Aus Widerständen schöpft er Kraft

Sinisha Lüscher Einfach nur als Talent gilt er nicht mehr. Er hat seine Klasse längst auch bei den Aktivschwingern unter Beweis gestellt. Dabei wird Sinisha Lüscher, Mitglied des Schwingklubs Olten-Gösgen, Anfang Januar erst 18-jährig.

Im Schlussgang des Solothurner Kantonalschwingfestes in Obergösgen unterlag Sinisha Lüscher seinem Vorbild Nick Alpiger noch. Bei der nächsten Begegnung der beiden wird es vielleicht schon anders sein. (Bild: Achim Günter)

Wer Sinisha Lüscher googelt, stösst auf eine Vielzahl von Begriffen. Von Ehrgeiz, Talent, grossen Zielen oder frühen Erfolgen ist da etwa die Rede. Aber auch von Ausgrenzung und Rassismus. Obwohl noch nicht mal volljährig, ist der junge Schwinger längst eine Person des öffentlichen Interesses. Die Medienberichte über ihn sind bereits zahlreich.

Geschuldet ist die Aufmerksamkeit seinem Talent beziehungsweise seinen Leistungen. Und vielleicht auch ein wenig seiner Hautfarbe. Lüscher, Sohn einer Schweizerin und eines Ghanaers, ist dunkelhäutig – und damit im Feld der Schwinger eine seltene Erscheinung. Der 17-jährige Banklehrling aus dem aargauischen Uerkheim fällt auf den Schwingplätzen auf, seit er mit elf Jahren dem Schwingklub Olten-Gösgen beigetreten ist. Zu Beginn, berichtet er, sei er immer mal wieder rassistisch beleidigt worden. «Jetzt bei den Aktiven ist meine Hautfarbe kein Thema mehr.» Zumindest vordergründig. Sehr selten bekomme er schon noch mit, dass über ihn getuschelt werde. «Aber das motiviert mich dann nur. Daraus schöpfe ich Kraft.»

Über die einstigen Kränkungen mag er nicht mehr gross sprechen. Dass sie ihn zuweilen sehr getroffen haben, ist aber leicht zu spüren. «Olten war damals ein guter Rückzugsort für mich, der Schwingklub hat mich immer unterstützt, deshalb bin ich auch sehr glücklich beim Schwingklub Olten-Gösgen.» Die Kränkungen seien nicht schön gewesen und hätten ihn wütend gemacht, ihm aber auch einen zusätzlichen «Push» gegeben. Es gelang ihm, die Wut in Energie und Trainingseifer umzuwandeln.

Am 8. Januar wird der Aargauer erst 18 Jahre alt und damit volljährig. Als Schwinger aber ist Lüscher längst erwachsen. Die gesamte abgelaufene Saison bestritt der Uerkner bereits bei den Aktiven, im Jahr zuvor – mit gerade mal 16 Jahren – pendelte er zwischen ersten Anlässen bei den «Grossen» und solchen bei den Jungschwingern.

Am liebsten gegen die Besten

Gregor Bucher, Technischer Leiter beim SKOG und damit schon seit sechs Jahren Lüschers Klubtrainer, erklärt, dass man sich in der Saison 2023 bewusst gegen weitere Einsätze im Feld der Jungschwinger entschieden habe. Die Konkurrenz wäre Lüscher wohl selten gewachsen gewesen, Siege am Laufmeter daher geradezu erwartet worden. «Er hätte eigentlich nur verlieren können.» Und Lüscher sei ohnehin einer, der sich am liebsten so oft wie möglich mit den Besten messe. Auch weil er genau wisse, dass er aus Niederlagen viel mehr lernen könne als aus Siegen. Es ist das Erfolgsgeheimnis von Siegern: an Widerständen wachsen statt an ihnen zu zerbrechen.

Bucher erinnert sich an die Anfänge der Zusammenarbeit. Schon als Elf-, Zwölfjähriger sei Sinisha im Training sehr konzentriert aufgetreten – und auch durchaus fordernd. «Er wollte rasch noch mehr können, verlangte von mir, mehr zu zeigen.» Lüschers Talent und Fleiss schlugen sich rasch in Erfolgen nieder. Sichtlich stolz erinnert sich sein Trainer an ein Schwingfest, das sein Schützling mit sechs verschiedenen Schwüngen gewonnen habe. «Und obwohl er schnell am meisten Erfolge feiern konnte, bekam ich bei ihm nie auch nur im Ansatz das Gefühl von Überheblichkeit», sagt Bucher.

94 siegreiche Gänge in Folge

Der Baselbieter erwähnt eine Serie von unglaublich anmutenden 94 Gängen in Serie – mehr als eine Saison –, in der Jungschwinger Lüscher das Sägemehl stets als Sieger verliess. Als er schliesslich beim Niklaus-Thut-Schwinget in Zofingen gegen seinen Namensvetter Elias Lüscher mal wieder verloren habe, sei er zuerst sehr enttäuscht gewesen, habe es aber sofort geschafft, aus der Niederlage die richtigen Schlüsse zu ziehen. Bei der nächsten Begegnung mit Elias Lüscher hiess der Sieger dann Sinisha Lüscher. 2021 schrieb der Uerkner erstmals nationale Schlagzeilen. In jenem Jahr konnte Lüscher den Festsieg beim Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag feiern – als erstes Mitglied des SK Olten-Gösgen überhaupt.

Die Saison 2023, die erste komplette bei den Aktiven, hievte den früheren «Jungschwingerkönig» dank verschiedener starker Auftritte an Festen endgültig in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Beim Solothurner Kantonalen in Obergösgen zum Beispiel musste er sich Ende Juni erst im Schlussgang seinem Vorbild Nick Alpiger geschlagen geben. Dass sich Sinisha Lüscher mit der letzten Saison nur bedingt zufrieden zeigt, liegt an seinem Ehrgeiz. «Man kann immer mehr erreichen, will immer mehr schaffen. Ist man zufrieden, kann man auch aufhören zu schwingen.»

Lüscher, der dank seines offensiven Schwingstils das Zeug zum Publikumsliebling hat, antwortet auf die Frage nach den Zielen 2024 routiniert-abgeklärt. «Nächstes Jahr will ich einfach mein Bestes geben können und wieder Spass haben.» Konkreter werden will er nicht. Und zwar ganz bewusst. Obwohl noch sehr jung, hat er bereits gelernt: Wer öffentlich Ziele hinausposaunt, setzt sich selbst unter starken Druck.

2024 findet das Schwingfest aus Anlass des 125-jährigen Bestehens des Schweizerischen Schwingerverbandes statt, ein Fest mit eidgenössischem Charakter, das 2020 wegen Corona nicht durchgeführt werden konnte. 2025 steht dann im Glarnerland das nächste Eidgenössische Schwing- und Älplerfest an. Gregor Bucher traut seinem Schützling dereinst einen Sieg bei einem Fest mit eidgenössischem Charakter zu. «Wenn er gesund bleibt, spricht nichts dagegen.» Sinisha Lüscher wiederum ist nicht erst seit dem Gewinn des Titels als Nachwuchs-Schwingerkönig auf den Geschmack gekommen. «Ich habe das Ziel, mal Schwingerkönig zu werden. Aber dafür müssen viele Faktoren stimmen.» Allen voran natürlich die Gesundheit. «2025 will ich sicher um einen eidgenössischen Kranz schwingen und nach den beiden Tagen hoffentlich mit einem Kranz dastehen können. Aber das ist nicht heute und nicht morgen, dazu muss ich mir jetzt noch keine Gedanken machen.»

Das Sägemehl lockt

Es ist bald 19 Uhr an diesem Donnerstagabend. Nebenan im Schwingkeller im Oltner Sälischulhaus sind die Jungschwinger bereits am Werk. Das Interview neigt sich dem Ende entgegen. Sinisha Lüscher wird zunehmend ungeduldig, es zieht ihn förmlich ins Sägemehl. Zuerst als Assistenztrainer von Gregor Bucher beim Nachwuchs, dann als Aktiver. Verpasst Lüscher das Training beim SKOG mal, kann man sicher sein, dass er sich sehr krank fühlen muss. Sein voller Trainingsumfang umfasst acht Einheiten an fünf Tagen. Neben dem Schwingtraining trifft man ihn auch im Fitnessstudio oder im Yogaraum an.

Im Sägemehl angekommen, beginnt er die teilweise noch sehr schmächtigen Jungschwinger anzutreiben. «Macht Liegestützen! Macht den Hampelmann!» Die kurzen Pausen im Training sollen genutzt werden, um voranzukommen. Mehr machen als die Konkurrenz, heisst das Motto. So wie es Sinisha Lüscher seit Jahren vorlebt.

 

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