Buchmesse: Gestenreiche Kaffee-Bestellung

fingershop.ch Verlag an der Buchmesse Olten Die gehörlose Marina Ribeaud führt am Samstag, 31. Oktober an der Buchmesse in die Gebärdensprache ein. Ein Gespräch über die täglichen Herausforderungen einer gehörlosen Person und den Alltag der fünfköpfigen Familie Ribeaud-Lautenschlager.

Marina Ribeaud führt Interessierte an der Oltner Buchmesse in die Gebärdensprache ein. (Bild: ZVG)
Marina Ribeaud führt Interessierte an der Oltner Buchmesse in die Gebärdensprache ein. (Bild: ZVG)

Vom Mittwoch, 28. Oktober bis Sonntag, 1. November findet bereits zum 10. Mal die Oltner Buchmesse statt. Zum Jubiläum präsentiert das Buchmesse-Team neben 18 Verlagen und und gegen 10’000 Titeln auch in diesem Jahr wieder ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Besonders erfreulich ist, dass im Jubiläumsjahr der Diogenes Verlag ins Buchmesse-Boot geholt werden konnte. Am Samstag, 31. Oktober findet deshalb mit den Autoren Martin Suter und Hansjörg Schneider ein Diogenes-Abend statt. Daneben stellen sich aber auch kleinere Verlage vor, wie der fingershop.ch Verlag aus Allschwil (BL).

Das Aus in Basel führte nach Olten

Vor neun Jahren wurde der Kleinverlag, der sich auf Literatur für Gehörlose und Bücher zur Vermittlung der Gebärdensprache spezialisiert hat, von der gehörlosen Marina Ribeaud und ihrem Mann gegründet. An der Buchmesse wird das Paar einerseits ihre neusten Publikationen vorstellen und am Samstag, 31. Oktober um 13 Uhr Interessierten eine Einführung in die Gebärdensprache ermöglichen. «Wir wollten im Jahr 2012 erstmals an der Basler Buchmesse teilnehmen, als wir erfuhren, dass diese nicht mehr durchgeführt wird», erinnert sich Patrick Lautenschlager. «Wir erkundigten uns nach weiteren Expositionsmöglichkeiten und stiessen auf die Buchmesse Olten, deren Team mit ihren speziellen Programmpunkten für Behinderte sensibilisiert war und sich begeistert zeigte von unserem Angebot», erzählt Lautenschlager von der ersten Teilnahme an der Oltner Buchmesse. In diesem Jahr wird Marina Ribeaud bereits zum zweiten Mal das Gebärdensprache-Café anbieten. «Kaffee erhält nur, wer ihn in der Gebärdensprache bestellt», erklärt Lautenschlager die Spielregeln. «Dies führte im vergangenen Jahr so weit, dass sich die meisten Aussteller auch untereinander für eine Kaffeebestellung in der Gebärdensprache verständigten», fügt Lautenschlager lachend hinzu und lobt die wohlwollende Atmosphäre an der Buchmesse Olten.

Die eigene Sprache vermitteln

Marina Ribeaud wurde 1971 in eine hörende Familie hineingeboren. Später absolvierte sie die Lehre zur Offsetmonteurin in einem Betrieb mit ausschliesslich hörenden Mitarbeitern und besuchte die Berufsschule für Hörgeschädigte in Zürich. Die Gebärdensprache lernte sie während ihrer Schulzeit auf dem Pausenplatz, doch erst während der Ausbildung zur Gebärdensprachlehrerin in Zürich wurden ihr die weit grösseren Möglichkeiten der Sprache bewusst. Nach der Geburt des ersten ihrer drei hörenden Kinder erkannte sie, dass es kaum Literatur gab, um ihnen die Gebärdensprache und somit ihre Ausdrucksform zu vermitteln. Deshalb bastelte sie ein eigenes Büchlein, indem sie einige Gebärden, die der Schweizerische Gehörlosenbund (SGB-FSS) veröffentlichte, ausdruckte und kindergerecht mit Tieren ergänzte. «Ich ermunterte meine Frau, selbst ein Lehrmittel zu erarbeiten», erzählt Lautenschlager. Der Sozialarbeiter ist als selbstständig erwerbender Beratungscoach, in der Kontaktstelle für Arbeitslose und als Präsident des Gehörlosenfürsorgevereins der Region Basel tätig. Gemeinsam mit anderen Gebärdensprachlehrern entwickelte Ribeaud das Buch «Gebärdensprache lernen 1», welches 2011 erschienen ist. Als eines der einzigen Bücher beinhaltet das Lehrbuch einen Glossar, der die Dreidimensionaliät der Sprache darstellt. «Da es zudem kaum Kinderbücher in der Gebärdensprache gibt, entwickelten wir das Kinderbuch «Maga und die verzauberten Ohren». Beide Bücher haben wir aufgrund der speziellen Thematik im Eigenverlag publiziert und im Dialekt, den wir für passend hielten, veröffentlicht. Die Grammatik der Gebärdensprache ist in allen Dialekten und Sprachen dieselbe, aber die Gebärde kann sich je nach Region unterscheiden», erklärt Lautenschlager.

Kommunikation in Gebärdensprache

Welchen Bezug hatte der hörende Patrick Lautenschlager zur Welt der Gehörlosen, als er seine Frau kennenlernte? «Wir haben in einem Chat miteinander geschrieben und uns Tags darauf an der 1. Mai-Feier in Basel getroffen. Nach meiner vorherigen Beziehung habe ich zehn Punkte aufgeschrieben, die in einer nächsten Beziehung erfüllt sein sollten. Meine heutige Frau ist beispielsweise mutig, klug, unabhängig sowie hübsch und erreichte damit die volle Punktzahl. Dass sie Hörend sein muss, habe ich nicht auf die Liste vermerkt», erzählt Lautenschlager lachend. Zuerst kommunizierte das Paar mittels Schreiben auf Papier und heute «redet» die gesamte Familie in der Gebärdensprache miteinander. «Wenn jedoch die Kinder mit ihrer Mutter kommunizieren, habe ich keine Chance - das geht mir viel zu schnell», gesteht Lautenschlager lachend.

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