zwar in der Innerschweiz. Darüber hinaus pflege ich in jener Region aber keine Beziehungen. Im Kanton Solothurn ist das ganz anders.
Das Ende kommt nach 378 Jahren
In Kantonsbesitz Bruder Josef – eigentlich Josef Bründler – führt das Kapuzinerkloster Olten seit 2016 bereits zum zweiten Mal als Guardian. Der 78-jährige Luzerner ist in Root aufgewachsen und hat die Gymnasien in Beromünster und Stans besucht. In Stans – damals eine Bildungseinrichtung der Kapuziner – legte er 1966 die Matura ab und trat im selben Jahr in den Orden ein. Seine theologische Ausbildung erhielt er in der Folge an der damaligen ordenseigenen Hochschule in Solothurn. Im Kapuzinerkloster Olten lebt er seit mehr als 20 Jahren. Inzwischen sind noch acht Brüder in Olten zuhause, der jüngste ist 77 Jahre alt. Das Kapuzinerkloster Olten wurde 1646 auf Betreiben der Solothurner Regierung gegründet; die knapp 4600 Quadratmeter grosse Klosteranlage ist Eigentum des Kantons Solothurn und ein geschütztes historisches Kulturdenkmal. Nach Ostern 2024 werden die Kapuziner nach dannzumal 378 Jahren den Standort Olten – auch Sitz der Missionsprokura der Schweizer Kapuzinerprovinz – verlassen. Noch bis Ende 2023 stehen sie wie bis anhin als Seelsorger und Priester in Olten und Umgebung im Einsatz. agu