Der Rebenflüsterer

Wein aus Starrkirch Die Region Olten ist beileibe nicht als Weingegend bekannt. Es gibt aber auch hier ein paar wenige Rebflächen. Eine findet sich in Starrkirch, bewirtschaftet von Peter Salzmann.

Peter Salzmann verbringt pro Jahr rund 160 Stunden in seinem Rebberg, momentan geht es ums Erlesen. (Bilder: Achim Günter)

Peter Salzmann verbringt pro Jahr rund 160 Stunden in seinem Rebberg, momentan geht es ums Erlesen. (Bilder: Achim Günter)

Solaris-Weine von Peter Salzmann.

Solaris-Weine von Peter Salzmann.

Endlich. Der Himmel beinahe wolkenlos, der Wind sehr moderat, die Temperatur schon vor dem Mittag an der 20-Grad-Marke – ein Bilderbuchtag. Und der bis anhin wärmste Tag des Jahres. Ideale Voraussetzungen, um dem Starrkircher Peter Salzmann einen Besuch abzustatten.

Der 58-Jährige ist einer der ganz wenigen Hobby-Winzer in der Region Olten. Beziehungsweise Hobby-Rebbauer. Denn das Keltern des Weines, den letzten Schritt des aufwändigen Produktionsprozesses, überlässt er einem professionellen Winzer, der auch über die nötigen Einrichtungen verfügt. «Meine Arbeit ist abgeschlossen, wenn die Ernte im Fass des Winzers ist.»

Trotz Bilderbuchtag: Die Vegetation hinkt den Vorjahren deutlich hinterher. «Im Vergleich zu den drei letzten Jahren beträgt der Rückstand bis zu drei Wochen», erklärt Peter Salzmann. So kann er sich erst jetzt, Anfang Mai, der zweiten grossen Aufgabe im Jahr des Rebbauern widmen: dem Erlesen. Zahlreiche Triebe, die der Pflanze Kraft rauben würden, müssen ausgebrochen werden. Stehen bleiben sollen pro Stock bloss acht bis zwölf Triebe.

Dass man wie 2023 erst Anfang Mai erlesen könne, sei eigentlich der Normalfall. Erst mit dem Klimawandel habe sich das in den letzten Jahren bereits auf Mitte April vorverschoben. Dafür hatte Salzmann in den vergangenen drei Jahren nach späten Kälteeinbrüchen jeweils mit Frostschäden zu kämpfen. Der Rebbauer verfügt bereits über eine Langzeitperspektive. Den eigenen Rebberg legte er 2006 an, die erste Ernte einfahren konnte er 2008. Seither gibt es Wein aus Starrkirch-Wil. Vor rund 20 Jahren hatte der heute 58-Jährige mehrere Baumpflegekurse für Obstbäume besucht und dabei einen Walliser Winzer kennengelernt – und so schliesslich die Leidenschaft Weinbau für sich entdeckt.

Salzmann führt in Olten eine eigene Kommunikationsagentur. Zuhause im Rebberg verwandelt er sich in einen leidenschaftlichen Weinbauern. Flink gleitet er mit den Händen übers Holz und bricht mit dem Daumen überzählige Knospen ab – während er von einjährigem und zweijährigem Holz, von Zapfenschnitt, von Pilzdruck spricht. Die 400 Quadratmeter grosse Fläche mit 160 Rebstöcken befindet sich unterhalb des Hauses in einem naturnah gestalteten Garten, unmittelbar an der Ortsgrenze zu Dulliken, mit Blick aufs Niederamt und das Kernkraftwerk Gösgen.

Durchschnittlich 300 bis 400 Flaschen

Seit jeher produziert Salzmann Weisswein der Sorte Solaris. Dem Wein werde von Kennern eine hohe Qualität attestiert. Er steht etwa auch auf der Weinkarte im Hotel Astoria in Olten. «Es gibt Liebhaber, die diesen Wein sehr schätzen», weiss Salzmann. Die meisten Flaschen verkauft er privat. Er selbst, meint er schmunzelnd, konsumiere gar nicht mal so viel vom eigenen Wein. «Überhaupt trinke ich eigentlich mehr Rotwein.» Aufgrund der Voraussetzungen lässt sich dieser in seinem Rebberg jedoch nicht anbauen. «Dafür stimmt die Lage nicht.» Rote Trauben bräuchten länger zum Ausreifen und kämen so in unserer Gegend im Herbst in Konflikt mit dem häufig auftretenden Nebel.

Im Durchschnitt produziert Salzmann 300 bis 400 Halbliterflaschen pro Jahrgang. Im Spitzenjahr 2015 waren es deren 600 gewesen. Der Rebberg ist sein Reich, sogar seine Frau hält sich dort nur selten auf. Nicht etwa, weil Salzmann niemandem den Zutritt erlauben würde. «Die meisten Menschen haben enorm Respekt, etwas falsch zu machen.»

Denn falsch machen kann man einiges, und die Arbeiten übers Jahr sind zeitintensiv. Im Spätwinter schneiden, rund zwei Monate danach erlesen, später auslauben, spritzen, schützen und schliesslich im September ernten – da summieren sich die Stunden ganz schön. Salzmann nennt folgende Faustregel: «Ein Stock nimmt pro Jahr eine Stunde Arbeit in Anspruch.»

Zumindest einmal im Jahr ist Salzmann auf Hilfe angewiesen. Bei der Ernte im Spätsommer, auch Leset oder Wümmet genannt. «Die Wümmet ist meist ein Familienevent. Da kommen meine Geschwister mit Anhang helfen – und wir verbinden das mit einem Fest. Ich finde das immer auch sozial schön, gesellschaftlich bedeutungsvoll.»

Klimawandel sorgt für Mehrarbeit

Und obwohl er inzwischen erfahren ist, wird der Zeitaufwand insgesamt nicht weniger. Grund ist der Klimawandel. Neben der unberechenbar gewordenen Witterung verbessert dieser auch die Lebensbedingungen von Schädlingen. «Ich spritze die Reben bewusst sehr wenig – nur zweimal im Jahr. Wegen der Lage und der robusten Sorte gibt es hier wenig Pilzdruck. Dadurch muss ich wenig spritzen. Allerdings führt die Klimaerwärmung dazu, dass das Infektionsrisiko steigt.» Als Hobby-Rebbauer kann er es sich erlauben, vielleicht auch mal einen Totalausfall zu erleiden; einmal war das bisher der Fall. «Mir ist die Biodiversität wichtig und dass alles, was kreucht und fleucht, hier seinen Platz findet.»

Der Klimawandel bringt eine weitere Herausforderung mit sich. Die teils enorm warmen und trockenen Sommer der letzten Jahre sorgen für eine hohe Zuckerproduktion. «Das gibt dann nicht mehr leichte, sondern richtig schwere Weine.» Es habe schon Jahrgänge gegeben, in denen das Produkt schon fast mehr einem Likör entsprochen habe – mit 15 Volumenprozenten und mehr. Diese Weine würden aber deutlich weniger nachgefragt. Auch beim Wetter gilt eben: Die richtige Mischung machts.

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