«Es gibt mehr Autisten, als man denkt»
Welt-Autismus-Tag Am Samstag, 2. April ist Welt-Autismus-Tag. In der Kirchgasse laden verschiedene Stände dazu ein, sich mit dem Thema auseinander-zusetzen – und Berührungsängste abzubauen.
Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Sie haben den Film «Rain Man» mit Dustin Hoffman gesehen, auch schon das eine oder andere zum Thema Autismus gelesen. Bewusst Kontakt mit einem Autisten hatten Sie aber noch nie. Am Samstag, 2. April können Sie das ändern: In der Kirchgasse in Olten werden anlässlich des Welt-Autismus-Tages verschiedene Organisationen darüber informieren, was Autismus eigentlich ist – um Akzeptanz zu schaffen und Berührungsängste abzubauen. Denn, wie Amadora Gschwind festhält: «Autisten sind anders.» Gschwind leitet die Fachstelle Asperger-Syndrom Proviva ZVBVT in Olten. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Asperger-Syndrom bekannter zu machen und Betroffene sowie deren Angehörige zum Thema aufzuklären und zu beraten. Auch am Samstag in der Kirchgasse wird sie Rede und Antwort stehen.
Auffälliges Verhalten
Beim Autismus handelt es sich um eine neurologische Veränderung des Gehirns, wovon insbesondere die Sinnes- und Gefühlswahrnehmung, die Kommunikation und Interaktion, die körperliche Befindlichkeit und die kognitive Fähigkeit betroffen sind. Autisten fallen in der Gesellschaft häufig durch ihr Verhalten auf, sei es, weil sie etwa Nähe schlecht zulassen können und daher asozial oder arrogant wirken, nicht teamfähig sind oder einfach als «komisch» wahrgenommen werden. Es gibt verschiedene Formen von Autismus. Im Fall von frühkindlichem Autismus lebt die betroffene Person in ihrer eigenen Welt und benötigt Unterstützung im Alltag. Das Asperger-Syndrom kennzeichnet sich dadurch, dass sich die Person aufgrund ihrer Intelligenz in der Gesellschaft dennoch zurechtfinden und ihr Leben selbstständig meistern kann. Beim atypischen Autismus sind betroffene Personen nur teilweise beeinträchtigt.
Schwierige Anpassung an die Gesellschaft
Gschwind erklärt, dass Asperger-Betroffene lernen können, sich in die Gesellschaft einzufügen, indem sie etwa von Kindesalter an die Menschen beobachten und analysieren. Da die Welt von Nicht-Autisten jedoch ganz anders funktioniere als jene von Autisten, koste diese Anpassung tagtäglich viel Energie. Die Kommunikation etwa gestalte sich schwierig: Autismus-Betroffene sprechen und verstehen wortwörtlich. Da ihre Denkweise rein rational ist, müssen etwa Redewendungen, Metaphern, Humor und «emotionale» Ausdrucksweisen erst erlernt werden: Ein Autist sage eher «Ich habe verstanden», als dass er den Ausdruck «Ich habe Verständnis» verwende, der ein Gefühl kundtue. Im Umgang mit Nicht-Autisten müsse eine autistische Person sich jedes Mal von Neuem bewusst machen, dass sie «anders» reden müsse, sagt Gschwind. Autismus, erklärt Gschwind, sei wie ein Kokon, der den Menschen in seiner Handlungsfähigkeit einschränke. Ist die autistische Person jedoch intelligent, kann sie ins Handeln kommen und das Handicap dadurch kompensieren. Erwiesen ist heute, dass Autismus nicht etwa aufgrund von falscher Erziehung oder Familienkonflikten, sondern durch genetische und biologische Einflüsse vor der Geburt entsteht. Je früher eine autistische Person gefördert wird, desto besser lernt sie, ihre beeinträchtigten Fähigkeiten zu entwickeln und sich der Gesellschaft «anzunähern», wie Gschwind es ausdrückt.
Autisten wollen sich anpassen
Autisten wollten sich anpassen, ecken aber doch immer wieder an, sagt sie. Wenn auch die Gesellschaft wisse, wie Autisten die Welt wahrnehmen, vereinfache dies den Umgang miteinander, etwa in einer Freundschaft oder im Job. Gegenseitiges Verständnis soll auch der Aktionstag am Samstag, 2. April schaffen. Das ist nötig, denn, wie Amadora Gschwind bemerkt: «Es gibt mehr Autisten, als man denkt.»
Welt-Autismus-Tag in Olten am Samstag, 2. April
13.30-16.30 Uhr verschiedene Stände in der Kirchgasse geben Auskunft über das Thema Autismus
18.00 Uhr Filmbiographie «Du gehst nicht alleine» von Temple Grandin im Lichtspiel Olten, anschliessendes Podiumsgespräch mit Dr. med. Thomas Girsberger, Katrin Bentley, Mirjam Schlesinger und Amadora Gschwind.
Der Eintritt ist kostenlos.