Der hohen Fluktuation entgegenwirken
Beistände Am 10. Mai findet in Olten der Gründungsanlass des Solothurner Verbandes für Berufsbeistandspersonen statt. Die Berufsbeistände wollen sich dadurch besser vernetzen – und künftig öffentlich stärker auf ihre Anliegen aufmerksam machen.
Eine Gründungsversammlung anderthalb Jahre nach der Gründung? Doch, doch, sowas gibt’s. Am 10. Mai, ziemlich genau 18 Monate nach dem eigentlichen Start, geht in den Räumlichkeiten der FHNW in Olten um 18 Uhr der Initialanlass des Solothurner Verbandes für Berufsbeistandspersonen (SOVBB) über die Bühne, einer Regionalgruppe des Schweizerischen Verbands für Berufsbeistandspersonen (SVBB).
Ein Berufsbeistand – ehemals Amtsvormund – ist im Kanton Solothurn bei einer Sozialregion oder einer privaten Firma tätig und nimmt im Auftrag der Kesb eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe wahr: Bei erwachsenen Klienten, welche die Selbständigkeit teilweise eingebüsst haben, vertritt oder begleitet er diese in verschiedenen Lebensbereichen, zum Beispiel in Wohn- oder Finanzangelegenheiten. Bei Kindern ist jeweils eine Kindeswohlgefährdung Anlass einer Beistandschaft. Brigitte Kissling, 62, Mirjam Bläuenstein, 40, und Andrea Buchs, 37, sind zusammen in der in Olten angesiedelten Firma Sozialatelier Plus tätig – und arbeiten allesamt als Beiständin.
Alle drei sind zudem Vorstandsmitglieder des SOVBB. Erstere beide zählen neben Dieter Zipse zu den drei Gründungspersonen, die im November 2021 gemeinsam das Glas auf den neuen Verband erhoben. Seither stiessen drei weitere Mitglieder hinzu. Kissling präsidiert den jungen Verband, die anderen Vorstandsmitglieder sind Eve-Anne Baltzinger (Vizepräsidium), Dieter Zipse (Mitgliederverwaltung), Urs Mori (Website und IT), Andrea Fuchs (Finanzen) und Mirjam Bläuenstein (Aktuariat).
In den vergangenen anderthalb Jahren kümmerte sich das Team um die Erstellung eines Budgets, um die Website, um die Anwerbung neuer Mitglieder, um den bevorstehenden Gründungsanlass. «Und jetzt gehen wir an die Öffentlichkeit», sagt Kissling. Eingeladen sind Berufsbeistände aus dem Kanton Solothurn und die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). «Wir hoffen natürlich, am 10. Mai zusätzliche Mitglieder gewinnen zu können», ergänzt Bläuenstein.
Zu viele Mandate für einen Beistand
Kissling, ehemals Mitglied beim aargauischen Pendant, sagt, dass sie gemerkt habe, dass ein solcher Verband ziemlich viel Gewicht habe – einerseits gegenüber dem Kanton, andererseits bei der Ausbildung von Berufsleuten. «Dadurch habe ich den Mehrwert eines regionalen Berufsverbandes kennengelernt.» Ein starkes Netzwerk, führt Kissling aus, stärke das Berufsbild ebenso wie den einzelnen Beistand. Der Austausch untereinander, meint Buchs, sei deshalb so wichtig, «weil dieser Beruf sehr anspruchsvoll ist und man nie alles weiss».
Verbunden mit dem institutionalisierten Austausch ist nicht zuletzt die Hoffnung, dass künftig weniger frisch ausgebildete Beistandspersonen ihren Beruf nach kurzer Zeit bereits wieder quittieren. Bläuenstein fügt hinzu, dass es auch darum gehe, das Berufsbild des Beistandes in der Öffentlichkeit besser bekannt zu machen. «Ziel ist, unseren Berufsstand breiter abzustützen, damit mehr Leute diese Tätigkeit ausüben wollen und ihr nach der Ausbildung erhalten bleiben.»
Aktuell müssen sich im Kanton Solothurn die rund 100 Beistände gleichzeitig 80 bis 100 Mandaten widmen. Gemäss Richtlinien der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz sollten es im Kindesschutz maximal 50 Fälle sein, im Erwachsenenschutz deren 60. Selbst dann blieben pro Monat nur etwa drei Stunden pro Person übrig. Für Berufsneulinge ist das mehr als nur unbefriedigend. Buchs erklärt: «Für jemanden, der neu in dieses Berufsfeld einsteigt, ist es eine riesige Herausforderung, gleich eine enorme Anzahl Mandate übernehmen zu müssen. So bleibt keine Zeit für eine sorgfältige Einarbeitung. Die bräuchte es aber.» Kissling, bereits seit 20 Jahren als Beiständin tätig, gibt zudem zu bedenken: «Die Lebenslagen, mit denen wir konfrontiert werden, sind viel komplexer geworden. Dazu kommt die zunehmende Administration, ein unheimlicher Mehraufwand für uns.»
Kissling, Bläuenstein und Buchs arbeiten in einer externen Firma und sind nicht bei einer Sozialregion angestellt. Da mutet es auf den ersten Blick womöglich seltsam an, dass sie mit der Lancierung des Solothurner Verbandes für Berufsbeistandspersonen auch dazu beitragen wollen, die Sozialregionen zu stärken. So sollen in der Zukunft «Überlaufgefässe» wie Sozialatelier Plus von den Sozialregionen weniger in Anspruch genommen werden müssen.
Vier Referate warten am 10. Mai auf die Teilnehmenden des Initialanlasses. Sandra Wey, die Präsidentin des aargauischen Verbandes der Berufsbeistände, soll die Vorzüge eines Verbandes schildern. Dr. Patrick Fassbind, Präsident der Kesb Basel, wird in seinem Vortrag als Fachexperte das neue Erbrecht vorstellen, Stefan Armenti, Präsident der Kesb Region Solothurn, die Perspektive der Kesb aufs Beistandswesen darlegen. Und Dominic Frei schliesslich, Co-Präsident des SVBB, will über Zweck und Relevanz von Regionalgruppen sprechen. Die Teilnehmenden sollen also erfahren, wieso es im Kanton Solothurn einen Berufsverband braucht – und auch gerade in den Genuss einer Weiterbildung kommen.