Dynamische Schirmart

Biber Wer am Aareufer entlangspaziert, stösst früher oder später auf Spuren seiner Präsenz. Der Biber ist in unserer Region längst wieder allgegenwärtig – und wegen seiner Aktivitäten sowohl geschätzt als auch gefürchtet.

Im Oberlauf des Gretzenbacher Wissbächli hat ein Biber diesen Bau angelegt und so den Bach gestaut. (Bild: Achim Günter)
Im Oberlauf des Gretzenbacher Wissbächli hat ein Biber diesen Bau angelegt und so den Bach gestaut. (Bild: Achim Günter)

Er gilt als meisterhafter Landschaftsgestalter unter den Tieren: der Biber. Und weil sich auch der Mensch als solcher begreift, ist die Beziehung nicht frei von Spannungen. Der Biber untergräbt Uferwege und -böschungen, staut Bäche, tut sich an Bäumen gütlich. Konflikte sind vorprogrammiert. Allerdings: Der Biber ist ein geschütztes Tier, darf also nicht gejagt werden. Und: Mit seinem vielfältigen Wirken tut er viel Gutes für die Natur, schafft Lebensbedingungen für zahlreiche andere Tiere, auch seltene und bedrohte.

Anfang des 19. Jahrhunderts, also vor rund 200 Jahren, ausgerottet, konnte die dauerhafte Präsenz des Bibers in Olten und Umgebung im Jahr 2008 erstmals wieder nachgewiesen werden. Laut Valerie Arnaldi, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Jagd beim kantonalen Amt für Wald, Jagd und Fischerei, war das überraschend spät. In der unmittelbar angrenzenden Region Aarau seien nämlich bereits 1978 erste Familienreviere des Bibers festgestellt worden. «Aber die Tiere wanderten dann eher in Richtung Osten.»

In den vergangenen 15 Jahren hat sich das zweitgrösste Nagetier der Erde aber stark ausgebreitet. Allein auf Oltner Stadtgebiet geht man gemäss Arnaldi derzeit von vier Biberrevieren aus, drei an der Aare (nahe Winznau, Chessiloch und Ruppoldingen) sowie ein neues am Mittelgäubach im Gheidgraben. «Man kann davon ausgehen, dass der gesamte Aarelauf im Mittelland von Biberrevieren besetzt ist», so Arnaldi. «Die abwandernden Tiere weichen nun zunehmend in die kleineren Seitengewässer aus.»

Daniel Kleger, Revierförster im Forstrevier Niederamt und als solcher für ein Dutzend Gemeinden zuständig, geht davon aus, dass der Biber in seinem Forstrevier «überall dort präsent ist, wo es sich eignet». Neben der Aare nennt er explizit die Oberläufe des Wissbächli in Gretzenbach und des Bachs in Däniken als Biberreviere. In Däniken habe der Nager vor einigen Jahren auch mal für eine kleinere Überschwemmung gesorgt und einige Obstbäume gefällt. Im Allgemeinen, erzählt Kleger, dringen aber wegen des Bibers eher selten Klagen zu ihm.

Am meisten Konflikte mit Landwirtschaft

Arnaldi stuft das Verhältnis von Bevölkerung und Biber als «ambivalent» ein. Die Leute fänden ihn «herzig und faszinierend». Seien sie von seinen Aktivitäten jedoch selbst betroffen, nehme die Akzeptanz ab. Die Stauaktivitäten verursachten die höchsten Kosten, etwa wenn durch die Stauung eines Baches plötzlich der Garten oder sogar der Keller überschwemmt werde. Aber auch Einstürze von Geländepartien durch Grabaktionen seien problematisch. Baumfällungen seien meist vor allem emotional ein Problem. Der grösste Teil der Konfliktsituationen betreffe die Landwirtschaft. Arnaldi ist sich bewusst: «In einer so statischen Landschaft, wie wir sie erschaffen haben, hat ein so dynamisch wirkendes Tier wie der Biber nur begrenzt Platz.»

Der Biber ist ein reiner Pflanzenfresser. Besonders wählerisch ist er nicht, auch nicht bei den Baumarten. Laut Kleger mag er alle Weichholzarten besonders gerne, insbesondere Pappeln und Weiden. «Aber grundsätzlich kann der Biber auch eine Eiche fällen.» Spezielle Schutzmassnahmen mit Maschendraht für Bäume machten vereinzelt Sinn. Kleger nennt etwa die Bäume im Bally-Park.

Derzeit befindet sich das überarbeitete kantonale Jagdgesetz in der öffentlichen Vernehmlassung. Die Teilrevision sieht vor, die Verhütung und Vergütung von Biberschäden an Infrastrukturen künftig zu berücksichtigen. Der Kanton Solothurn geht laut Arnaldi davon aus, dass er nach Abzug der Bundesbeiträge pro Jahr einen fünfstelligen Betrag zu entrichten haben wird. Präzis definieren lässt sich die Summe nicht, weil bis anhin keine Kosten vom Kanton getragen wurden und ein Überblick deshalb noch fehlt. Bisher berappten die Gemeinden die Instandstellungs- oder präventiven Schutzmassnahmen.

Der Biber ist eine sogenannte «Schirmart». Das heisst, er bietet mit seinem Wirken anderen Tierarten einen Lebensraum. Arnaldi erläutert: «Dazu gehören nicht nur Amphibienarten, sondern auch Reptilien oder Insektenarten wie zum Beispiel seltene Libellen. Durch seine aktive Landschaftsgestaltung schafft er aber auch vielfältige Strukturen und fördert so auch Vögel oder Fledermausarten.»

Blutige Revierkämpfe

Die nachtaktiven Tiere leben territorial und besetzen Gewässerabschnitte von einem bis fünf Kilometer Länge. Die Reviere – Paarreviere oder Familienreviere – werden gegenüber den Artgenossen verteidigt. Hat das monogam lebende Biberpaar Nachwuchs gezeugt, bevölkern neben den beiden erwachsenen Tieren auch zwei bis vier Jungtiere das Revier. Der Nachwuchs muss den Biberbau nach zwei Jahren verlassen und sich anderswo eine neue Bleibe suchen. «Diese Biber müssen teilweise weit wandern. Und weil sie das entlang von Gewässern tun, müssen sie auch immer wieder Fremdreviere passieren. Dabei ist die Todesrate relativ hoch», weiss Arnaldi. Oftmals zögen sich die Tiere bei diesen Auseinandersetzungen so schwere Bissverletzungen zu, dass sie später verendeten.

Da natürliche Feinde weitgehend fehlen, bestimmen hauptsächlich die Kämpfe unter Artgenossen sowie Unfälle im Strassenverkehr den Biberbestand. In nicht allzu ferner Zukunft, meint Arnaldi, dürfte zudem die Kapazität der möglichen Lebensräume ausgeschöpft sein. «Im Moment gehen wir davon aus, dass ungefähr zwei Drittel der potenziellen Reviere im Kanton Solothurn besetzt sind.»

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