Das Lächeln Oltens

Oltens Musiker Wer kennt ihn nicht? Den bekanntesten Strassenmusiker: Erni Degen-Gysin erzählt von seinen Reisen in jungen Jahren und wieso er seit 29 Jahren seinen Traumberuf ausübt.

«Musizieren macht auch Spass, wenn es kalt ist und regnet, dann freut man sich umso mehr aufs warme Zuhause.» jpi)
«Musizieren macht auch Spass, wenn es kalt ist und regnet, dann freut man sich umso mehr aufs warme Zuhause.» jpi)

Es regnet, der Wind bläst einem eiskalt ins Gesicht, die Schuhe brechen ihr Werbeversprechen das kalte Nass von den Socken fernzuhalten, fröstelnd erreicht man die düstere Winkelunterführung, der einzige Wunsch: schnellstmöglich ans Ziel zu gelangen. Rockige Gitarrenklänge lassen einen kurz aufhorchen und etwas langsamer gehen. «Hooooi! Es schöns Tägli!» ruft der Strassenmusiker Erni Degen-Gysin laut und mit fröhlicher Stimme, egal ob jemand Geld in seinen mit Kinderzeichnungen und Fotos verzierten Gitarrenkoffer wirft oder nicht. Wenn dann doch ein Zweifränkler in seinem schwarzen Koffer landet, strahlt der 53-Jährige übers ganze Gesicht und ein «Merci vell mol!» wird sogleich in den Song integriert.

Wer ist dieser Strassenmusiker, der seit 1993 in Olten bei jedem Wetter respektive Unwetter seine Lieder zum Besten gibt? Degen ist in Waldenburg (BL) aufgewachsen als Jüngster von drei Geschwistern. Er sei als Kind eher der Rebell gewesen. Sein Bruder war der Brave und die Älteste – seine Schwester – hatte gerne ihre Ruhe. Mit elfeinhalb Jahren reiste der kleine Lebenskünstler voller Unternehmungslust alleine per Autostopp nach Basel, um nach Holland zu gelangen. In Basel verbrachte er die Nacht draussen, wo viele Gefahren auf ein Kind lauern, am nächsten Morgen trat er dann doch wieder die Heimreise an. Nach dem Schulabschluss war für ihn klar: Er möchte durch Europa reisen und viele Leute kennenlernen. Dies tat er auch. Er reiste insgesamt zehn Jahre durch Italien, Spanien, Österreich, Deutschland und durch Osteuropa. «Das Schönste war, dass ich keinen Zeitdruck hatte. Es spielte keine Rolle, ob ich nächste Woche weiter wanderte oder erst in drei Monaten», erinnert sich der Oltner Strassenmusiker. Seine Augen leuchten, als er von den vielen Abenteuern, die er auf seinen Reisen erlebte, erzählt. Der Musiker ist kaum zu bremsen, eine Geschichte jagt die andere. Sein Geld verdiente er mit Weinlese, pflückte im Süden Orangen, Pfirsiche und im Winter Oliven.

Musiker wurde er eher zufällig. Zurück in der Schweiz suchten Freunde von ihm einen Gitarristen, der ein Solo spielt, da der damalige Gitarrist der Band krank war. «Ich lernte das Solo – welches aus ein paar Griffen bestand – und spielte es vor. Das Musizieren gefiel mir auf Anhieb», sagt Degen. Danach wagte er sich mit seinen drei frisch erlernten Akkorden und zwei Liedern auf die Strassen von Bern. Doch er habe vorwiegend in Hauseingängen gespielt, da er sich schämte, nur zwei Lieder spielen zu können. Damals hielten die Leute vermehrt an, um den Musikern zuzuhören. Danach nahm er seine neue Liebe – seine Gitarre – mit auf seine Reisen und lernte viele neue Leute, Kulturen sowie Gitarrenriffs und Lieder kennen.

Heute ist sein Lieder-Repertoire bedeutend vielfältiger. Er spiele ein Lied – ausser es werde gewünscht – nie zwei Mal am Tag. «Ich möchte nicht, dass jemand, der mehrmals an mir vorbei marschiert, dasselbe Lied hört», begründet er seine Regel. In Olten strandete der Lebenskünstler zufällig: «Ich habe meinen Anschlusszug verpasst und musizierte in der Wartezeit am Bahnhof.» Dies war ein Erfolg: Seither spielt er nur noch in Olten, denn die Leute seien freundlich und tolerant. Seine Frau Heidi lernte er am Oltner Bahnhof kennen: «Ich hätte sie vom Fleck weg geheiratet, als sie das erste Mal an mir vorbei ging», erzählt der zweifache Vater strahlend. Umso mehr freute er sich, als sie sich nach anfänglichem Zögern auch in ihn verliebte.

Der Kontakt mit Menschen ist wertvoll

 

Einen schöneren Beruf als Musiker kann sich Degen nicht vorstellen. «Ich lerne so viele Leute kennen und kann meiner Leidenschaft nachgehen», so der Oltner. Während der Weihnachtszeit spiele er besonders gerne, denn die Menschen würden mehr denken, fühlen und sehen, dafür seien die Plätze umso härter umkämpft. Viele Leute besuchen ihn, um mit ihm über ihre Sorgen zu reden, oder aus Einsamkeit. Dies freue ihn sehr, denn er schätze den Kontakt mit den Leuten sehr. Der Lebenskünstler scheint immer in guter Stimmung zu sein, ob der Schein trügt? «Nein, ganz einfach, wenn ich schlechte Laune habe, bleibe ich zu Hause.» Über das Finanzielle möchte er nicht sprechen. Seine Gitarre ist geliehen, von Willis Music and Arts. Er spart für die Reparatur seiner zwei Eigenen. Der Lebenskünstler schielt während des Gesprächs immer wieder auf sein Instrument, er will weiterspielen. «Manchmal kann ich fast nicht mehr aufhören», sagt er lächelnd.

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